18.03.2016
Ein Film der 66. Berlinale 2016, Sektion Generation 14plus

In Your Dreams!


Die Parkour-Strecke wird in Petr Oukropec Jugendfilm zur Metapher für die Hindernisse, die das Leben bereit hält. Die Jungen aus der coolen Clique, die ein Prager Hochhaus-Quartier zu ihrem Übungsplatz macht, überwinden spielerisch die Hürden und wagen sich immer höher hinaus. Die Mädchen blicken von unten zu ihren Helden auf. Nur die 16-jährige Laura (Barbora Stikarová) zieht es selbst auf die Dächer und Baugerüste.

In Your Dreams!Die Motivation der sportlichen Protagonistin bleibt allerdings die gleiche wie bei ihrer Freundin Kaja (Veronika Pouchová) und der gestylten Denisa (Martina Kavanová): von den Jungs bemerkt werden. Laura ist in den angeberischen Luky (Toman Rychtera) verknallt und träumt davon, dass er sie zu seiner Prinzessin macht. Wie das in ihrem Kopf aussieht, zeigt die dünne Story in skurrilen Traumsequenzen, die stilistisch zwischen Werbespot und Kindermärchen changieren. Laura ist von den Tagträumen so überwältigt, dass sie regelmäßig zusammenbricht. Besonders oft geschieht das im Fahrstuhl des Hochhauses, in dem sie mit ihrer geschiedenen Mutter wohnt. Ob Platzangst, Fallangst oder ein Trauma dahinterstecken, wie die Kamerabilder vermuten lassen, bleibt unklar. Wahrscheinlich hat die Psychologin, zu der Lauras Mutter die Tochter schleppt, recht: Es sind einfach die Hormone. "In deinem Alter bin ich ständig in Ohnmacht gefallen", meint die Medizinerin. Bewusstlos zu Boden sinkende Fräulein sind seit Ende des 19. Jahrhunderts eher selten, aber Regisseur Oukropec und Drehbuchautor Egon Tobiás meinen offenbar, es sei Zeit für ein Revival. Auslöser der Schwächeanfälle scheint bei Laura das Vordringen in die Männerdomäne des Kletterns allgemein und des Parkour im Speziellen.

In Your Dreams! Von vornherein macht die Handlung symbolisch klar, dass ein Mädchen abrutscht, wenn sie genau wie ein Mann ihre Spuren auf der Welt hinterlassen will. Beim gemeinsamen Bergsteigen fordert Lauras Vater sie heraus, eine Bergwand zu erklimmen und dort oben, wie zuvor er selbst, ihren Namen in den Stein zu ritzen. Der Versuch der Hauptfigur scheitert kläglich. Aber zum Glück ist ihr Vater da, um sie aufzufangen. Ohne einen Mann hängen die weiblichen Figuren auf der Leinwand in den Seilen. Das sieht man nach Lauras Rückkehr nach Prag auch an ihrer Mutter. Die sucht dringend und pausenlos einen neuen Partner. Momentan ist ihr Favorit ausgerechnet der Vater von Andreas (Adam Misik), der ebenfalls mit der Parkour-Clique abhängt und Kayas Freund ist. Letztes führt durch ein Missverständnis zum Streit zwischen den Mädchen. Unter den Jungen gibt es in einer ähnlichen Situation keine Konflikte. Sie haben wie der waghalsige Luky offenbar genug Anbeterinnen. Zu denen gehört auch die Kamera, die an den geschickten männlichen Darstellern hängt. Lauras Leistungen beim Parkour stehen im Vergleich dazu sichtlich zurück. Dass sie dennoch bei einem Video der Clique mitwirken darf, scheint sie ihrer weiblichen Anziehungskraft zu verdanken. "Sie ist ein Mädchen. Das sieht gut aus", sagt der fürs Filmen zuständige Alex (Jáchym Novotný).

Anerkennung für ihre sportliche Leistung braucht die Protagonistin nicht zu erwarten, weil sie mit den Jungen sowieso nicht mithalten kann. Hauptdarstellerin Barbora Stikarova hat zwar durchaus das Zeug zu einer starken Leinwandheldin, doch die sind leider nicht nur im Jugendkino selten.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Nikolas Tusl

 
Filmdaten 
 
In Your Dreams! (Ani ve snu!) 
 
Tschechische Republik/Slowakische Republik/Bulgarien 2016
Regie: Petr Oukropec;
Darsteller: Barbora Stikarová (Laura), Toman Rychtera (Luky), Veronika Pouchová (Kája), Jáchym Novotný (Alex), Adam Misík (Andreas), Martina Kavanová (Denisa), Klára Melísková (Marcela), Jan Vondrácek (Ota), Ivan Martinka (Vater) u.a.;
Drehbuch: Egon Tobiás; Produzenten: Petr Oukropec, Pavel Strnad; Kamera: Tomás Sysel; Musik: Filip Misek; Schnitt: Jakub Hejna;

Länge: 79 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt



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Der Film im Katalog der Berlinale
<18.03.2016>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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