28.02.2021

In the Mood for Love

Der renommierte Regisseur Stanley Kubrick sagte einst: "Ein Film ist - oder sollte - eher Musik als Fiktion sein. Es sollte ein Fortschreiten von Stimmungen und Gefühlen sein. Das Thema, was hinter der Emotion steckt, die Bedeutung, alles was danach kommt." In diesem Sinne ist "In the Mood for Love" keine schlichte Liebesgeschichte, es ist mit all seiner Beschaffenheit die Hymne der Liebe. Wong Kar-Wai gibt uns kein prosaisches Narrativ, er reimt jedes Bild aneinander und kreiert so die Poesie im Film.

Die Handlung ist einfach: Zwei Ehepaare, Familie Chow und Familie Chan, ziehen am selben Tag in dasselbe Gebäude ein. In Kürze beginnen Mrs. Chow und Mr. Chan eine Affäre. Nachdem die Partner dies bemerken, teilen Mrs. Chan und Mr. Chow den Kummer des Betrugs und versuchen durch Rollenspiele die Situation nachzuvollziehen. Wie erwartet entwickeln beide ebenfalls Gefühle füreinander, aber gehen aus Angst den Ehepartnern zu ähneln diesen nicht nach. Außerdem sind sie ständig dem Druck ihrer Umgebung und der Nachrede ausgesetzt.

Die Geschichte ist vielleicht die älteste der Menschheitsgeschichte: Eine Tragödie um eine unerfüllbare Liebe. Daher scheint sie auf dem Blatt sehr vorhersehbar. Doch Wong Kar-Wai und sein Cinematographer Christopher Doyle erzählen uns die Geschichte nicht wie in den klassischen Tragödien. "In the Mood for Love" ist eine Aneinanderreihung von Facetten. Wir sehen nie ganze Räume. Jeder Raum wird entweder nur bis zu einem bestimmten Punkt in das Bild aufgenommen oder nur aus einem Fenster oder einer Tür gezeigt. Es sind nicht nur die Bilder, die uns den Zugang zu den Geschehnissen eingrenzen. Die Montage dieser Bilder spielt ebenfalls mit unserer Wahrnehmung, die durch die Gewohnheit konventioneller Filmnarrativen zu Beginn immer wieder überrascht wird. Mit dieser einzigartigen Visualität wird zudem auch ein radikaler Fokus auf unsere Protagonisten hergestellt. Die Aufnahmen stellen hauptsächlich Mrs. Chan und Mr. Chow in den Mittelpunkt. Der radikale Fokus geht soweit, dass deren Partner über den ganzen Film nicht gezeigt werden. Auch die Dialogszenen spiegeln dieses Verhalten wider. Wenn Gespräche zwischen einer der Hauptfiguren und einem Nebencharakter stattfindet, findet kaum ein Perspektivenwechsel statt. Die Kamera ist in den meisten Fällen auf die Protagonisten gerichtet. Dies ändert sich, in Gesprächssituationen zwischen Mrs. Chan und Mr. Chow. Hier bewegt sich die Kamera je nach dem Stand der Nähe oder Ferne der beiden.

So entsteht bis zum letzten Moment des Films eine Poesie, durch die wir nicht der Handlung folgen, sondern mit unseren Protagonisten durch die komplizierten Emotionen gehen.

Dennoch lässt Wong Kar-wai seine Handlung nicht grenzenlos entwickeln. Durch seine minimalistische Raumnutzung kehren die Charaktere immer wieder an dieselben Orte. Als Zuschauer sehen wir, dass sich bei jedem wiederkehrenden Aufenthalt an einem Ort etwas geändert hat.

Zudem lässt sich durch einen Hinweis vor dem Abspann ein Gesamtbild aus den einzelnen Teilen puzzeln. Es wird nämlich die Schrift eingeblendet: "[...] die Vergangenheit ist etwas, was er sehen kann, aber nicht anfassen kann." Wenn man alles Gesehene auf diese Aussage zurückführt, kann der ganze Film als eine Erinnerung unseres Protagonisten wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist der ganze Film ein Rückblick auf Zeiten, die sowohl der größte Kummer als auch das ersehnlichste Verlangen eines Mannes sind. Es sind Memorien, dessen Bilder nur noch als Facetten erhalten sind. Zu sehen ist alles, woran Mr. Chow gerne zurückblickt; verdrängt ist alles, was Mr. Chow nicht als Teil dieser Erinnerung haben möchte. Die Rückblicke sind keine chronologische Geschichte aus einer bestimmten Lebensphase. Es sind die wirksamsten Momente dieser Lebensphase mit all den Emotionen, die er noch in sich trägt.  

Hüsny Yildiz / Wertung: * * * * * (5 von 5)



Filmdaten

In the Mood for Love
(Fa yeung nin wah)

Hongkong/Frankreich/Thailand 2000
Deutscher Alternativtitel: In the Mood for Love - Der Klang der Liebe

Regie, Drehbuch & Produzent: Wong Kar-Wai;
Darsteller: Maggie Cheung, Tony Chiu Wai Leung, Lam Siu Ping, Cheung Tung Joe, Rebecca Pan, Kelly Lai Chen, Chan Man-Lei u.a.;
Kamera: Christopher Doyle, Pun-Leung Kwan, Mark Lee Ping-bin; Musik: Michael Galasso, Shigeru Umebayashi; Schnitt: William Chang;

Länge: 98 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; deutscher Kinostart: 30. November 2000



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