"Du kommst mir vor wie ein
Dinosaurier", sagt Helen Hunt in ihrer Rolle als Betty Ann Fitzgerald
zu C.W. Briggs, gespielt von Woody Allen. Und diesen Satz
dürfen wir als Anspielung auf Allen verstehen. Die Filme des
Regisseurs, Drehbuchautoren, Schauspielers und Musikers
entwickeln sich immer mehr zu Ausnahme-Erscheinungen auf dem
Filmmarkt. Sowohl inhaltlich als stilistisch. In seiner länger als 35
Jahre andauernden Karriere hat Allen einige Filme in seinen
Lieblingsepochen, den 30er und 40er Jahren, handeln lassen.
Selbst die zeitgenössischen Werke haben meist Bezüge zu dieser
Ära - deren Protagonisten wollen wie Humphrey Bogart werden
oder sind vernarrt in alte Jazzmusik und lassen nichts unversucht,
sie sogar einem Punk-Fan näher zu bringen. Trotz der speziellen
Vorlieben und wiederkehrenden Themen, die den Eindruck von sehr
eigenen, persönlichen Filmen verstärken, bleibt ein Großteil von
Allens Schaffen zeitlos und dazu erfreulich abwechslungsreich.
Man muss es ihm lassen: Selten vermag ein Künstler, der
geschmacklich in einer Zeit hängengeblieben ist, so gut zu
unterhalten wie Woody Allen es schafft.
"Im Bann des Jade Skorpions", die neue Gangster-Komödie des
erklärten New Yorkers, spielt ebenfalls in den 40ern. Mit einer
wundervoll anzusehenden Ausstattung, vergleichbar mit
früheren Filmen wie "The Purple Rose Of Cairo" und "Radio Days".
Von Anfang an fühlt sich der Zuschauer in eine andere Zeit versetzt, mit den ersten Takten
swingender Jazzrhythmen und dann mit dem Blick in das
Großraumbüro einer New Yorker Versicherung. Hier arbeitet die
Hauptfigur Briggs als erfolgverwöhnter Detektiv, der Betrügereien
aufklärt und Häuser gegen Einbrüche sichert. Seine neue
Mitarbeiterin Fitzgerald, die ihn gern herumkommandiert und ihm
auch sonst wenig Respekt zollt, bringt ihn regelmäßig auf die Palme.
Die beiden verbindet eine Hassliebe, welche in feurigen Dialogen
und Schimpftiraden ihren Ausdruck findet. Bei einer Geburtstagsfeier
werden Fitzgerald und Briggs von dem Magier Voltan (David Ogden
Stiers) auf die Bühne gebeten, dort in einen Hypnosezustand versetzt
und sind für die Dauer der Hypnose leidenschaftlich ineinander
verliebt. Als sie geweckt werden, erinnern sie sich an nichts. Keiner
ahnt, dass dieser kleine Zaubertrick für sie nicht ohne Folgen bleiben
wird. Wenig später erhält Briggs einen Anruf - am anderen Ende der
Leitung wispert Voltan das magische Kennwort und Briggs fällt
augenblicklich wieder in Trance. Voltan gibt ihm den Auftrag, eines
der Häuser zu bestehlen, welches Briggs selber abgesichert hat. Am
folgenden Morgen wird er an den Tatort gerufen ohne zu wissen, dass
er selbst der Einbrecher ist! Schnell fällt sein Verdacht auf die Rivalin
Fitzgerald, die allerdings mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist -
ihrem heimlichen Verhältnis zum gemeinsamen Chef (Dan Aykroyd),
und der kann sich nicht recht zu einer Scheidung durchringen. Zu den
Verwicklungen, die die folgende Reihe von Raubzügen anrichtet,
kommt die emotionale Achterbahn, der Briggs und Fitzgerald
willenlos ausgeliefert sind. Oder tut man unter Hypnose doch nur die
Dinge, die man im tiefsten Innern tun möchte?
Wie in Allens vorletzter Regiearbeit dreht es sich hier wieder um "Schmalspurganoven", nur
funktioniert "Im Bann des Jade Skorpions" wesentlich besser als
sein Vorgänger. Beide basieren zwar auf originellen Plots, doch jetzt
sind die Gags zahlreicher und weniger platt, die Charaktere
pfiffiger und vielseitig. Helen Hunt ("Verrückt nach dir", "Besser geht's
nicht") ist als Woody Allens Gegenpart ausgezeichnet besetzt. Sie
spielt überzeugend und mit tragisch-komischen Talent alle
Gemütslagen durch - von ihrem ersten unterkühlten Auftritt bis zur
Verzweiflung und romantischen Hingabe. Eine weitere von Allens
zahlreichen starken Frauenfiguren. Den klassischen Vamp verkörpert
mit einigen Anleihen bei Lauren Bacall - dekadent und leicht
überdreht - nicht weniger ansprechend das ehemalige Model Charlize
Theron. Weitere Mitspieler sind schon länger in Allens Team dabei,
was einen vertraut anmutenden Umgang der Filmfiguren erklären
kann. In der Mitte des Films kommt es zu einem leichten Durchhänger
- bedingt dadurch, dass der Zuschauer mehr weiß als die Figuren
und sich fragt, wann die endlich hinter die Lösung kommen. Doch je
näher das Ende rückt, desto spannender wird es wiederum: Kriegen
sie sich? Kann das Happy End glaubhaft sein? Die schräge
Liebesgeschichte zwischen diesem scheinbar ungleichen Paar bleibt
besonders darum amüsant, weil Allen nicht versucht, den hohen
Altersunterschied zu kaschieren, sondern selbst dann noch munter
Gags darüber abreißt, als er sich die Liste seiner Schwächen
anhören darf: "Und vergiss nicht den besten Part: Die Haare fallen mir
auch noch aus!"
Die Geschichte ist herrlich altmodisch, was jeder für sich entweder
als Abschreckung oder aber als Prädikat werten darf. Allen ist in dem
Sinne ein unzeitgemäßer Filmemacher, da er Wert legt auf ein
ausgefeiltes Drehbuch mit ebensolchen Dialogen und runden
Charakteren, die trotz ihrer Marotten liebenswert bleiben. Zentral für
die Handlung sind die lebensnah angelegten Beziehungen zwischen
den Figuren. Eine von Allens größten Stärken besteht in seinem
unfehlbaren Gespür dafür, welche Musik zu welcher Szene passt. Hier
schmust sich eine sanfte Melodie in den Film, sobald einer seine
grenzenlose Liebe gesteht, und die Szenen, in denen es kriminell
wird, werden von einer abgehakten Jazz-Gitarre untersetzt. Musik
erleichtert Emotionen zu transportieren. Wer Woody Allens Stil schon
vorher mochte, wird ihn auch hier mögen, wer ihn bisher noch nicht
entdeckt hat, der hat bei dieser leichten Komödie beste Gelegenheit
dazu und wird das Kino womöglich beschwingt mit einer schönen
Melodie im Kopf verlassen.
Jessica Ridders /
Wertung: * * * * (4 von 5)
Quelle der Fotos: Ottfilm Kinoverleih
Filmdaten
Im Bann des Jade Skorpions
(The Curse of the Jade Scorpion)
USA 2001
Regie: Woody Allen;
Darsteller: Woody Allen (C.W. Briggs), Dan Aykroyd (Chris Magruder),
Helen Hunt (Betty Ann Fitzgerald), Charlize Theron (Laura Kensington), David
Ogden Stiers (Voltan), Wallace Shawn (George Bond), Elizabeth Berkley (Jill), John Schuck (Mize) u.a.; Drehbuch: Woody Allen; Produktion:
Letty Aronson; Schnitt: Alisa Lepselter; Kamera: Zhao Fei; Musik: Duke Ellington, Glenn Miller, Dick Hyman u.a.;
Länge: 102 Minuten;
FSK:
ab 6 Jahren; deutscher Kinostart: 6. Dezember 2001; ein Film im
Verleih von Ottfilm
"Damals war der Preis noch potthässlich, es war so ein schwarzer Sockel mit so einer Neonlampe drauf, zwei Herzen mit einer Neonlampe. ... Am nächsten Morgen habe ich das Ding auch gleich zerschlagen."
Til Schweiger über seinen ersten Filmpreis, den Nachwuchsdarstellerpreis des Filmfestivals Max Ophüls Preis 1993 für den Film "Ebbies Bluff"; vgl. auch den Artikel zum Max Ophüls Preis 2019