05.04.2017

I Shot My Love

Der Raum hinter der Kamera biete eindeutig den angenehmeren Standpunkt, erklärt Andreas seinem israelischen Lebenspartner Tomer, als dieser ihn filmt – außerdem sei er unsicher, inwieweit die Anwesenheit der Kamera sein Verhalten manipuliere. Dieser und ähnliche Momente belegen regelmäßig, dass "I Shot My Love" ein hochgradig selbstreflexiver Dokumentarfilm ist, einer, der sich vom überholten Diktum befreit, eine dokumentarische Arbeit müsse die Wirklichkeit ungefiltert abbilden. Allein schon die über die komplette Laufzeit abgerundeten Ecken der Leinwand, die das Bild zum Blick durch den Kamerasucher stilisieren, verweisen auf dieses theoretische Konzept hinter "I Shot My Love".

Ohne einen erklärenden Off-Kommentar oder merkliche audiovisuelle Effekte porträtiert Regisseur und Kameramann Tomer Heymann die Liebesbeziehung zu seinem deutschen Freund Andreas. Das Interessante ist dabei weniger das vordergründige Thema als solches – im Gegenteil erscheinen einige der Alltagsbeobachtungen, in denen auch Heymanns Mutter eine zentrale Rolle spielt, nur bedingt von Interesse für Außenstehende; auch die grundsätzliche Frage, ob eine Beziehung zwischen einem Israeli und einem Deutschen funktionieren kann, erschöpft sich recht bald.

Das Spannende an "I Shot My Love" ist die Art und Weise der Inszenierung: Wenn die Partner offen über ihre Gefühle füreinander sprechen und die Präsenz der Kamera scheinbar vergessen, entstehen teils beklemmend intime und durchaus allgemeingültige Momente. Darüber, dass die Aufzeichnung das Vorgefundene natürlich auch im Rahmen einer so transparenten Herangehensweise konstruiert, legt "I Shot My Love" offensiv Zeugnis ab.

Nicht aufgrund inhaltlicher Qualitäten, sondern wegen seiner selbstreflexiven und unmittelbaren Machart avanciert "I Shot My Love" zu einem klugen und zeitgemäßen Dokumentarfilm, der im Grunde auch die erschwingliche und flexibel nutzbare digitale Kameratechnik der Gegenwart, die sein Entstehen überhaupt erst ermöglichte, zum Thema hat.



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

I Shot My Love


Israel/Deutschland 2009
Regie, Drehbuch & Kamera: Tomer Heymann;
Mitwirkende: Tomer Heymann, Zvi Heymann, Wieland Speck u.a.;
Produzenten: Barak Heymann, Tomer Heymann, Sabine Rollberg; Musik: Israel Bright, Eran Weitz; Schnitt: Ido Mochrik;

Länge: 71 Minuten; FSK: unbekannt; deutscher Kinostart: 17. März 2011



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