14.08.2014
Liebe in Zeiten der Todesgefahr

Heli


Heli: Juan Eduardo Palacios, Andrea Vergara Mexiko, ein Land mitten im Drogenkrieg. Dass auch Unbeteiligte in diesen Konflikt hineingezogen werden können, zeigt Regisseur Amat Escalantes radikaler Film. Der junge Fabrikarbeiter Heli (Armando Espitia) lebt mit Frau und gemeinsamem Baby, dem Vater und der 12-jährigen Schwester Estela (Andrea Vergara) in einer trostlosen Gegend Mexikos. Estela hat heimlich einen Freund, den fünf Jahre älteren Polizeianwärter Beto (Juan Eduardo Palacios). Beto möchte das Mädchen ungeachtet ihres jungen Alters heiraten. Um an Geld zu kommen, klaut Beto von der Polizei beschlagnahmte Drogen und versteckt sie in Helis Haus. Mit katastrophalen Folgen für Heli und seine Familie. Bei der Darstellung der brutalen Realität schont die originell erzählte Drogentragödie den Zuschauer nicht.

Es gibt einen neuen Stil filmischen Erzählens, den manche Kinogänger als zu sperrig bezeichnen dürften. "Heli" gehört zu den Filmen, die sich diesem Stil verpflichten. Atemraubende, mitunter blutige Szenen wechseln sich mit quälend langen Einstellungen ab, in denen sich die Filmhandlung entwickelt. Heli Die Haupt- und Titelfigur von "Heli" wird einmal brutal gefoltert, bald darauf ist Heli, ein noch jugendlich wirkender Mann, zu sehen, wie er seine Ehe zu retten versucht. Das Paar streitet sich bis zum Würgen des Partners, im nächsten Moment liebt es sich wieder unvermittelt. Die nächsten Szenen zeigen Heli als Rächer seines ermordeten Vaters und seiner entführten und bis zur Schwangerschaft vergewaltigten Schwester. Amat Escalantes dritter Spielfilm, beim Filmfestival in Cannes 2013 mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet, ist ein Gegenentwurf zu handelsüblichen Drogenthrillern: Die dort entliehenen Thrillerelemente vermengt Escalante mit gleich zwei präzise ausformulierten Beziehungsstudien, für die der Regisseur sich Zeit lässt. Escalantes Erzählstil wäre nahezu brillant. Wenn der mexikanische Filmemacher nur nicht zu sehr auf Schockeffekte setzen würde.

Den wichtigsten Schockeffekt des Films zeigt Escalante gleich zweimal. Ein Mann wird von einer Brücke geworfen. Gefesselt hängt er am Galgen. Der Zuschauer musste zuvor über mehrere Minuten hinweg ansehen, wie er dorthin auf einem Pickup transportiert wurde. Es war sein letzter Weg, ein Leidensweg zu einer Art Kreuzigung. Der Mann endet als Verräter. Wie es dazu kam, zeigt Escalante bis zur Mitte des Films. Danach folgt erst Ernüchterung, dann Helis Einschreiten.

Heli: Armando Espitia Niemand bleibt unschuldig, sobald es in Mexiko um Drogen geht, sagt Escalantes Film aus. Das Land, dessen Einwohnerzahl wegen des Drogenkriegs stetig schrumpft, hat im Prinzip aufgegeben. In "Heli" gibt es auch gute Polizisten, nicht nur diejenigen, die sich bereichern wollen. Doch auch sie stellt Escalante als machtlos dar angesichts der Übermacht der Kartelle, die Hand in Hand mit der Polizei arbeiten. Helis Schlussfolgerung daraus ist, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Selbstjustiz-Filme sind im Normalfall fragwürdig. "Heli" kommuniziert die Selbstjustiz anders: Der junge Mann sucht Vergeltung als Katharsis. Der Film ist großartiges Erzählkino, das die Selbstjustiz als letzte Form des Widerstands vor dem Fatalismus versteht, nicht etwa gutheißt. Wobei die Selbstjustiz-Szene nur der Schlusspunkt ist hinter einer ausdifferenzierten, klugen Story über menschliche und mitmenschliche Beziehungen am Rande des Zusammenbruchs angesichts von Gewaltexzessen.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: temperclayfilm

 
Filmdaten 
 
Heli (Heli) 
 
Mexiko / Niederlande / Deutschland / Frankreich 2013
Regie: Amat Escalante;
Darsteller: Armando Espitia (Heli), Andrea Vergara (Estela), Linda González (Sabrina), Juan Eduardo Palacios (Beto), Reina Torres (Detective Maribel) u.a.;
Drehbuch: Gabriel Reyes, Amat Escalante; Produzent: Jaime Romandia; Produktion: Mantarraya, Tres Tunas in Koproduktion mit u.a. unafilm, Lemming Film, Ticomán in Zusammenarbeit mit u.a. ZDF / Arte; Kamera: Lorenzo Hagerman; Musik: Lasse Marhaug; Schnitt: Natalia López;

Länge: 105 Minuten; FSK: unbekannt; ein Film im Verleih von temperclayfilm; deutscher Kinostart: 18. September 2014



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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