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14. November 2002
Harry Potter und die Kammer des Schreckens
Es ist wieder, wie im alljährlichen Turnus geplant, so weit: Zum mittlerweile zweiten Mal präsentiert Warner Bros. den Zauberlehrling im Kindesalter, um die Gleichaltrigen für die Detektiv-Geschichten auch auf der Leinwand zu begeistern, die Harry Potter in Hogwarts, der Schule für angehende Magier, erlebt. Auch diesmal geht es um das Kind Potter, das seine Fans wohl weniger wegen seiner doch recht simpel strukturierten Abenteuer gegen das Oberböse, genannt Voldemort, in den Bann zieht denn wegen der auch im zweiten Film gelungenen Darstellung der Schule des Lebens mit all ihren Problemen. Die Frage, ob eine Fortsetzung mit der ersten Verfilmung der Romane von Joanne K. Rowling mithalten kann, beantwortet sich überraschend positiv: Das bis auf wenige Veränderungen gleich gebliebene Filmteam um Regisseur Columbus und Hauptdarsteller Daniel Radcliffe hat an Routine dazu gewonnen, so dass dies die erzählerischen Qualitäten des Films im Vergleich zu "Harry Potter und der Stein der Weisen" sogar noch steigert. Doch der Film enthält auch nicht von der Hand zu weisende bittere Beigeschmäcke... Ist es die altbekannte Abkassiererei, einen Kinderbuch-Erfolg und seine Nachfolger kommerziell auszuschlachten, so dass es auch zur Anreihung der einzelnen Verfilmungen kommt? Der Wunsch, nach dem Erfolg der Romane von Joanne K. Rowling denjenigen der jeweiligen Zelluloid-Interpretation anzuschließen? Das auch, kein Zweifel, aber mehr als das, zweifelsohne. Pädagogische Substanz steckt in den Büchern, und Regisseur Chris Columbus würde den Voldemort tun, das nicht in die Filme übertragen zu wollen. Er kürzt auch im neuen Film den Inhalt der Vorlage nicht, nicht nur, um den Wiedererkennungswert nicht zu verletzen und so die treuen kleinen Leser zu enttäuschen, sondern es steckt auch die Mühe dahinter, die in den Büchern wenn auch verdichtet gestaltete Schule des Lebens auch auf der Leinwand wiederzugeben mit all ihren familiären Problemen - Harry Potters Stieffamilie, die Dursleys; ihren Zurechtweisungen von Seiten der Obrigkeit - seine Lehrer; all ihren Intrigen - die bösen Gegner, die Malfoys; und wie man dem zusammen mit Harry, dem, gewissermaßen in Solidarität mit den Fans, genauso noch nicht Erwachsenen, begegnet. Ihre pädagogische Strategie haben die Bücher wie die Filme in der Tat, wenn eben auch im kinderfreundlichen Format. Ein Format, dessen Messlatte intellektuell zu niedrig angelegt ist? Wer da Veränderungen zu Ungunsten der Kleinen fordert, will da zu sehr von oben herab eingreifen. Der weltweite Harry-Potter-Hype in seinem Niveau hat, so wie er präsentiert wird, seinen Nutzwert für die Kinder, und die Beteiligten wissen das.
Konfrontiert werden die Kleinen im zweiten Buch wie zweiten Film aber auch mit kaum explizit ausgestalteten Anspielungen, und zwar keinen geringeren als welchen auf die Nazi-Zeit. Der Inhalt von "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" dreht sich indirekt um die Herrenmenschen-Attitüde des Dritten Reichs, hier dargestellt in dem Wunsch der sozusagen reinrassig geborenen Zauberer nach Trennung von denen, die nur zur Hälfte von Magiern, zur anderen Hälfte von den verhassten Menschen, den "Muggeln", abstammen. Als reichlich platitüdenhaft könnte man es bezeichnen, wenn Chris Columbus den Vater von Potters gleichaltrigem Erzfeind Draco Malfoy in die Filmreihe als großem Blonden mit schurkischem Blick einführt. Aber wie im Fall der Figur Lockhart gilt auch hier: Komplizierte Persönlichkeitsstudien sind noch nichts für die unter Zehnjährigen und darunter, sehr wohl aber die Erläuterung, Ungerechtigkeit nicht hinnehmen zu sollen. Kinder wissen noch nichts mit dem dunkelsten Kapitel anzufangen, sind aber dankbar für Unterrrichtung in Sachen Sozialdarwinismus, wie man den Inhalt ebenfalls interpretieren kann.
Michael Dlugosch /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Warner Bros. Filmdaten Harry Potter und die Kammer des Schreckens (Harry Potter and the Chamber of Secrets) GB / USA 2002 Regie: Chris Columbus; Darsteller: Daniel Radcliffe (Harry Potter), Rupert Grint (Ron Weasley), Emma Watson (Hermine Granger), Maggie Smith (Professorin Minerva McGonagall), Richard Harris (Professor Albus Dumbledore), Alan Rickman (Professor Severus Snape), Jason Isaacs (Lucius Malfoy), Tom Felton (Draco Malfoy), Bonnie Wright (Ginny Weasley), Kenneth Branagh (Gilderoy Lockhart), Robbie Coltrane (Rubeus Hagrid), Christian Coulson (Tom Riddle), Warwick Davis (Professor Flitwick), Richard Griffiths (Vernon Dursley), Fiona Shaw (Petunia Dursley), Julie Walters (Mrs Molly Weasley), Mark Williams (Mr. Arthur Weasley), John Cleese (fast kopfloser Nick), Harry Melling (Dudley Dursley), David Bradley (Mr. Argus Filch), Robert Hardy (Cornelius Fudge), Shirley Henderson (die maulende Myrte), Gemma Jones (Madam Pomfrey), Miriam Margolyes (Professorin Sprout), Sally Mortemore (Madam Pince), Toby Jones (Stimme von Dobby), Julian Glover (Stimme von Aragog) u.a.; Drehbuch: Steve Kloves nach dem gleichnamigen Roman von Joanne K. Rowling; Produzenten: David Heyman, Chris Columbus, Mark Radcliffe, Michael Barnathan, David Barron, 1492-Pictures; Kamera: Roger Pratt; Kostüme: Lindy Hemming; Produktionsdesign: Stuart Craig; Originalmusik: John Williams, William Ross; Schnitt: Peter Honess; Länge: 158 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der Warner Bros. Film GmbH
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