15. Februar 2001

Fehlende Spannung soll durch Brutalität ausgeglichen werden

Hannibal


Hannibal Einen Riesenandrang gab es bei den 51. Internationalen Fimfestspielen 2001 in Berlin zu den Vorführungen eines Films, auf den alle gewartet haben. Das große Interesse galt "Hannibal", der Fortsetzung des Thrillers "Das Schweigen der Lämmer", der vor zehn Jahren mit großem Erfolg in den deutschen Kinos lief. 1991 war er im Wettbewerb der Berlinale und Jonathan Demme erhielt den Silbernen Bären für die beste Regie. Es gab auch fünf Oscars, unter anderem für Regisseur Demme und die beiden Hauptdarsteller Jodie Foster und Anthony Hopkins.


Man erinnert sich: "Das Schweigen der Lämmer" konfrontierte uns mit Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins), einem intellektuellen Psychiater und kannibalischen Massenmörder. Lecter, eine ungeheure Bedrohung für die Menschen, war in einem Hochsicherheitstrakt verwahrt. Dort suchte ihn gelegentlich die FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) auf. In den Gesprächen offenbarten sich die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Am Ende des Films konnte Hannibal aus seinem Käfig fliehen. Der Film spielte genial mit den Urängsten des Menschen. Dieser Kannibale hinter Gittern war grauenvoller als der frei herumlaufende Serienmörder Jame Gumb, den Clarice mit Lecters Informationen fassen wollte.

Jetzt, zehn Jahre später, ist Hannibal Lecter, die Intelligenz-Bestie, ins Kino zurückgekehrt. Sir Anthony Hopkins spielt erneut die Titel-Figur; Jodie Foster hingegen lehnte es ab, die Rolle der Clarice Starling ein zweites Mal zu übernehmen. Das Drehbuch soll ihr nicht gefallen haben. Ähnlich wird vielleicht Jonathan Demme gedacht haben. Für ihn übernahm Ridley Scott ("Alien 1", 1979; "Gladiator", 2000) die Regie. An Stelle von Jodie Foster spielt Hopkins' Wunschkandidatin Julianne Moore ("Psycho '98", 1998, "Magnolia", 2000) die FBI-Agentin.

"Hannibal" ist mittlerweile die dritte Thomas-Harris-Verfilmung mit der Figur des Hannibal Lecter. Bevor Jonathan Demme "Das Schweigen der Lämmer" inszenierte, drehte Regisseur Michael Mann 1986 "Manhunter" (deutscher Titel: "Roter Drache"; alternativ: "Blutmond").

In "Hannibal" will ein einst von Dr. Hannibal Lecter verstümmeltes Opfer, der schwerreiche Mason Verger (Gary Oldman hinter einer Latex-Maske), blutige Rache. Hannibal Lecter, seit seinem Gefängnisausbruch vor zehn Jahren flüchtig, wird in Florenz vom bestechlichen Commandatore Rinaldo Pazzi (Giancarlo Giannini) enttarnt. Pazzi begeht den Fehler, Hannibal an Verger ausliefern zu wollen, anstatt ihn zu verhaften. Lecter erkennt die Falle und flieht nach Amerika. Die durch eine schiefgelaufene Razzia in Ungnade gefallene Clarice Starling ist die Einzige, die Lecter besser kennt und wird erneut auf ihn angesetzt. Verger will Clarice dazu benutzen, Lecter aus seinem Versteck hervorzulocken.

"Das Schweigen der Lämmer" ist ein moderner Filmklassiker geworden, der das Horror-Genre revolutioniert. Dagegen sieht man "Hannibal" jederzeit an, dass dieser Film nur den damaligen finanziellen Welterfolg wiederholen soll. Die Rechnung geht tatsächlich auf: "Hannibal" hat an seinem US-Startwochenende alle Rekorde gebrochen. 58 Millionen Dollar an den ersten drei Tagen flossen in die Kinokassen, berichtete Produzentin Martha de Laurentiis stolz auf der Berliner Pressekonferenz. Damit rangiert "Hannibal" auf Platz 3 der Startliste der erfolgreichsten US-Filme aller Zeiten.

Hannibal Die Filmkritiker teilen keineswegs die Meinung des in die Kinosäle strömenden Publikums. Denn "Hannibal" erreicht nicht die Qualität seines Vorgängers. Allein schon deswegen, weil Thomas Harris' Roman die Verfilmung nicht lohnt, das Buch zu wenig Inhalt und Spannung bietet. In "Das Schweigen der Lämmer" war Hannibal Lecter ein eingesperrter Massenmörder mit Charisma. Die Distanz, die durch die Glaswand zwischen der interviewenden Starling und Lecter entstand, sorgte für klaustrophobische Enge. In "Hannibal" ist die Titelfigur ein freier Mensch; von ihm geht nur noch ein schwaches Lüftchen einer Bedrohung aus. Von den freigelegten Urängsten bei Starling und beim Zuschauer ist nichts geblieben, das intelligente psychologische Kräftemessen von Starling und Lecter, das in "Das Schweigen der Lämmer" so packend war und für die Oscars gesorgt hatte, kommt nicht zur Geltung, da Starling und Lecter erst zum Schluss des Films aufeinander treffen werden. Die Drehbuch-Autoren David Mamet und Steven Zaillian haben sich allzu eng an die literarische Vorlage angelehnt. Regisseur Ridley Scott und seine Autoren holen zwar noch das Beste heraus, leisten sich aber den Fauxpas, eine unsägliche Stelle des Romans in den Film zu übernehmen, und zwar ohne jede Ironie: Lecter rächt sich an einem Widersacher, indem er dessen Gehirn filetiert - bei lebendigem Leibe. Eine Szene, die nicht jedem Zuschauer zuzumuten ist.

Dementsprechend reagierten die deutschen Politiker: Sie begannen am 13. Februar, zwei Tage vor dem deutschen Kinostart, eine Debatte, in der gefragt wurde, ob der Film nicht zu brutal sei und gar fürs Kino verboten werden sollte. Die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, gibt den Film nicht unter 18 Jahren frei.

"Hannibal" wurde in Berlin von den Schauspielern Anthony Hopkins, Giancarlo Giannini, den Produzenten Martha und Dino de Laurentiis und dem Deutschen Hans Zimmer, der die Musik komponierte, vorgestellt. Regisseur Scott zog es vor, nicht in Berlin zu erscheinen. Er wird gewusst haben, warum.

 
Michael Dlugosch / Wertung: * (1 von 5)

Quelle des Fotos:
Metro Goldwyn-Mayer


Filmdaten

Hannibal
(Hannibal)

USA 2001;
Regie: Ridley Scott; Drehbuch: David Mamet, Steven Zaillian;
Darsteller: Anthony Hopkins (Dr. Hannibal Lecter), Julianne Moore (Clarice Starling), Giancarlo Giannini (Rinaldo Pazzi), Francesca Neri (Laura Pazzi), Alex Corrado (Piero Falcione), Frankie Faison (Barney), Zeljko Ivanek (Dr. Cordell Doemling), Boyd Kestner (Agent Méndez), Ray Liotta (Paul Krendler), Ivano Marescotti (Carlo Deogracias), Gary Oldman (Mason Verger), Mark Margolis u.a.;
Produzent: Dino De Laurentiis, Martha Schumacher (in den Credits als Martha De Laurentiis); Originalmusik: Klaus Badelt, Hans Zimmer; Kamera: John Mathieson; Schnitt: Pietro Scalia; Casting: Stephanie Corsalini; Länge: 131 Minuten; FSK: nicht unter 18 Jahren




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Weitere Rezension
von Daniel Möltner
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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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