30.09.2021

Rita Hayworths berühmtester Film

Gilda

Rita Hayworth galt in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als schönste und meistfotografierte Frau der Welt. Sie wirkte in sechzig Filmen mit. Während des Zweiten Weltkriegs hing ihr Bild in den Spinden von Tausenden von GIs. Die erste Atombombe, die zu "friedlichen" Zwecken über dem Bikini-Atoll abgeworfen wurde, taufte man 'Gilda' und klebte Ritas Pin-up-Foto darauf. Zwei von Hayworths fünf Ehemännern waren der als Playboy bekannte steinreiche Prinz Aly Khan sowie der Regisseur und Schauspieler Orson Welles. "Rita Hayworth hatte den wunderbarsten Gang, den ich je im Film gesehen habe", schrieb der Regisseur Rouben Mamoulian. "Die Kamera reagierte auf ihre Bewegungen wie auf Garbos Intelligenz und Chaplins Mimik."

Ihr größter Film war "Gilda", ein legendäres Leinwandepos, in dem sie allen Männern den Kopf verdreht und eine Hassliebe zu einem Glücksspieler entwickelt. Die berühmteste Szene ist ihr Auftritt als Sängerin in einem schulterfreien schwarzen Satinkleid, wo sie lasziv ihre langen schwarzen Handschuhe auszieht und dazu das ironische Lied "Put the blame on Mame" singt – worin die Frauen an allem schuld sind, sogar am Erdbeben von San Francisco. Ihr Fast-Striptease im grellen Scheinwerferlicht ist erotischer als alle anderen "echten" Enthüllungen und hat Filmgeschichte geschrieben. Diese Glamour-Szene genügt, um zu begreifen, warum Rita Hayworth zur Leinwandgöttin gekürt wurde. Sie verkörperte im Leben wie in den Filmen die ultimative Männerphantasie: die aufreizende, verführerische Femme fatale, bildschön, mit lockigem rotem Haar, wiegenden Hüften, langen Beinen, exotisch, aber auch gefährlich, so dass man meint, sie bewachen zu müssen. (Sie selbst meinte dazu allerdings: "Ich hielt mich nie für eine Sexgöttin, sondern vielmehr für eine Komödiantin, die tanzen konnte.")

Dabei ist die eigentliche Handlung des Films nicht besonders überzeugend, eher verwirrend und unlogisch. Einen jungen Glücksritter und passionierten Spieler Johnny Farrell (Glenn Ford) verschlägt es in ein hochelegantes, aber zweifelhaftes Kasino in Buenos Aires. Dessen Besitzer Ballin Mundson (George Macready) nimmt ihn in seine Dienste, auch für geheime Schmuggelgeschäfte. Der Abenteurer verliebt sich in die Frau seines Arbeitsgebers, Gilda (Rita Hayworth), die er von früher kennt, und gerät in den Konflikt zwischen Loyalität bzw. Freundschaft zu seinem Arbeitgeber und leidenschaftlicher Liebe. Gilda fühlt sich durch Johnnys scheinbare Gleichgültigkeit beleidigt und flirtet leichtfertig mit anderen Männern. Und die frühere gegenseitige Liebe verwandelt sich in Hass, eine Beziehung, über die Gilda sagt: "Hass ist ein sehr aufregendes Gefühl. Sehr aufregend. Ich hasse dich auch, Johnny. Ich hasse dich so sehr, dass ich daran sterben könnte." Mundson bemerkt davon nichts, weil er durch ein Großschmugglergeschäft – es geht um den kriegswichtigen Rohstoff Wolfram – abgelenkt ist. Er entzieht sich seiner Verhaftung durch einen vorgetäuschten Selbstmord. Aufgrund seines Testaments glaubt Johnny, Gilda heiraten zu müssen, bleibt aber kaltherzig und hält sie wie eine Gefangene. Sie flieht ins Ausland nach Montevideo und wird gefeierte Barsängerin und Tänzerin. Der Polizist Obregon klärt Johnny darüber auf, dass Gildas Eskapaden nur dazu dienten, ihn zu reizen und zurückzugewinnen. Es kommt zur Versöhnung, aber plötzlich taucht der totgeglaubte Mundson voller Eifersucht mit geladener Pistole wieder auf. Der treue Klomann Onkel Pio (Steven Geray) ergreift Mundsons Spazierstock und tötet seinen Chef mit dem darin befindlichen Dolch.

Ein Happy End also. Damit ist dieser Schwarz-weiß-Film nicht nur ein Film noir wie die typischen zynischen US-Kriminalfilme der 1940er und 1950er Jahre in Hollywoods "Schwarzer Serie", sondern eigentlich auch ein Film rouge, in dem die Liebe gewinnt.

Dass die Handlung Defizite aufweist, bemängelte schon die zeitgenössische Kritik: Sie sei "schwachsinnig" (Hayworth-Biograph Gerald Peary) und "melodramatischer Unsinn" (Pauline Kael). Dafür entschädigt aber die dichte, sirrende, hocherotisch aufgeladene Atmosphäre, in der leidenschaftliche Blicke getauscht werden (Großaufnahmen!) und die Dialoge oft so scharf sind wie der Dolch in Mundsons Gehstock, etwa: "Johnny, das ist aber nicht anständig." – "Wie war noch mal das Wort, Gilda?" – "Anständig, ich sagte: anständig." – "Dachte ich mir doch, dass es das war. Es klang komisch aus deinem Mund, Gilda."

Gleich zu Beginn des Films rollen in Froschperspektive Würfel auf den Betrachter zu und eröffnen den Bedeutungsraum: Das Leben ist eine Spielhölle, in der Glück und Unglück von Zufällen abhängig ist. Die Entwicklung der Hassliebe lässt sich aber auch psychoanalytisch interpretieren: Der Dolch in Mundsons Gehstock (sein "kleiner Freund") wird dann ebenso zum Phallussymbol wie Gildas Zigarette. Zu Beginn deuten sich durch glühende Blicke homoerotische Spannungen zwischen Farrell und Mundson an, so dass das Hinzutreten von Gilda zu einer Art "ménage à trois" führt. Gilda hat anscheinend Sigmund Freud gelesen: "Johnny, jeder Psychiater würde dir sagen, dass deine Gedankenassoziationen sehr aufschlussreich sind. Jeder Psychiater würde dir sagen, dass das etwas zu bedeuten hat." Die gegenseitigen Demütigungen und Verletzungen sind zweifellos Zeichen von Sadomasochismus. Einmal sagt Johnny: "Laut Statistik gibt es auf der Welt mehr Frauen als alles andere, ausgenommen Insekten." Ist der Film damit frauenfeindlich? Nein. Erstens sagt es nicht der Regisseur, sondern eine Person, und zweitens ist Johnnys Misogynie offensichtlich heilbar.

Die Handlung wird, wie oft in der Schwarzen Serie, vom männlichen Protagonisten aus dem Off erzählt, in einer Rückblende. Dabei weiß – bzw. sieht – der Zuschauer oft mehr als Farrell und muss sich fragen, ob dessen subjektive Schilderung der Wahrheit entspricht. Typisch für den Film noir ist auch die intensive Kameraarbeit mit Licht und Schatten, wodurch starke Kontraste entstehen. Während der berühmten Gesangsszene etwa tritt Gilda durch die grelle Scheinwerferbeleuchtung vor dem dunklen Hintergrund, in dem man die Zuschauer kaum erkennen kann, umso stärker hervor.

Was die schauspielerische Qualitäten anbelangt, so steht George Macready als Kasinochef den beiden anderen Protagonisten in nichts nach. Er verkörpert den eleganten (offenbar impotenten) Schurken – seine Narbe war übrigens echt – genauso perfekt wie Rita Hayworth den verführerischen Vamp und Glenn Ford den glutäugigen Zyniker. Auch die beiden größeren Nebenrollen sind mit dem verschmitzten Steven Geray (Onkel Pio) und dem sympathischen Joseph Calleia (Detective Obregon) ideal besetzt.

Regisseur Charles Vidor, der mit Rita Hayworth noch drei weitere Filme drehte, hat hier ein Meisterwerk geschaffen, "Gilda" war und blieb sein bester Film. Ob dieser aber Rita Hayworth Glück gebracht hat, ist zu bezweifeln. Sie sagte einmal: "Jeder Mann, den ich kannte, verliebte sich in Gilda, aber wachte mit mir auf."  

Manfred Lauffs / Wertung: * * * * * (5 von 5)

Foto: Rita Hayworth; Quelle des Fotos: Pixabay


Filmdaten

Gilda
(Gilda)

USA 1946
Rita Hayworth Regie: Charles Vidor;
Darsteller: Rita Hayworth (Gilda), Glenn Ford (Johnny Farrell/Erzähler), George Macready (Ballin Mundson), Joseph Calleia (Detective Obregon), Steven Geray (Onkel Pio), Joe Sawyer (Casey), Gerald Mohr (Captain Delgado), Mark Roberts (Gabe Evans), Donald Douglas (Thomas Langford), Ludwig Donath und Lionel Royce (zwei Deutsche), Saul Z. Martel (kleiner Mann), George J. Lewis (Huerta), Rosa Rey (Maria) u.a.;
Drehbuch: Jo Eisinger, Marion Parsonnet, Ben Hecht nach der Story von E.A. Ellington; Produzentin: Virginia Van Upp; Kamera: Rudolph Maté; Musik: Hugo Friedhofer; Schnitt: Charles Nelson;

Länge: 110 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; westdeutscher Kinostart: 29. Dezember 1949



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