07.06.2013
Komödiantischer Kreisflug

Fliegende Liebende


Fliegende Liebende Pedro Almodóvar wird in eine bedrohliche Persönlichkeitskrise stürzen. Zugegeben nur in dem wenig wahrscheinlichen Fall, dass er diesen Text liest. Dann aber ganz bestimmt, aus folgendem Grund: "Er wiederholt sich nur noch selbst in einer ziemlich unwitzigen Weise. Alles an dem Film macht den Eindruck, dass Almodóvars beste Zeit wohl hinter ihm liegt. Die Mühe eines illegalen Downloads kann man sich also getrost sparen." Das Presseheft von "Fliegende Liebende" liefert die gelungene Beschreibung der Camp-Comedy und deren Regisseurs und Drehbuchautors, der sich mit dem Zitat die Kritik zu seiner flügellahmen Flugzeug-Farce quasi selbst schreibt.

Dass ihm aufgrund der Zuschauerresonanz ein psychischer Absturz bevorsteht, prophezeit er in einem dem Pressematerial beigefügten Interview, das die psychischen Auswirkungen von Grammatik erörtert: Welches Adjektiv auf den Film bezogen würde ihn in besagte "geradezu bedrohliche Persönlichkeitskrise" stürzen? Das schafft kein Adjektiv, sondern nur "eine begründete Aussage oder ein elaboriertes Argument". Ein Beispiel, wie das auszusehen hätte, gibt er gleich dazu. Ja, es ist die genannte Beschreibung, und nein, es war kein gemeiner Filmjournalist, der sie verlangt. Wenn einer gemein war, dann Pedro Almodóvar selber. Er begnügt sich nicht mit dem Antworten, sondern stellt obendrein die hochprovokanten Fragen zu seinem Werk. „Welche Personen des aktuellen öffentlichen Interesses werden nicht erwähnt?“ Antwort: „Angela Merkel, Mariano Rajoy, Maria Dolores de Cospedal, Jose Luis Rodriguez Zapatero und einige mehr.“

Fliegende Liebende Bestimmt sind Spaniens ehemaliger Ministerpräsident, sein rechtskonservativer Amtsnachfolger und dessen Parteigenossin zutiefst empört, dass dieser Filmemacher, den sie von früher vage als gewagt und herausfordernd erinnern, sie mit keiner Silbe würdigt, und fragen sich, ob sie nicht reaktionär genug waren. Angela Merkel fragt sich wahrscheinlich, warum ihr Name als erstes genannt wird und ob eine südländische Variation wie "Angelá de Marquez" nicht viel aufregender klänge. Manches klingt in einer anderen Sprache einfach besser, wahrscheinlich etwa die spanischen Dialoge, die womöglich unverkrampftere Wortspiele bieten als "Ich müsste mal telefonieren." - "Onanieren?". Die Originalfassung nennt sich zudem "Los amantes pasajeros", was "Die liebenden Passagiere" bedeutet. Hierzulande steht auf den bonbonbunten Filmpostern etwas, das nach einer Reportage über Amoretten, Turteltauben oder den Mile High Club klingt, und die englischen schreien gar "I'm so exited!" Letztes ist Ironie; wenn nicht des Filmverleihs, dann in jedem Fall des Schicksals.

Fliegende Liebende: Penélope Cruz, Antonio Banderas Die gestelzte Selbsthommage, die einen Kontrastpunkt zur ästhetischen Pathologie von "Die Haut, in der ich wohne" setzt, ist weder für Barockbildhauer, noch Ornithologen interessant. Nicht einmal für Clubanwärter, obwohl fast alle Protagonisten dazu gehören. Die Piloten Alex (Antonio de la Torre) und Benito (Hugo Silva) diskutieren mit der jungfräulichen Hellseherin Bruna (Lola Duenas) ihre sexuellen Präferenzen, Domina Norma (Cecilia Roth), Schauspieler Ricardo (Guillermo Toledo) und der Rest lösen ihre Privataffären und Antonio Banderas und Penélope Cruz absolvieren als Bodenpersonal pflichtschuldige Cameos. Die kuriosen Figuren und unechten Sets erinnern an einen schlechten Porno, dessen Produzent wie die Flugzeugcrew auf einem Alkohol- oder Drogen- oder schlicht Egotrip war und beschloss, lieber eine Musical-Komödie zu drehen. Höhepunkt der Unkomik ist darum das tuntige Trio der Stewards Ulloa (Raul Arevalo), Fajas (Carlos Areces) und Joserra (Javier Cámara) mit ihrer Interpretation von "I'm so exited" der Pointer Sisters.

"Vielleicht war es der falsche Song?", rätselt Fajas, als sich die Stimmung zwischen Cockpit und erster Klasse danach nicht hebt. Wenn es nur das wäre. Aber nein, der gesamte Film trifft nicht den Ton. Nach den ersten der 89 Filmminuten besagt ein Zwischentitel "Anderthalb Stunden später". Genau dorthin sehnt man sich als Zuschauer.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Tobis Film

 
Filmdaten 
 
Fliegende Liebende (Los amantes pasajeros) 
 
Spanien 2013
Regie & Drehbuch: Pedro Almodóvar;
Darsteller: Antonio de la Torre (Alex Acero), Hugo Silva (Benito Morón), Miguel Ángel Silvestre (Bräutigam), Laya Martí (Braut), Javier Cámara (Joserra), Carlos Areces (Fajas), Raúl Arévalo (Ulloa), José María Yazpik (Señor Infante), Guillermo "Willy" Toledo (Ricardo Galán), José Luis Torrijo (Señor Más), Lola Dueñas (Bruna), Cecilia Roth (Norma), Antonio Banderas (León), Penélope Cruz (Jessica), Paz Vega (Alba), Carmen Machi (Concierge) u.a.;
Produktion: Agustín Almodóvar, Esther García; Kamera: José Luis Alcaine; Musik: Alberto Iglesias; Schnitt: José Salcedo;

Länge: 90,42 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih der Tobis Film GmbH & Co. KG; deutscher Kinostart: 4. Juli 2013



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<07.06.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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