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18.08.2011
Fliegende Fische müssen ins Meer
Eine dysfunktionale Familie in den Mittelpunkt einer Komödie zu stellen, ist gewagt. Vor allem dann, wenn der Film niemandem wehtun soll, seinen Figuren nicht und auch dem Zuschauer nicht. Auf den ersten Blick werden die Probleme der Protagonisten allzu glatt gelöst, obwohl deren Lebenssituation dies eigentlich nicht zulässt. Aber das Konzept der Regisseurin Güzin Kar, die das Drehbuch selbst geschrieben hat, geht auf: In ihrem abwechslungsreichen, mit verrückten und lustigen Einfällen angereicherten Film finden sich ihre beiden Heldinnen, Mutter und Tochter, jeweils auf einem Selbsterfahrungstrip wieder, von dem auch der Zuschauer etwas lernen kann. Einzig die unglückliche Liebesgeschichte der 15-Jährigen, die sich in einen Erwachsenen verliebt, stört, der Film würde auch ohne die Episode funktionieren.Das rote Kleid sticht dem Zuschauer den ganzen Film über ins Auge. Die Frau, die das Kleid trägt, grenzt sich mit ihm absichtlich oder unabsichtlich von ihrer spießigen Umwelt ab, der süddeutschen Provinz am Hochrhein. Die Frau ist Roberta (Meret Becker), die ein alles andere als katholisch-demütiges Leben führt – wenngleich sie die Muttergottes verehrt – und gern mit Männern anbandelt. Sie ist Alleinerziehende dreier Kinder, offiziell, denn eher ist es andersherum, die Töchter, alle von unterschiedlichen Männern, erziehen vielmehr die unbeholfene, stets peinliche Mutter. Die älteste Tochter Nana (Elisa Schlott) würde Roberta gerne mit einem Mann verkuppeln, der nicht sofort wieder abhaut, zum Beispiel mit dem neu hinzugezogenen jungen Arzt Eduardo (Barnaby Metschurat). Aber Nana ist fast 16, pubertiert gerade und ihr Interesse für den Mann bleibt nicht ohne Folgen.
Ihr Spielfilmdebüt "soll eine Mischung sein zwischen Bonbontüte und Pillenschachtel", so sagt es Güzin Kar. Es stimmt: Kar inszenierte ein buntes Knallbonbon von einem Film, der sich stets neu erfindet und deswegen sehr sehenswert ist. Obwohl der Film einen konventionellen Inhalt hat, wurde er von der in der Türkei geborenen Schweizer Regisseurin Güzin Kar originell umgesetzt als eine gelungene Balance zwischen Realität und Traum. Der Film lebt durchweg von frechen Dialogen und einer einfallsreichen Bildsprache. Meret Becker ist in Bestform und die Darstellerin ihrer Filmtochter, Elisa Schlott, beweist, dass in ihr großes Schauspieltalent steckt. Michael Dlugosch /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Movienet Film Filmdaten Fliegende Fische müssen ins Meer Schweiz / Deutschland 2011 Regie & Drehbuch: Güzin Kar; Darsteller: Meret Becker (Roberta Meiringer), Elisa Schlott (Nana Meiringer), Barnaby Metschurat (Eduardo), Hans-Peter Müller-Drossaart (Karl Hauser), Mona Petri (Doris Gilbert), Andreas Matti (Herr Gilbert), Annette Corti (Nora Peters), Alia Duncan (Tatjana Meiringer), Isabella Schmid (Elvira), Joseph Sunkler (Toto Meiringer) u.a.; Produktion: Vega Film AG, Zürich und Neue Bioskop Film Produktions & Vertriebs GmbH, München; Produzenten: Ruth Waldburger, Dietmar Güntsche; Kamera: Benjamin Dernbecher; Musik: Fabian Römer; Schnitt: Benjamin Fueter; Länge: 84,10 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Movienet Film; deutscher Kinostart: 25. August 2011 Auszeichnungen:
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