13.08.2018
Finsteres Glück
![]() Sonnenfinsternisse bringen Unheil, sprachen die Leute im Mittelalter, und in Roman und Film ist es wirklich so: Ein Junge überlebt als Einziger seiner Familie einen Autounfall. Yves, acht (Noé Ricklin), war auf dem Rückweg aus dem Elsass in die Schweiz, als die Eltern und Geschwister sterben. Im Krankenhaus kümmert sich die Psychologin Eliane Hess (Eleni Haupt, die Frau des Regisseurs) um ihn. Wegen Yves trennt sie bald Arbeit und Privates nicht mehr. Als Charakterstudie funktioniert der Film, als Film mit mystischen Einsprengseln nicht. Wer erinnert sich nicht an die Sonnenfinsternis 1999? Sie war in Süddeutschland zu sehen. Oder im Elsass, in dem "Finsteres Glück" teilweise spielt. Viele Menschen machten sich damals auf, in die Gebiete zu fahren, in denen man dem Spektakel beiwohnen konnte. Eine Familie starb an dem Tag auf dem Rückweg aus dem Elsass in die Schweiz, nur ein Junge überlebte, las Autor Lukas Hartmann in der Zeitung und nahm dies zum Anlass, einen Roman über eine fiktive Familie, der ein tödlicher Unfall zustößt, zu schreiben, über das Kind und die überfürsorgliche Betreuung durch eine Psychologin. Laut Pressematerial kam für Hartmann nur Stefan Haupt als Verantwortlicher für eine Verfilmung in Frage: Dessen "Blick auf die Licht- und Schattenseiten des Lebens und 'Gspüri' für Kinderaugen zeichnen den Regisseur aus." Weniger der Kontrast der "Licht- und Schattenseiten des Lebens" spielt für den Filmemacher bei "Finsteres Glück" eine Rolle, sei anzumerken. Vielmehr setzt Haupt auf einen anderen Kontrast, den von Reellem zu Spirituellem, was der Regisseur wie Yin und Yang als so gegensätzlich wie zusammengehörend in seinem Film behandelt. Das Reale ist die Krankenhaus- und Familienwelt, das Über-Reale die Sonnenfinsternis, der Nebel, in dem Yves häufiger herumlaufen wird (oder auch nicht?), sowie das Mystische des Isenheimer Altars, der in Colmar im Elsass zu sehen ist, wohl von Matthias Grünewald stammt und vom Maler sicherlich das fahle Licht einer Sonnenfinsternis wiedergibt. Aber Stefan Haupts Yin und Yang, Reales und Über-Reales, passen im Film nicht zusammen, der Film scheitert bei dieser Verquickung auf hohem Niveau, aber er scheitert.
Yves ist nicht schwerverletzt. Oma und Tante kommen. Letztere will das Sorgerecht. Eliane Hess nimmt Yves bei sich auf, in einem für eine Kinderpsychologin erstaunlich großen Haus, in dem noch ihre zwei pubertierenden Töchter leben. Eliane geht der Junge nahe. Sie verstößt gegen das ungeschriebene Gesetz, Arbeit und Privates zu trennen. Die Tante gewinnt, Yves muss gegen seinen Willen gehen. Er wird wiederkommen. Als Geist im Nebel. Dort sehen die Töchter ihn und später genauso Eliane. Einbildung? Er wird auch real wiederkommen. Die Tante verliert, sie verliert die Kontrolle über Yves, sie gibt auf. Die Familie Hess mit dem Neumitglied Yves fährt ins Elsass. Zum Isenheimer Altar. Und zur Unfallstelle... "Finsteres Glück" ist, wenn man ihn als eine Charakterstudie sowohl einer Frau, die zum Vormund wird, als auch ihres Schützlings betrachtet, gelungen. Durch das Mystische, das stets auf halber Strecke stehenbleibt, nie ausgearbeitet zur vollen Entfaltung kommt, verfehlt der Film jedoch seine hochgesteckten Ziele, er bleibt ein nicht sehr bedeutsamer Film, den der Zuschauer nicht lange in Erinnerung behält. Michael Dlugosch /
Wertung: * *
(2 von 5)
Quelle der Fotos: W-film / Aliocha Merker Filmdaten Finsteres Glück (Finsteres Glück) Schweiz 2016 Regie: Stefan Haupt; Darsteller: Eleni Haupt (Eliane Hess), Noé Ricklin (Yves Zanini), Elisa Plüss (Helen Hess), Chiara Carla Bär (Alice Hess), Martin Hug (Adrian), Alice Flotron (Tante Julia), Suly Röthlisberger (Großmutter Zanini), Rebecca Indermaur (Sandra), Peter Jecklin (Dr. Wieland) u.a.; Drehbuch: Stefan Haupt nach dem gleichnamigen Roman von Lukas Hartmann; Produktion: Triluna Film; Produzent: Rudolf Santschi; Kamera: Tobias Dengler; Musik: Tomas Korber, Fremdton Kollektiv; Schnitt: Christof Schertenleib; Länge: 118,45 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von W-film; deutscher Kinostart: 16. August 2018
Artikel empfehlen bei:
![]() ![]() ![]() ![]() |
|