10.01.2020

Empire Me
- Der Staat bin ich!

"If you don't like your world, build your own!" Frei nach diesem Motto handelt zum Beispiel das Fürstentum Sealand, eine autonome Piraterie-Gemeinschaft vor der Ostküste Englands. Von einer unterirdischen Stadt über eine Berlin-nahe Kommune, die sich "Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung" nennt und deren Mitglieder dem freien Sex und der allgemeinen Schamlosigkeit frönen, bis zu Punkmusikern, die sich in Flößen den Gezeiten ausliefern und im wahrsten Sinne des Wortes treiben lassen, sind viele unterschiedliche Schattierungen einer selbst gebastelten Gesellschaft möglich. "Empire Me" von Paul Poet stellt in knappen Episoden sechs teils kauzige und charmante, mitunter aber auch abstoßende Varianten dieser "Mikronationen" mit ihren Anliegen, Zielen und Ideen vor.

Acht Jahre lang hat der Filmemacher an seiner Doku gearbeitet. Mit einem subjektiven Blick zeichnet sich der Regisseur selbst als Suchenden, der vorurteilsfrei auf die jeweiligen Ministaaten blickt, und stellt die unterschiedlichen Lebensmodelle ohne jedwede Kritik vor. Weil einige der Protagonist*innen mit ihren teils sektenähnlich formulierten Überzeugungen zwangsläufig Widerspruch im mündigen Betrachter wecken, fällt der völlig unkritische Blick der Doku insgesamt unangenehm ins Gewicht. Zudem verschenkt Paul Poet die an sich spannende Grundidee, da er die jeweiligen Mikronationen lediglich an der Oberfläche porträtiert – bei 100 Minuten Laufzeit bleibt für jede Gemeinschaft nicht einmal eine Viertelstunde, wobei die prätentiösen Zwischentitel – graphische Spielereien mit pseudo-philosophischer Kommentierung – noch zusätzlich von der Erzählzeit abgehen.

Aber immerhin verschafft Paul Poet seinem Reisefilm, der mitunter einprägsame Bilder findet, einen kontroversen Gehalt. Und wenngleich "Empire Me" letztlich fast nichts Substanzielles über eine mögliche "Gesellschaft der Zukunft" aussagt, so kann der Film doch einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen überhaupt mal wieder den Plan fassen, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten – denn im Prinzip, da hat der Titel schon recht, ist wirklich jede*r Einzelne ein eigener Mikrostaat, mit eigenen Augen und einer eigenen Stimme, frei nach Pippi Langstrumpf.



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * (2 von 5)



Filmdaten

Empire Me - Der Staat bin ich!


Österreich/Luxemburg/Deutschland 2011
Regie & Drehbuch: Paul Poet;
Produzent: Martin Pieper; Kamera: Enzo Brandner, Gerald Kerkletz, Jerzy Palacz; Musik: Alexander Hacke; Schnitt: Karina Ressler;

Länge: 99,08 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 19. Januar 2012



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