08.07.2019
Das wichtige Thema Psychose ist im Film verschenkt

Electric Girl


Electric Girl: Victoria Schulz Ein Film wie ein Comic. Es ist verständlich, dass Regisseurin Ziska Riemann, die mit "Lollipop Monster" (2011) schon einen abendfüllenden Spielfilm gedreht hat, für "Electric Girl" den Anime-Weg beschreitet. Denn sie ist selber Comic-Zeichnerin. Das Drehbuch schrieben vier Frauen, neben Riemann auch Luci van Org, die man als Leadsängerin der Band Lucilectric kennt, bekanntester Hit ist "Mädchen" (Textzeile: "Weil ich ein Mädchen bin!"). Um ein Mädchen, eine junge Heranwachsende geht es auch im Film. Das "Electric Girl" wird einem Wahn verfallen, ist aber zunächst ohne Erkrankung: Mia (Victoria Schulz) hat eine Rolle als Synchronsprecherin in einer Anime-Serie ergattert. Sie spricht die Superheldin Kimiko. Ein elektrischer Schlag in einer Bar, in der Mia arbeitet, geht scheinbar nicht spurlos an ihr vorbei. Bald glaubt sie, sie sei selbst mit Superkräften ausgestattet und Hamburg bedroht.
Ein Film, dem leider für seine Superhelden-Thematik die Magie fehlt, gleichzeitig die Krankheit unpassend bebildert.

Electric Girl: Hans-Jochen Wagner, Victoria Schulz "Electric Girl" handelt von einer Psychose. Ein wichtiges Problem schneidet der Film damit an. Aber: Er schneidet es eben nur an. Mia, an der Grenze zum Erwachsensein, glaubt daran, Elektrizität sehen zu können, Superhelden-Kräfte zu haben, Menschenleben retten zu können; kurz: Sie glaubt, wie die von ihr synchronisierte Kimiko zu sein, Grenzen verwischen, Mias Dasein gerät außer Kontrolle. Sie weiß es nur nicht. Das Leben eines Menschen wird sie tatsächlich retten, in einem Hamburger U-Bahnhof stürzt ein Mann fast auf die Gleise. Dies bestärkt sie nur in ihrem Wahn, stark zu sein. Ziska Riemann hat in ihrem Film etwas vor, was schiefgeht: Das Publikum soll an Mias Superkräfte glauben – und auch wieder nicht. Einmal springt Mia auf der Flucht vor Polizisten einen unmenschlich übergroßen Satz auf ein Dach. Das war es, mehr demonstriert die Regisseurin nicht in Sachen Kräften. Das Wagnis war Riemann zu groß, vom Thema psychischer Erkrankung fortzugeraten, somit bleibt der Film risikolos im Ungefähren stecken. Mia selbst wird samt ihrer Erkrankung nicht sinnvoll vorgestellt, die Zuschauer*innen lernen zwar auch Mias Familie kennen, aber die Szenen im Elternhaus sind zum Fremdschämen, weil die junge Frau sich dort wie die Axt im Walde benimmt. Dorthin mitgenommen hat sie einen Nachbarn, Kristof (Hans-Jochen Wagner), den sie zu ihrem Superhelden-Kompagnon auserwählt hat – ein Mann, der sich gehen lässt und im offenen Hemd herum latscht.

Zu viel verschenkt der Film. Er hätte mehr darauf abzielen sollen, den Zuschauer im Unklaren darüber zu belassen, ob nicht an Mias Kräften doch etwas dran sein könnte, und wiederholt sich ständig, statt sich stetig neu zu erfinden. Riemanns "Electric Girl" fehlen wie Mia die Superkräfte.  

Michael Dlugosch / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Hannes Hubach, NiKo Film

 
Filmdaten 
 
Electric Girl  
 
Deutschland 2019
Regie: Ziska Riemann;
Darsteller: Victoria Schulz (Mia), Hans-Jochen Wagner (Kristof), Björn von der Wellen (Jakob), Svenja Jung (Lissy), Irene Kugler (Mias Mutter), Anna Amalie Blomeyer (Esther), Oona von Maydell (Paula), India Antony (Joanne), Simone Jaeger (Nathalie), Bastian Sierich (Fritz) u.a.;
Drehbuch: Angela Christlieb, Dagmar Gabler, Ziska Riemann, Luci Van Org; Produzentin: Nicole Gerhards; Kamera: Hannes Hubach; Musik: Ingo Frenzel; Schnitt: Fridolin Körner;

Länge: 89,17 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Farbfilm Verleih GmbH; deutscher Kinostart: 11. Juli 2019



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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