15.01.2001

Keine Filmkritik

Drei Engel für Charlie

Der unbekannte Millionär Charlie beschäftigt eine Privat-Verbrechensbekämpfungs-Einheit, bestehend aus drei jungen Frauen. Als ein Oberbösewicht die Welt bedroht, greifen die drei ein...

Charlie und die drei Engel Zu Beginn muss gesagt werden, dass dies keine Filmkritik ist. Denn "Drei Engel für Charlie" ist kein Film. Die üblichen Verdächtigen der Kritikerjournaille haben den unglaublichen Unterhaltungswert dieses Produkts gepriesen und es somit wahrscheinlich zum Kassenknüller hochgeschrieben. Muss man paranoid sein, um hier eine Verschwörung zu vermuten? "Drei Engel für Charlie" - eine auf Film gebannte kulturelle Bankrotterklärung - ist ungefähr so unterhaltsam wie die Lektüre des Emdener Telefonbuchs. Dieses Produkt (der Film!) hat keine Geschichte zu erzählen. Es ist nicht witzig. Es hat keinen Stil, keine Linie, es bietet überhaupt nicht eine neue, sprich eigene Idee. Wirklich alles ist Versatzstück, geklaut aus allen möglichen Filmen oder offen zitiert, aber immer nur um des Zitats willen. Nun trifft dies sicherlich auf viele Filme zu, die trotzdem ihren Reiz haben. Aber "Drei Engel für Charlie" funktioniert noch nicht mal als Trash. Dazu fehlt diesem Machwerk der Charme des Billigen, denn hier muss immer alles groß und teuer sein. In diesem selbstzweckhaften Getöse überhört man schon mal die innere Stimme, die einen leise fragt, wo denn hier der Sinn liege. Eine solche Frage ist aber völlig fehl am Platze, denn "Drei Engel für Charlie" ist nicht das Ergebnis eines künstlerischen, oder auch nur kreativen Prozesses, sondern vielmehr der Auswurf einer "zielgruppenorientierten" Marktanalyse.

Drei Engel für Charlie: Ein Engel in Leder

Obwohl die Spice Girls ihren Zenit (wenn man das so nennen mag...) schon überschritten haben, ist "Girl Power" immer noch in. Die 70er und 80er erleben ein Revival, Serienverfilmungen versprechen sichere Profite - bei dieser Konstellation fallen einem natürlich die "Drei Engel für Charlie" ein. Eine sogenannte "Kultserie", aber irgendwie ist ja eh alles Kult. Das Konzept dieser Kultserie, sozusagen das Kultkonzept, wird von seinem 70er-Jahre-Fernsehmief befreit und ins Jahr 2000 versetzt (absolut kultverdächtig!!!). Die Inszenierung besorgt natürlich ein renommierter Videoclip-Regisseur, dessen "Künstler"-Name McG wahlweise an das legendäre Schutzpseudonym von Hollywoodregisseuren "Alan Smithee" oder einen neuen McDonald's-Burger gemahnt. Alles muss immer schnell sein, immer irgendwie "abgefahren" und "schräg", es muss sich viel bewegen und darf nicht viel geredet werden. Wie in einem Videoclip eben. Der dauert aber nur vier bis fünf Minuten. "Drei Engel für Charlie" hüpft 95 Minuten lang in völlig anti-erzählerischer Episodenhaftigkeit herum: Einmal explodiert etwas, dann fährt Drew Barrymore ein Rennauto mit Stars-and-Stripes-Lackierung, dann gibt es eine Schlägerei.

Drei Engel für Charlie: Ein Engel in Satin

Eine Hollywoodschlägerei sieht nach "Matrix" natürlich anders aus als vor "Matrix", nämlich mehr so wie bei "Matrix". Hollywood hat Kung Fu wiederentdeckt und mit Lucy Liu darf ja auch eine Chinesin mitprügeln. In Szenen, in denen nichts explodiert und nicht gekämpft wird, wird meist der Soundtrack zum Film beworben. Destiny's Child trällern im heimlichen Titelsong "Independent Women, Part 1": "All the honeys makin' money, throw your hands up..." - Selten wurde völlige Sinnleere enthusiastischer besungen. Wie McG sich solche "Independent Women" vorstellt, zeigt er uns in seinem Videoclip-Burger. Dass der nicht den Feminismus neu begründen würde, war klar. Aber McG's Produkt ist eigentlich nur dazu da, um penetrant mit der Kamera auf Cameron Diaz' Hintern und Drew Barrymores Brüste (und umgekehrt) zu halten. Diese Szenen, alle in steriler H&M-Erotik, haben keine andere Funktion, als das männliche Publikum zwischen zwei Explosionen bei Laune zu halten und dem weiblichen Publikum die neueste Bademode zu verkaufen. Alles ist natürlich völlig jugendfrei und somit in aller vorgegaukelten Zeigefreudigkeit doch wieder nur verklemmt.

Doch wozu die Aufregung? Warum ein Produkt dermaßen ernst nehmen, das sich nicht einmal selbst ernst nimmt? Von dem man noch dazu nicht wirklich etwas Positives erwartet hat. Man wusste auch sicherlich vorher, dass die Filmindustrie ihr Publikum für dumm hält, die Offenherzigkeit, mit der sie dies in "Drei Engel für Charlie" jedoch zur Schau trägt, muss einen erschrecken.
Wahrscheinlich müsste in einer Filmrezension auch noch etwas über die Schauspielerleistungen gesagt werden, die Handlung, das Drehbuch, die Effekte, oder über besonders gute oder schlechte Szenen, aber dies ist, wie gesagt, keine Filmrezension und "Drei Engel für Charlie" ist kein Film. Den Rest müssen die Soziologen erörtern... Die Bewertung ist folgerichtig.  

Oliver Nöding / Wertung: 0 von 5 Punkten

Quelle der Fotos: Sony Pictures Entertainment


Filmdaten

Drei Engel für Charlie
(Charlie's Angels)

USA 2000
Regie: Joseph McGinty Nichol, Drehbuch: Ryan Rowe, Ed Solomon, John August; Kamera: Russell Carpenter; Musik: Edward Shearmur; Darsteller: Drew Barrymore (Dylan), Cameron Diaz (Natalie), Lucy Liu (Alex), Bill Murray (Bosley), Crispin Glover, Tim Curry, Luke Wilson u.a.

92 Minuten, FSK: ab 12 Jahren



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