03.02.2013
Sexsklave

Don Jon


Don Jon: Scarlett Johansson, Joseph Gordon-Levitt Wenn gute Filme eine profunde Wahrheit vermitteln, dann meist nicht in markigen Leitsätzen, sondern ganz nebenbei. "Don Jon's Addiction" vermittelt eine profunde Wahrheit: "Jeder guckt Pornos." Das ist ein markiger Leitsatz, aber trotzdem ist Joseph Gordon-Levitts bissiges Debüt als Spielfilmregisseur ein guter Film. Denn Schuld an der gewollten Markigkeit ist nicht die Unartikuliertheit des selbstverfassten Skripts, sondern seines selbstgespielten Hauptcharakters.

Jon ist Anfang dreißig, zuverlässig bei seiner italo-amerikanischen Familie beim Essen und tätig "in der dienstleistenden Profession". In dem Ton, in dem der bullige Barkeeper letztes ausspricht, klingt sein Beruf halb nach Elitekämpfer, halb nach Liebesdiener und kombiniert sind die gegensätzlichen Assoziationen in ihrer Mischung aus reguliertem Machismo und Virilität eine treffende Skizze seines Typs. Exakt das ist zu Beginn der hintersinnigen Coming-of-Age-Story der großspurige Protagonist: ein Typ. Einer, der sein Auto so penibel putzt wie sein Apartment und turnusmäßig im Fitnesscenter, mit Kumpels auf dem Sofa und ganz vorne in der Kirche sitzt. In seiner Freizeit jagt er im gleichen Clubrevier mit der gleichen Strategie nach dem gleichen Beuteschema. Dessen in jedem Sinne buchstäblich fleischliche Verkörperung ist Barbara (Scarlett Johansson), für die "Don" Jon seinem Spitznamen Ehre macht - obwohl Sex mit Frauen ihn nie sonderlich antörnte. Was ihn wirklich anmacht ist das, was er anmacht sobald sich die dazu Zeit bietet: Pornos. Porno läuft auf Jons Laptop, dem Smartphone und in seinem Kopf.

Die Bilder, die sich dort in einer Endlosschleife wiederholen, projektiert Gordon-Levitt im Stakkato auf die Leinwand. Mit den Worten des Titelsongs: "Ass and Titties". So geil und gut gebaut wie in Jons Sexfilmen ist keine echte Frau. Und selbst wenn sie es ist wie Barbara, stimmt die Perspektive nicht. Es gibt beim "Liebe machen" keine optimale Sicht, kein Abrackern aller Positionen, kein Cum-Shot, vor allem aber kein Abschalten. Das kann Jon erst, wenn er nach dem Sex heimlich anschaltet; den Laptop mit der gespeicherten Porno-Site. "Du bist jämmerlich", kontert Barbara Jons Anmache und definiert damit neben seiner mentalen Beschränktheit unbewusst ihre eigene. Sexy, schnippisch und scheinheilig verkörpert sie Jons weibliches Pendant und auf der Punkteskala, nach der er Frauen wertet, eine Zehn. Die Spitzennummer, glaubt Jon, optisch und im Bett. Um sie dorthin zu kriegen trabt Jon in die Abendschule, den Einrichtungsmarkt und Kinoschnulzen, die Barbaras Liebesideal propagieren.

"Alle wissen, dass es Fake ist, aber sie stehen drauf als sei es das wahre Leben", registriert Jon. Was er nicht registriert ist, dass er genauso verblendet ist von den Pornos, vor denen Barbara ihn erwischt. "Verlierer gucken Pornos", behauptet Jon und übersieht, dass er sich indirekt mit einschließt. "Ich verliere mich verdammt nochmal einfach", beschreibt er sein Verhältnis zu den Videos, von denen er längst abhängig ist. Er sei wie ein Junkie, erkennt seine Schulkameradin Esther (Julianne Moore): "Du kannst nicht aufhören." Der Titel der Sex-Sitcom, die das Thema von Steve McQueens "Shame" parodistisch variiert, gibt ihr Recht, lange bevor Jon es vermag. "Wenn du dich verlierst musst du dich in einer anderen Person verlieren", erklärt Jons neue Vertraute, die sich mit ihrer persönlichen Form psychischer Deprivation trägt: "Und sie muss sich in dir verlieren."

Diese Reanimation einer zuvor als verlogen entlarvten Liebesillusion unterwandert die satirische Schärfe, die dem gerissenen Debüt seinen Reiz verleiht. So liegt unfreiwillige Ironie in dem, was Barbara Gordon-Levitts Titelfigur vorwirft: "Ich dachte, du wärst anders. Aber das bist du nicht."  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle des Fotos: Berlinale

 
Filmdaten 
 
Don Jon (Don Jon's Addiction / Don Jon) 
 
USA 2013
Regie & Drehbuch: Joseph Gordon-Levitt;
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt (Jon), Scarlett Johansson (Barbara), Julianne Moore (Esther), Tony Danza (Jon Sr.), Glenne Headly (Angela), Brie Larson (Monica), Rob Brown (Bobby), Anne Hathaway, Channing Tatum, Meagan Good, Cuba Gooding Jr. u.a.;
Produzent: Ram Bergman; Ausführender Produzent: Nicolas Chartier; Kamera: Thomas Kloss; Musik: Nathan Johnson; Schnitt: Lauren Zuckerman;

Länge: 93,45 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; deutscher Kinostart: 14. November 2013
ein Film auf der Berlinale 2013 in der Sektion Panorama



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der Film im Berlinale-Katalog
<03.02.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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