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02.08.2011
Die Vaterlosen
"Die wilde Seele kommt langsam zur Ruhe und kehrt ein in den sicheren Hafen." Die Stimme vom Band, das Niki auf der Autofahrt hört, vermittelt ein banales Bild von Familie. Das gleiche attestiert Nikis Schwester Kyra ihrem Freund Miguel. Wie naiv das Bild von einer Normalfamilie tatsächlich ist und was es bedeuten kann, nicht in eine solche geboren zu sein, ergründet Marie Kreutzer in ihrem nachdenklichen Bindungsdrama. Was zuerst wie ein Familientreffen aussieht ist keines, kann keines sein, weil eine Familie im konventionellen Sinne nicht existiert. "Die Vaterlosen" sind die vier Kinder einer alternativen Wohngemeinde schon vor dem Tod von Hans, der sie an den Ort ihrer Kindheit und zu alten Erinnerungen zurückführt.Kyra (Andrea Wenzl) kommt zu spät. Hans ist tot und sein emotionales Erbe müssen seine Kinder unter sich aufteilen. Alle kommen zu spät, außer Niki (Philipp Hochmair) und Anna (Marion Mitterhammer), Mutter der unter einer neurophysischen Störung leidenden Jüngsten Mitzi und jene, die bis zuletzt und als letzte aus der einstigen Hippie-Kommune mit Hans (Johannes Krisch) in dessen Haus wohnen blieb. Das malerische Anwesen ist nicht das Idyll, das es von weitem scheint, für Miguel und Sophie (Pia Hierzegger), der Geliebten von Vito (Andreas Kiendl), der nach dem Verlust des von ihm idealisierten Vaters die Kommune am alten Ort wiederbeleben will.
Nach dem Zerfall der Kommune sind die "Die Vaterlosen" fort, abgewandert wie die Frösche um das Haus. "Das kommt vor" sagt Anna. Familie sei überbewertet, sagt Kyra einmal. Von den Protagonisten in Kreutzers halb nüchternem, halb verträumtem Debüt wird sie unterbewertet und unterschätzt. Familiäre Strukturen und Besitzansprüche wuchern auch dort, wo man "ein Kollektiv" sein will, und ihr Zerfall wird für die Geschwister umso schmerzlicher, je mehr ihn ihr Vater banalisiert. "Jetzt sag doch mal was, Hans!" Aber Hans sagt nichts. Er bleibt ein Rätsel, zärtlicher Despot und gleichgültiger Übervater der Kommune, deren Zerbrechen im Streit jedem der Kinder auf eigene Weise Splitter ins Herz treibt. Es kann keinen Halt geben, wo diese Liebe selbst nicht gewiss ist.
Lida Bach /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Novotny Film / Thimfilm Filmdaten Die Vaterlosen Österreich 2011 Regie & Drehbuch: Marie Kreutzer; Darsteller: Andreas Kiendl (Vito), Andrea Wenzl (Kyra), Emily Cox (Mizzi), Philipp Hochmair (Niki), Marion Mitterhammer (Anna), Sami Loris (Miguel), Pia Hierzegger (Sophie), Johannes Krisch (Hans), Axel Sichrovsky (Ossi), Alexander Wychodil (Vito, 11 Jahre), Nikolaus Wabitsch (Niki, 11 Jahre), Una Kitty Sue Khittl (Kyra), Seraphine Rastl (Kyras Mutter), Susanne Weber (Vitos Mutter), Hille Beseler (Nikis Mutter), Doris Schretzmayer (Kommunardin) u.a.; Produktion: Novotny & Novotny Filmproduktion; Produzenten: Robert Buchschwenter, Alexander Glehr, Franz Novotny, Ursula Wolschlager; Co-Produzentin: Gabriele Kranzelbinder; Kamera: Leena Koppe; Musik: David Hebenstreit; Schnitt: Ulrike Kofler; Länge: 107,02 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Thimfilm; deutscher Kinostart: 4. August 2011
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