03.08.2017
Filmklassiker über die Themen Sex und Bigotterie

Die Reifeprüfung


Die Reifeprüfung: Anne Bancroft, Dustin Hoffman "Die Reifeprüfung" ist der Filmklassiker zum Thema erotische Verführung schlechthin, der Film, der cineastisch die sexuelle Revolution begleitete. 1967 gedreht, hat er bis heute nichts von seiner Extrovertiertheit, seinem Glanz, seinem Aberwitz verloren. Für die damalige Zeit war er gewagt. Denn er handelt von einer Affäre und bigottem Verhalten. Durch "Die Reifeprüfung" wurde Dustin Hoffman zum Star, Mike Nichols zum Regie-Ass und Simon & Garfunkel zu musikalischen Genies. Und "Mrs. Robinson" ist als deren Song genauso Legende wie als Inbegriff für einen Seitensprung mit älterer Dame. Diese Beziehung endet, als die Tochter der Mrs. Robinson ins Spiel kommt, in die sich die männliche Hauptfigur verliebt, anders verliebt als in die Mutter. Das Verhältnis mit dieser wird der junge Mann mal verzweifelt mit "Händeschütteln" vergleichen.

Benjamin Braddock (Dustin Hoffman), kurz vor seinem 21. Geburtstag stehend, kommt gerade vom College. Seine Eltern geben ihm zu Ehren eine Party. Doch sie interessiert ihn nicht. Überhaupt interessiert ihn nichts. Gelangweilt ist er lieber alleine und weiß nichts mit sich anzufangen. Eine ältere Bekannte, Mrs. Robinson (Anne Bancroft), bringt ihn dazu, sie von der Party nach Hause zu fahren, bringt ihn dazu, in ihr Haus mitzukommen, bringt ihn in ihr Schlafzimmer. "Are you trying to seduce me?" – eingedeutscht "Ich glaube, Sie wollen mich verführen" – ist zum klassischen Zitat geworden. Ben flüchtet, zumal Mr. Robinson (Murray Hamilton) früher heimkehrt, als dessen Ehefrau es erwartet hatte. Aber der Twen Ben hat Feuer gefangen und ruft Mrs. Robinson an. Sie treffen sich. Haben Sex, immer wieder, heimlich, im Hotel. Trotz wiederkehrenden Bedenken seinerseits. Bis Mrs. Robinsons Tochter Elaine (Katharine Ross) ins Elternhaus zurückkehrt. Die Mutter bittet ihn, besser: befiehlt ihm, Elaine nicht auszuführen. Ben tut es doch. Und verliebt sich. Auf die Affäre folgt eine Liebesgeschichte, die im sensationellen, gern zitierten Finale gipfelt.

Die Reifeprüfung: Dustin Hoffman Mike Nichols, der ein Jahr zuvor mit Elizabeth Taylor und Richard Burton "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" gedreht und zuvor als Regisseur keinen Film inszeniert hatte – er war bis dahin nur Broadway-erfahren –, ging 1967 ein Wagnis ein. Von christlicher Sexualmoral ist im Film nichts zu sehen, obwohl es am Schluss eine kirchliche Hochzeit gibt, die Ben mit seiner Ankunft sprengt. Der Liebe wegen. Ben wird die Hochzeitsgäste mit einem metallenen Kreuz erst in Schach halten, dann in der Kirche einsperren. Unter den Gästen: Mrs. Robinson, die in der zweiten Hälfte des Films, in der sie nicht mehr Objekt der Begierde ist, zur Furie, zur Femme Fatale wurde. Die Nichols gleichzeitig als verletzlich und unter Eifersucht leidend zeichnet. Der Regisseur weiß, wie er seine Figuren darzustellen hat: Der 21-jährige Ben, vom bereits 30-jährigen Dustin Hoffman gespielt, ist ein unerfahrener, unsicherer Mann, der versehentlich erwachsen wurde und sich noch zweifellos als Junge fühlt, der dann durch Sex Selbstbewusstsein gewinnt. Mit dem neuen Vertrauen in sich ist er erst in der Lage, Elaine zu daten. Und die folgende Krise mit dem Ehepaar Robinson siegreich zu überstehen.

Die Reifeprüfung: Dustin Hoffman, Katharine Ross Nichols inszeniert auch die Ben umgebenden Menschen intelligent: Bens Eltern erkennen seine Bedürfnisse nicht, sondern zwingen ihn mal für einen Auftritt in einen Taucheranzug – in ein Korsett regelrecht. Es fehlt nur der Keuschheitsgürtel, aber die Eltern ahnen nichts vom Verhältnis des Sohnes, wie sollten sie auch. Sie leben im Traumhaus mit Swimmingpool, aber ohne Gefühl für die Umwelt. Immer wieder zeigt Nichols des Weiteren ältere Menschen, zu denen Ben einen Kontrast bildet. Er, der junge Mann, hat sein Leben noch vor sich, die anderen wirken verwelkt. Auch die Hochzeitsgäste am Ende des Films, deren Bigotterie stellvertretend für alle Mrs. Robinson zeigt, die christlich in der Kirche, unmoralisch in der Wirklichkeit ist und die Liebe Bens zu ihrer Tochter aus Eigennutz, um ihre Eifersucht zu befriedigen, bekämpft. Aber vergeblich. Ben gewinnt.

"Die Reifeprüfung" kam am 3. August 2017 erneut in die deutschen Kinos in digitaler Überarbeitung mit 4K-Qualität zum 50. Jubiläum des Films und fünf Tage vor Dustin Hoffmans 80. Geburtstag.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * * (5 von 5) 
 

Quelle der Fotos: (im Rahmen der Wiederaufführung 2017) Studiocanal GmbH

 
Filmdaten 
 
Die Reifeprüfung (The Graduate) 
 
USA 1967
Regie: Mike Nichols;
Darsteller: Anne Bancroft (Mrs. Robinson), Dustin Hoffman (Ben Braddock), Katharine Ross (Elaine Robinson), William Daniels (Mr. Braddock), Murray Hamilton (Mr. Robinson), Elizabeth Wilson (Mrs. Braddock), Brian Avery (Carl Smith), Buck Henry (Hotelangestellter) u.a.; in kleinen Rollen: Richard Dreyfuss, Elaine May, Mike Farrell u.a.;
Drehbuch: Calder Willingham, Buck Henry basierend auf dem Roman von Charles Webb; Produzent: Lawrence Turman; Kamera: Robert Surtees; Musik: Simon & Garfunkel; Schnitt: Sam O'Steen;

Länge: 105,47 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Studiocanal GmbH; deutscher Kinostart: 6. September 1968; Wiederaufführung 3. August 2017

Auszeichnungen:
Academy Awards (Oscars) 1968:
Beste Regie (Mike Nichols)
nominiert in sechs weiteren Kategorien

Golden Globes 1968
Beste Regie (Mike Nichols)
Beste Schauspielerin (Comedy/Musical) (Anne Bancroft)
Beste Newcomer (Dustin Hoffman, Katharine Ross)
sowie zwei weitere Nominierungen

Directors Guild of America 1968
Überragende Regieleistung

u.v.a. Auszeichnungen



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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