24.01.2011
Der Mann, der über Autos sprang
![]() Der Filmtitel, "Der Mann, der über Autos sprang", weckt eine unfreiwillige Assoziation. Und tatsächlich, im Saarbrücker Kino kurz vor der Erstaufführung am 18. Januar 2011 murmelte jemand im Publikum: Da war doch was? Da war wirklich was. Einen guten Monat zuvor, in der Dezember-Ausgabe von "Wetten dass...?", verunglückte ein Wettkandidat schwer beim Versuch, auf Stelzen über Autos zu springen. Die Filmfigur Julian (Robert Stadlober) dagegen hat bei seinem Sprung über ein Auto ohne Hilfsmittel ein besonderes Motiv: Für den jungen Mann ist der Sprung ein metaphysischer Akt. Er plant, dabei in der Luft stehenzubleiben. Am Ende des Films wird Julian, nach einem Scheitern Jahre zuvor, es ein zweites Mal versuchen. Zunächst aber hat Julian etwas anderes vor. Er entfernt sich unerlaubt aus einer Nervenheilanstalt, in der er vier Jahre verbringen musste. Jetzt will er eine Mission erfüllen: von Berlin nach Tuttlingen in Schwaben zu Fuß zu gehen. Durch das Gehen möchte er einen herzkranken Mann heilen. Julian steht bei dem Mann in einer Schuld. Kaum in der Freiheit, wird Julian von einem Auto angefahren. Fahrerin Ju (Jessica Schwarz) ahnt noch nicht, dass sie dem jungen Mann wiederbegegnen wird. Als dies geschieht, entschließt sie sich, Julian auf dem Weg nach Tuttlingen zu begleiten. Bald wird sich ihnen eine weitere Frau hinzugesellen, Ruth (Anna Schudt), die dafür eine Familie verlässt. Außerdem ist da noch der Polizist Jan (Martin Feifel), der Julian nach dessen Ausbruch aus der Klinik verfolgt. Auch Jan möchte aus dem Alltag ausbrechen. Er wird wie die anderen zum Langstrecken-Fußgänger – und beruhigt damit seinen ansonsten cholerischen Charakter.
Vorbehalte wecken auch die Namen von drei der Weggefährten, Julian, Ju und Jan. Banal wirkt Baker-Monteys' Gedanke, ihnen, die zusammen eine Wegstrecke zurücklegen werden, ähnlich klingende Namen zu geben. Der Zuschauer braucht diesen Fingerzeig nicht, um zu begreifen, dass die drei, zumindest für einen kurzen Zeitraum, eine Art Einheit bilden. Die Figur der Ju, von Jessica Schwarz gespielt, ist gut charakterisiert: als Nachwuchsärztin vor einem Karrieresprung, der ihr plötzlich Angst macht, weil Ju befürchtet, dass der Alltagstrott nie ein Ende nehmen wird. Sie steigt aus, obwohl sie als Ärztin nicht an das Übersinnliche glauben kann. Dennoch folgt sie Julian auf seinem merkwürdigen Weg. Diesen schlägt auch der Polizist Jan ein, der im Film als Temperamentsbündel leicht überzeichnet ist. Das trifft auch auf die Darstellung von Ruths Familienhölle zu.
Beim Thema des Films, dem Gehen als heilendes Mittel, beruft sich der Regisseur und Autor Nick Baker-Monteys auf den deutschen Filmregisseur Werner Herzog und auch den britischen Schriftsteller Bruce Chatwin. Herzog ging 1973 einen weiten Weg, von München nach Paris. Er glaubte fest daran, dadurch die damals 77-jährige Filmpublizistin Lotte Eisner, eine gute Freundin von ihm, von einer schweren Krankheit zu heilen. Eisner genas und lebte dann noch zehn Jahre. Vielleicht wird Nick Baker-Monteys in Zukunft nicht nur wegen des Themas seines Films, sondern auch als hoffnungsvolle Regie-Begabung mit Werner Herzog verglichen werden. Michael Dlugosch /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Max Ophüls Preis Filmdaten Der Mann, der über Autos sprang Deutschland 2010 Regie & Drehbuch: Nick Baker-Monteys; Darsteller: Robert Stadlober (Julian), Jessica Schwarz (Ju), Martin Feifel (Jan), Anna Schudt (Ruth), Mark Waschke (Sebastian), Robert Schupp (Matthias), Irene Rindje (Davids Mutter), Justus Carrière (Oberarzt), Simon Licht (Dr. Brakmann), Kida Khodr Ramadan (Imbissbudenbesitzer) u.a.; Ausführender Produzent: Sigi Kamml; Co-Produzenten: Fred Breinersdorfer, Luigi Falorni; Redaktion: Brigitte Dithard (SWR), Andreas Schreitmüller (ARTE); Kamera: Eeva Fleig; Musik: Fabian Römer; Länge: ca. 105 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Arsenal; deutscher Kinostart: 9. Juni 2011; Auszeichnungen:
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