14.02.2010
Polit-Komplott in Perfektion

Der Ghostwriter


Der Ghostwriter: Adam Lang (Pierce Brosnan) mit seinem Ghost (Ewan McGregor) Roman Polanski konnte nicht mit dabei sein, als "Der Ghostwriter" auf der Berlinale gefeiert wurde. Er steht unter Hausarrest und verbrachte die Weltpremiere seines neuen Films auf seinem Chalet in der Schweiz, weil ihm vorgeworfen wird, in den siebziger Jahren eine damals Dreizehnjährige unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben. Wer Fotos davon gesehen hat, wie sich der Starregisseur dieser Tage von den Paparazzi abschottet, kommt nicht umhin, einige Parallelen zwischen Leben und Fiktion wahrzunehmen. Denn auch Polanskis Protagonist Adam Lang (in Höchstform: Pierce Brosnan) muss sich im Film in acht nehmen vor einer ganzen Meute an Journalisten, Demonstranten und Fotografen – in einem präzise konstruierten politischen Krimi, der einen vom Anfang bis zum Ende in Atem hält.

Eigentlich ist es nur ein Job, ein äußerst gutbezahlter noch dazu, der in vier Wochen erledigt sein soll. Auf Drängen seines Agenten sagt ein erfolgreicher Ghostwriter (wunderbar lakonisch: Ewan McGregor) schließlich zu, die Memoiren des ehemaligen britischen Premierministers zu verfassen. Eine erste Fassung des Buches existiert sogar schon – nur leider ertrank der Verfasser unter mysteriösen Umständen. Die karge, graue Atlantikinsel "Martha's Vineyard", um die die Winde peitschen (gedreht wurde auf Sylt und Usedom), ist der Schauplatz, wo der neue "Ghost" das Manuskript nun umarbeiten soll. Kaum hat er damit begonnen, eskaliert die Situation um den Ex-Premier Lang – ein ehemaliger Mitarbeiter wirft ihm die Beteiligung an einem Kriegsverbrechen vor: Er soll mutmaßliche Terroristen an die CIA ausgeliefert haben; die Männer wurden angeblich mit Langs Wissen gefoltert.

Der Ghostwriter: Adam Lang (Pierce Brosnan) und seine Frau Ruth (Olivia Williams) in der Downing Street Von Langs Assistentin Amelia Bly (attraktiv und überlegen: Kim Cattrall) genötigt, formuliert der "Ghost" eine abwiegelnde Presseerklärung – und sitzt in der Falle. "Sie sind jetzt Komplize", lässt die berechnende Blondine den anfangs noch recht unbeholfenen Schreiber wissen. Er muss fortan im Domizil der Langs hausen und arbeiten, einem Klotz aus Glas und Sichtbeton, wo er unter permanenter Überwachung steht und noch die Wäsche seines Vorgängers im Schrank findet. Aber das ist nicht alles, was der im politischen Intrigenspiel Unerfahrene dort entdeckt. Ein merkwürdiger Fund weckt seine investigativen Instinkte. Doch leider ist er nicht abgebrüht genug, sein Wissen für sich zu behalten – leichte Beute für Langs Frau Ruth (vordergründig verletzlich, doch mit durchschimmernder Skrupellosigkeit: Olivia Williams).

Selbstverständlich kann es so, wie die Story angelegt ist, hier nicht allein um die Ränkespiele hochrangiger Politiker gehen. Nein, hinter diesem Drama, das auf der Weltbühne internationaler Politik spielt und das Opfer auf allen Ebenen fordert, kann nur eine überdimensionale Verschwörung stecken. Bei der Spurensuche des Ghostwriters im ganz großen Komplott wird die Rafinesse derjenigen dekonstruiert, die die Welt glauben lassen, alles ginge mit rechten Dingen zu. Aber wer sind die Schlüsselfiguren im Rätsel um CIA, folgenreiche Entscheidungen, Morde und Krieg?

Der Ghostwriter: Der ehemalige britische Premierminister Adam Lang (Pierce Brosnan) mit seiner Frau Ruth (Olivia Williams) und seiner Assistentin Amelia Bly (Kim Cattrall) Der Perfektionist Polanski hat auf Grundlage des Romans von Robert Harris einen Thriller entworfen, in dem von der Narration über die Spannungsführung bis zur glaubwürdigen Psychologisierung der Figuren alles stimmt. Noch in der Untersuchungshaft hat Polanski an der Endfassung seines Films gearbeitet; seine Mitarbeiter haben sichergestellt, dass genau die Version in die Kinos kommt, die der Regisseur haben wollte. Fans aktueller Bezüge werden die Anspielungen auf die Amtsführung und Anklage Tony Blairs goutieren. Allerdings ist Polanskis Premier nicht so sehr einer, der die Öffentlichkeit täuscht, sondern in erster Linie selbst der Betrogene, der wie eine Marionette an den Fäden höherer Mächte zappelt. Polanskis Adam Lang ist schlichtweg nicht clever, auch nicht politisch genug, um zu realisieren, was wirklich in seinem engsten Umfeld gespielt wird. Und was passiert mit denen, die es herausfinden?  

Jasmin Drescher / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Kinowelt

 
Filmdaten 
 
Der Ghostwriter (The Ghost Writer) 
 
Frankreich / Deutschland / GB 2010
Regie: Roman Polanski;
Darsteller: Ewan McGregor (der Ghostwriter), Pierce Brosnan (Adam Lang), Jon Bernthal (Rick Ricardelli), Kim Cattrall (Amelia Bly), Tim Preece (Roy), James Belushi (John Maddox), Olivia Williams (Ruth Lang), Timothy Hutton (Sidney Kroll), Anna Botting (SKY TV-Nachrichtensprecherin), Tom Wilkinson (Paul Emmett), Yvonne Tomlinson (Stewardess), Eli Wallach (alter Mann auf Martha's Vineyard), Mo Asumang u.a.; Drehbuch: Robert Harris, Roman Polanski nach Robert Harris' gleichnamigem Roman; Produktion: Robert Benmussa, Alain Sarde; Co-Produktion: Timothy Burrill, Christoph Fisser, Henning Molfenter, Charlie Woebcken; Kamera: Pawel Edelman; Musik: Alexandre Desplat;

Länge: 128 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Kinowelt; deutscher Kinostart: 18. Februar 2010

Auszeichnungen:
ein Film im Wettbewerb der Berlinale 2010, Gewinner des Silbernen Bären für die Beste Regie;
Europäischer Filmpreis 2010:
Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Bester Schauspieler (Ewan McGregor), Beste Musik, Beste Ausstattung (Albrecht Konrad)



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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