21.06.2000

Der Erste Ritter

Der Film erzählt die Geschichte von König Artus, der nach der Befriedung seines Reiches endlich heiraten will. Seine Erwählte ist Guinevere die Königin von Lioness. Während Camelot ruhig und gefestigt ist, wird ihr Reich von Malagants Truppen bedroht und regelmäßig überfallen. Sie beschließt, das Heiratsangebot von König Artus anzunehmen. Zum einen liebt sie ihn, zum anderen bringt es ihrem Reich den nötigen militärischen Schutz.

Auf der Fahrt nach Camelot geraten sie und ihre Begleitung in einen Hinterhalt Malagants. Der zufällig vorbeikommende Lancelot kann sie aus den Fängen ihrer Entführer befreien. Es bahnt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden an. Dabei ist Guinevere aber recht zögerlich, während Lancelot aus seiner Liebe zu ihr kein Geheimnis macht und sich bereits hier vornimmt, sie eines Tages für sich zu gewinnen. Sie reist daraufhin nach Camelot um König Artus zu heiraten. Doch von nun an, begegnen sich Lancelot und Guinevere immer wieder und allenthalben muss er von ihr und ihrem Reich Gefahren abwehren. So kommt es, dass auch sie sich immer stärker zu ihm hingezogen fühlt. Als Artus ihre Liebe entdeckt, scheint es auf eine Katastrophe zuzulaufen, aber in einem überraschenden und spannenden Finale wendet sich dann noch einmal das Schicksal der beiden.

Was das Handwerkliche angeht, so lässt dieser Film keine Wünsche offen: Von den Kamerafahrten, über die grandiose Filmmusik bis hin zur nächtlichen Schlacht um Lioness, überzeugt dieses Werk und vermag den Zuschauer in Bann zu nehmen. Auch die Schauspieler überzeugten in ihren Rollen und waren gut gewählt. Vor allem Julia Ormond verdient es besonders gelobt zu werden, da sie es verstand, sehr glaubwürdig den inneren Konflikt Guineveres darzustellen, ohne dass dies kitschig wirkte.

Die Frage, die sich aber nun stellt: Wieso eine neue Artusverfilmung in den Neunzigern? Wenn man historisch an diesen Film heran geht, so wird man sehr schnell enttäuscht, das hier präsentierte Mittelalterbild ist eher im Bereich der Fantasieliteratur zu suchen. Von Kleidung über Burgen, Waffen, bis hin zu der militärischen Struktur, bedient man sich aller Jahrhunderte. Dabei ist diese Auswahl aber nicht zufällig. Z.B.: Wenn etwa die Artusritter blaue Uniformen tragen, so soll dies beim Zuschauer die Assoziation auslösen: Artusritter = UNO- Soldaten. Dadurch wird aber auch deutlich, dass Jerry Zucker keinen historischen oder literarischen Film drehen wollte, sondern dass er sich des Sagenreichs Camelot bediente, um aktuelle Probleme zu behandeln. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Diskussionen über Liebe, Recht und Gesetz.

Man muss dabei wissen, dass diese drei Themen in den USA beim Erscheinen des Films und noch heute sehr stark öffentlich thematisiert werden. Wobei dieser Film eindeutig Stellung bezieht. Treue ist ein hoher Wert und darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Allerdings macht der Film auch deutlich, dass aber auch der oder die "Betrogene" nicht zu ungerecht reagieren darf und fähig sein muss, seinem Partner zu verzeihen, wenn dieser aufrichtig bereut.

Der Film nimmt somit eine Mittlerrolle zwischen den neuen konservativen Hardlinern à la Newt Gingrich und der extrem liberalen Haltung der 70er ein. Er ruft im Grunde zur Besinnung auf "alte Werte" auf, wie "Treue", "Liebe" und "Vergeben können". In diesem Sinne behandelt der Film auch den zweiten Themenkomplex von Recht und Gesetz. König Artus Rede vor Malagant ist dabei die Schlüsselszene. Artus betont, dass die Einhaltung von Gesetzen die Grundfeste einer jeden Gemeinschaft ist. Gleichzeitig betont er dass diese Rechte aber dann auch für alle gelten müssten, und dass die Rechte (hier in bezug auf Menschenrechte) universell seien, da überall die gleichen Menschen leben.

Auch hier greift der Film in momentane Debatten in Amerika und Europa ein. Zum einen greift er die Sehnsucht der US-Bürger nach mehr Sicherheit auf und wendet sich gegen die fortschreitende Ausbreitung rechtsfreier Räume. Gleichzeitig fordert er die Gleichheit vor dem Gesetz, dies ist spätestens seit dem O.J.-Simpson-Prozess ein aktuelles Thema in den USA. Schließlich betont er eindeutig, dass die Menschenrechte für alle Menschen gelten würden, womit der Film eine klare Antwort darauf gibt, was man von Politikern zu halten hat, die vor China und anderen Diktaturen einknicken.

Daraus ergibt sich, dass man diesen Film nicht historisch bewerten darf, sondern ihn als ein moralisches modernes Märchen begreifen sollte, das uns die Vision von einer guten und gerechten Welt geben will, wobei die Massenszenen und die spannende Handlung verhindern, dass der Film ins Moralinsaure abgleitet. Insgesamt ein positiver und aufbauender Film, der sich wohltuend vom momentanen düsteren Einheitsbrei der Spätneunziger heraushebt.

  Lutz Berth / Wertung: * * * * * (5 von 5)


Filmdaten
Der 1. Ritter (First Knight)

Regie: Jerry Zucker; Buch: Lorne Cameron, David Hoselton; Kamera: Adam Greenberg; Schnitt: Walter Murch; Musik: Jerry Goldsmith; Kostüme: Kenny Crouch; Produktion: Jerry Zucker, Hunt Lowry; Darsteller: Richard Gere (Lancelot), Julia Ormond (Guinevere), Sean Connery (König Artus), Ben Cross (Malagant), Ralph Ineson u.a.

USA 1995, 122 Minuten, FSK: ab 12.

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