03.03.2011
Der erste Römer in Schottland

Der Adler der Neunten Legion


Der Adler der Neunten Legion: Channing Tatum, Donald Sutherland Ein junger Römer (Channing Tatum) möchte seine Familienehre wiederherstellen. Mit dem Sklaven Esca (Jamie Bell) begibt er sich auf die Suche nach der einst von seinem Vater angeführten, verschollenen Neunten Legion.
Die Handlung des Films ist 140 nach Christus angesetzt. Um sie zeitlich einzuordnen: Etwa 200 Jahre zuvor lebte Julius Caesar – und spielen die Asterix-Abenteuer. Diese haben mit dem vorliegenden Film gemein, dass Kelten gegen Römer in Schlachten kämpfen. Mit zwei gewaltigen Unterschieden: "Der Adler ..." zeigt im Gegensatz zu den Asterix-Heften die Schlachten ernst, blutig, actionreich. Und: Die Römer sind einseitig als Helden, die anderen als Barbaren gezeichnet. Überein stimmt die comichafte Darstellung.

Kevin Macdonald ist ein Filmregisseur mit Renommee. Er drehte zuvor unter anderem mehrere preisgekrönte Dokumentarfilme und "Der letzte König von Schottland", einen Spielfilm über den ugandischen Diktator Idi Amin. Der Film brachte seinem Hauptdarsteller Forest Whitaker den Oscar und dem Film zahlreiche Auszeichnungen ein. Im Titel dieses Films, obwohl er in Uganda spielt, kam Schottland deswegen vor, weil Idi Amin im Film ein Trikot mit "Scotland"-Aufschrift erhält. Im Film wie in der Wirklichkeit betrachtete sich Idi Amin im Größenwahn als Bezwinger des Britischen Imperiums, er bot sich als König von Schottland an.

In "Der Adler der Neunten Legion“ geht es ebenfalls um Bezwinger Britanniens, die Römer. Aber nicht ganz Britannien war römisch besetzt, die Dörfer des Nordens leisteten Widerstand. So erfolgreich, dass die sogenannte Neunte Legion ca. 120 nach Christus dort spurlos verschwand und Rom daraufhin den Hadrianswall errichten ließ, eine Mauer, die das heutige Schottland vom Römischen Reich abgrenzte. Regisseur Kevin Macdonald ist selber Schotte. Für "Der Adler ..." drehte er in seiner Heimat. Doch die kommt im Film alles andere als gut weg.

Der Adler der Neunten Legion: Filmplakat Der von Channing Tatum gespielte junge Römer Marcus Aquila findet keine Ruhe. Damit rettet der neue Kommandant einer Festung vielen seiner Untergebenen das Leben: Er merkt in einer Nacht, dass ein Angriff der Kelten Britanniens bevorsteht. In der folgenden Schlacht erweist er sich als tapferer Anführer, wird aber schwer verwundet. Ehrenhaft aus der Armee entlassen und bei seinem Onkel (Donald Sutherland) halbwegs gesund gepflegt, entscheidet er sich als Zuschauer eines Gladiatorenkampfes, für das Leben eines Sklaven einzutreten. Dieser, Esca (Jamie Bell), leistet nach seiner Rettung einen Eid: Er will seinem neuen Herrn treu ergeben sein. Marcus findet weiterhin keine Ruhe: Sein Vater führte einst die verschollene, 5000 Mann starke Neunte Legion an. Nur mit Esca an seiner Seite überwindet er den Hadrianswall und sucht in Kaledonien nach Spuren der Legion. Deren Feldzeichen, einen Metalladler, möchte Marcus zur Ehrenrettung seiner Familie wiederfinden. Aber bleibt Esca, ein Brite, in der Marcus unbekannten, Esca aber vertrauten Welt loyal?

"Der Adler der Neunten Legion" ist eine Literaturverfilmung nach Rosemary Sutcliff (1920 – 1992), einer in Großbritannien bekannten Schriftstellerin, die vor allem Bücher über die römische Besatzung Britanniens schrieb. Die Filmemacher, Regisseur Macdonald und sein Drehbuchautor Jeremy Brock, kennen Sutcliffs Werk und wissen, dass gerade Sutcliffs "The Eagle of the Ninth" zu verfilmen lohnt, handelt der Roman doch von Schlachten und anderen Kämpfen, die auf der Leinwand actionreich wiedergegeben werden können, und dies geschieht in Macdonalds Film in der Tat so, dass der Kinogänger seine Freude an ihnen hat, die Kämpfe sind sehr gut gefilmt. Der Roman handelt des Weiteren von Loyalität, die auf die Probe gestellt wird – der Film setzt auch in dieser Hinsicht die Vorlage gut um: Spannend ist es für den Zuschauer, zuzusehen, wie der von Jamie Bell ("Billy Elliot – I will dance") dargestellte Sklave Esca in seiner Heimat möglicherweise Marcus in eine Falle locken wird. Oder sieht Esca schließlich seine eigenen Landsleute, wie es die Römer tun, auch als unzivilisierte Barbaren an, so dass er lieber Marcus unterstützen will?

Das nämlich ist das größte Manko des von Macdonald ansonsten sehr intelligent und mit hervorragenden Bildern inszenierten Epos: Das Auftreten der Römer als alle anderen Völker sich unterwerfende Imperatoren, die sie waren, wird nur zweimal im Film ins rechte Licht gerückt, dann, wenn Marcus ein gegen ihn kämpfendes kaledonisches Kind skrupellos tötet, und wenn Esca davon erzählt, wie seine Familie von Römern ermordet wurde. Dennoch: Römer sind bei Macdonald kultivierte Heroen. Die Stämme Britanniens hingegen sind als ordinäre, blutrünstige Hinterwäldler sehr einseitig gezeichnet.

Der Adler der Neunten Legion: Tahar Rahim, Jamie Bell, Channing Tatum Die römischen Charaktere werden von amerikanischen Schauspielern und die britischen Figuren von britischen Darstellern verkörpert. Dies war Absicht, erklärt Drehbuchautor Jeremy Brock. "Wir stellten eine Analogie zwischen römischem Imperialismus und der Führungsrolle her, die das US-Militär heute hat. Das ermöglicht uns ein klares und prägnantes Bezugssystem, das die Zuschauer erkennen werden. Es ist eine Kollision von Kulturen, die sich in den unterschiedlichen Akzenten deutlich widerspiegelt." Heutzutage mache es Sinn, ergänzt Regisseur Macdonald, "dass Amerikaner die Römer darstellen, denn heute ist Amerika die Führungsmacht." Unfreiwillig stellen Brock und Macdonald in ihren Erläuterungen eine Analogie unter anderem zum Irak-Krieg her, einem Krieg, in dem George W. Bushs USA mutmaßlich wegen des irakischen Öls ohne UN-Beschluss in ein Land einmarschierten, dann aber auf Widerstand durch Al-Qaida stießen. Der entstandene Vergleich ist bemerkenswert: Die kultivierte westliche Welt zeigt sich in Form der USA im Irak spätestens durch die Folterungen im Gefängnis Abu-Ghreib als ähnlich unzivilisiert wie der blutrünstige Gegner, Al-Qaida. Wollten die Filmemacher diese Aussage implizit formulieren? Auch im Film "Der Adler der Neunten Legion" kommt keiner der beteiligten Protagonisten sauber aus den Kämpfen heraus. Man kann den Film daher als kluge Warnung an Supermächte wie die USA verstehen. Auch das römische Imperium ging eines Tages unter, trotz der beinahe peinlichen Glorifizierung in diesem Film.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Concorde Film

 
Filmdaten 
 
Der Adler der Neunten Legion (The Eagle / The Eagle of the Ninth) 
 
GB / USA 2010
Regie: Kevin Macdonald;
Darsteller: Channing Tatum (Marcus Flavius Aquila), Jamie Bell (Esca), Donald Sutherland (Onkel Aquila), Tahar Rahim (Robbenprinz), Mark Strong (Guern), Denis O'Hare (Lutorius), Brian Gleeson u.a.; Drehbuch: Jeremy Brock; Produzent: Duncan Kenworthy; Ausführende Produzenten: Miles Ketley, Charles Moore, Tessa Ross; Co-Produzentin: Caroline Hewitt; Kamera: Anthony Dod Mantle; Musik: Atli Örvarsson;

Länge: 114,11 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Concorde Filmverleih; deutscher Kinostart: 3. März 2011



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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