5. Dezember 2006

Mörder und Gendarm


Departed
- Unter Feinden


Departed - Unter Feinden: Leonardo DiCaprio

Katholiken in den USA bezeichnen die Toten als "the faithful departed" - die treuen Verstorbenen. In Martin Scorseses Mafia-Drama wird viel gestorben. Von Treue und Loyalität handelt der Plot: Die Bostoner Polizei schleust einen jungen Mann (Leonardo DiCaprio) in die irischstämmige Unterwelt ein. Der Mob-Chef (Jack Nicholson) hat derweil die Polizei mit einem Spitzel (Matt Damon) unterwandert. Ein Nervenkrieg der beiden jungen Männer beginnt. "Departed" basiert auf dem Hongkong-Thriller "Infernal Affairs - Die achte Hölle" (2002). Mehr und brillanter noch als das Original ist Martin Scorseses Hochglanz-Thriller "Departed" auf die Selbstentwürdigung seiner an ihren Prinzipien festhaltenden Charaktere zugeschnitten.



Ein Polizist - keine der beiden Hauptfiguren - wird am Ende des Films einen Mord begehen. Er wird einen anderen Cop erschießen. Da ist die eigentliche Handlung des Films schon gelaufen. Das große kathartische Schießen hat es da bereits gegeben. Eine Rechnung ist dann noch offen. Präzise führt der eine Cop den Mord am anderen Cop durch. Er weiß als Cop, wie er Spuren vermeidet, wie er als Mörder richtig vorzugehen hat. Und er weiß als Cop: Es ist ein Mord, ein kaltblütiger. Keiner der unmittelbar am Geschehen Beteiligten wird heil aus der Geschichte herauskommen. Verbrechen lohnt sich nicht, aber dessen intensive, erfolgsorientierte Bekämpfung kann äquivalent ans Ende von Ehre, Ethos und Selbstachtung führen, zeigt "Departed". Ein Film also aus dem Zeitalter von Guantanamo, aber "Departed" enthält mehr als nur diese subtile, aber nicht sehr sublime Anspielung auf Prinzipienaufgabe durch Prinzipientreue.

Das Original "Infernal Affairs" ließ die Kriminalpolizei Hongkongs auf die genauso straff konzentrierte Macht der Triaden prallen und hob dazu stellvertretend die adäquat agierenden Hauptfiguren hervor. Zwei Polizisten, zwei Spitzel - jeweils undercover auf der Gegenseite unter Feinden, in Gefahr, enttarnt zu werden, im verzweifelten Bemühen, den anderen zu enttarnen, um der eigenen Enttarnung zuvorzukommen. Hollywood-Schauspieler Brad Pitt, seit Jahren auch als Produzent tätig, kaufte die Rechte an diesem idealen Thriller-Stoff für eine US-Verfilmung. Drehbuchautor William Monahan wurde mit dem Skript beauftragt und verlegte die Handlung des Remakes nach Boston, Monahans Heimatstadt, in die Stadt der irischen Mafia. In den Arbeitervierteln im Bostoner Süden galt stets für Heranwachsende, so Monahan, die grundsätzliche Frage: Mob oder Cop.

Departed - Unter Feinden: Jack Nicholson, Matt Damon

So gilt diese Frage gleichfalls für Billy Costigan (DiCaprio) wie für Colin Sullivan (Damon). Costigan entstammt einer kriminellen Familie. Dem will er entkommen und bewirbt sich aus eigenem Entschluss bei der Polizei - aus Idealismus. Sullivan ist makelloser Herkunft und bewirbt sich bei der Polizei. Nicht aus eigenem Entschluss, die Kiezgröße Frank Costello (Nicholson) ist zu seinem Ziehvater geworden. Costellos Rechnung geht auf; er hat jemanden undercover bei seinen Feinden. Die Polizei blickt auf Sullivans scheinbar saubere Weste und sieht ihn sogleich als einen der ihren an. Sullivan nutzt seinen Part auch für sich und sein Streben nach Hedonismus. Costigan ist im Vergleich das Schmuddelkind. Man akzeptiert ihn bei der Polizei nicht als Cop und versieht ihn mit einer Aufgabe, die ihn entsprechend keinen offiziellen Polizisten sein lässt. Er soll die Unterwelt infiltrieren, in Costellos Hierarchie aufsteigen. Man zwingt Costigan in das Milieu zurück, das er hinter sich lassen wollte. Beide jungen Männer fügen sich und erfüllen ihre Rolle glänzend. Bis die Unterwanderung beider Seiten auf beiden Seiten klar ist.

Departed - Unter Feinden: Leonardo DiCaprio

Selten wurde in einem Film das Spiel um Schein und Sein so auf die Spitze getrieben wie hier, und zwar durch konsequent einander gegenübergestellte Charakterisierung der beiden jungen Männer. Antipoden sind sie beide, nicht nur aufgrund ähnlicher Situation Brüder im Geiste, ergänzen sie sich im Film wie Yin und Yang, lange ohne überhaupt aufeinanderzutreffen, sie verfolgen gleichermaßen hartnäckig die ihnen auferlegten Ziele auf umgekehrter Basis vergleichbar Franz und Karl Moor in Schillers "Räubern". Sie verlieben sich sogar in dieselbe Frau, eine Polizeipsychologin (Vera Farmiga), der es am Schluss fast allein vorenthalten bleiben wird, Schein und Sein trennen zu können.

Schein und Sein: Regisseur Scorsese zelebriert ein Feuerwerk der raffinierten Wendungen in seinem hochkonzentriert inszenierten Thriller. Mit einem Score, der mit Songs der Rolling Stones und vergleichbarer Bands für einen überraschend magischen Tranceeffekt aufwartet. "Departed" ist fast ein Meisterwerk - würde nicht die Logik, dass Costigan auf gleich zwei Polizisten, die einzig seine Identität kennen, angewiesen zu sein, an einer Stelle empfindlich gebrochen werden (im Original: ein Polizist - der getötet wird). Würde nicht zudem Jack Nicholson seine Rolle als Gangsterboss angesichts der Härte des Gezeigten unpassend als clowneske Parodie gestaltet haben.

 
Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)

Quelle der Fotos: Warner Bros.


Filmdaten

Departed - Unter Feinden
(The Departed)

USA 2006
Regie: Martin Scorsese;
Darsteller: Leonardo DiCaprio (Billy Costigan), Matt Damon (Colin Sullivan), Jack Nicholson (Frank Costello), Mark Wahlberg (Sergeant Dignam), Martin Sheen (Captain Queenan), Ray Winstone (Mr. French), Vera Farmiga (Madolyn), Alec Baldwin (Captain Ellerby), Anthony Anderson (Brown), James Badge Dale (Barrigan), David O'Hara (Fitzy), Mark Rolston (Delahunt) u.a.;
Drehbuch: William Monahan basierend auf dem Drehbuch des Films "Infernal Affairs - Die achte Hölle" (Hongkong 2002; Regie: Andrew Lau Wai Keung und Alan Mak; Drehbuch: Alan Mak und Felix Chong);
Produktion: Brad Pitt, Brad Grey, Gianni Nunnari, Graham King; Ausführende Produzenten: Roy Lee, Doug Davison, G. Mac Brown, Kristin Hahn; Co-Produzent: Joseph Reidy; Schnitt: Thelma Schoonmaker; Kamera: Michael Ballhaus; Musik: Howard Shore;

Länge: 146 Minuten; FSK: ab 16 Jahren;
deutscher Kinostart: 7. Dezember 2006; ein Film im Verleih von Warner Bros.




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Departed
- Unter Feinden
<05.12.2006>  



Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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