25.05.2008
Grauenhafte Selbstjustiz

Death Sentence
- Todesurteil


Im Jahr 1974 verfilmte Hollywood-Routinier Michael Winner den Roman "Death Wish" des amerikanischen Schriftstellers Brian Garfield. "Ein Mann sieht rot" hieß der deutsche Titel des Films, der damals Charles Bronsons Weltruhm begründete und bis 1995 mehrere Fortsetzungen nach sich zog. Nun, vier Jahre nach dem Tod der Action-Ikone, fügt "Saw"-Regisseur James Wan der legendären Rachestory ein neues Kapitel hinzu: In "Death Sentence – Todesurteil", wieder basierend auf einem Roman von Brian Garfield, schickt er Kevin Bacon auf einen gnadenlosen Vergeltungstrip, der die Nerven des leidgeprüften Zuschauers aufs Äußerste strapaziert.

Gemäß der altbekannten Formel beginnt auch dieser Film zunächst mit dem kleinen privaten Familien-Idyll: Am Anfang schwirren einige Home-Video-Aufnahmen über die Leinwand, die Einblicke ins beschauliche Leben des Protagonisten Nick Hume (Kevin Bacon) geben. Gemeinsam mit seiner Frau Helen (Kelly Preston) und den beiden Söhnen Brendan (Stuart Lafferty) und Lucas (Jordan Garrett) führt der Manager ein beschauliches und geruhsames Leben, das direkt dem Bilderbuch des amerikanischen Traums zu entstammen scheint: Seinen Job erledigt er gewissenhaft, am Abendtisch ermahnt er zu guten Manieren und den ältesten Spross begleitet er zum Hockeyspiel. Eines Abends allerdings gerät seine heile Welt urplötzlich völlig aus den Fugen: In einer Tankstelle wird Brendan vor Nicks Augen von einer kriminellen Jugendgang kaltblütig ermordet – ein Initiationsritual, wie Polizei-Agentin Wallis (Aisha Tyler) schlussfolgert, dem sich jedes neue Bandenmitglied einmalig unterziehen muss.

Im Zuge der Ermittlungen gelingt es Nick zwar, den jugendlichen Joe Darly (Matt O'Leary) als Täter zu identifizieren, doch in Ermangelung weiterer Zeugen stehen die Chancen für eine angemessene Verurteilung schlecht. Wütend und frustriert entschließt sich der trauernde Familienvater daher, das Gesetz kurzerhand selbst in die Hand zu nehmen. Während eines verzweifelten Gerangels tötet er Joe mit einem Messer – und entfesselt damit eine blutige Spirale der Gewalt: Nun nämlich haben es die anderen Bandenmitglieder unter der Führung von Joes Bruder Billy (Garrett Hedlund) auf Nicks Familie abgesehen...

Eine Ästhetik der Grausamkeit
Mit der Inszenierung perverser Psychospielchen hat sich der gebürtige Malaie James Wan einen Namen gemacht, sein Hollywood-Debüt "Saw" avancierte 2004 zum denkwürdigen Markstein in der Entwicklung des Horrorfilms. Mit "Death Sentence" bleibt er dem eingeschlagenen Weg weiterhin treu, denn auch dieser Film zwingt die Zuschauer in eine scheußliche und scheinbar unendliche Tortur aus psychischen und physischen Grausamkeiten. Die Story selbst ist dabei geradezu einfallslos konventionell. Sie beruht auf dem gleichnamigen Roman, den Brian Garfield 1975 seinem Bestseller "Death Wish" als Fortsetzung hinterher schob. Das allerdings ist bei weitem nicht das Haupt-Problem an diesem Film, dessen audiovisuelle Vergewaltigungsästhetik man kaum freiwillig über sich ergehen lässt.

Wan, das wird schon ganz zu Anfang deutlich, interessiert sich nicht für eine glaubwürdige Geschichte, nicht für Gesellschaftskritik oder die psychologische Aufarbeitung eines Traumas. Ihm geht es ausschließlich um die Kreierung von Emotionen, um manipulative Überwältigungsstrategien, mit denen er die Zuschauer unablässig malträtiert. Die feine Nuance ist wahrlich nicht seine Kunst, stattdessen präsentiert er weitgehend schablonenhafte Klischeebilder, die unweigerlich intellektuelle Skepsis provozieren. Das familiäre Heile-Welt-Idyll etwa ist in seiner klinischen Baukastenweise geradezu ärgerlich überzogen, während die einzelnen Charaktere gleichzeitig merkwürdig steril und hölzern bleiben. Der dramaturgische Stein des Anstoßes – der Mord an Brendan – ist mitsamt seiner abscheulich-banalen Motivierung dann kaum weniger realitätsfern, verrät allerdings sehr wohl die Regie-Intention einer diabolischen Figuren-Verteufelung. Augenscheinlich strebt der Regisseur nichts weiter an, als sein Publikum für das nun unbarmherzig folgende Gemetzel anzuheizen.

Gewalt ohne Erlösung
Auch dabei schreckt er allerdings vor kaum einer inszenatorischen Plattitüden zurück, so dass die Figuren vollends jeden Bezug zur Wirklichkeit verlieren: Selbst im Gerichtssaal muss Nick noch die abstoßenden Gesten des angeklagten Mörders erdulden, was schlagartig seine Transformation zum unerbittlichen Killer bedingt. Aus Kevin Bacon wird somit eine seltsam unwirkliche Mischung aus Jack Nicholson, Sylvester Stallone und Bruce Willis, ein einsamer Rächer, der weiß, dass sein Weg ins Verderben führt und ihn dennoch konsequent bis zum Ende geht. Sein fesselndes Spiel markiert unschwer den Höhepunkt eines moralisch höchst fragwürdigen Films, der – typisch Wan – vor allem gegen Ende mit sezierend-detaillierten Gewaltszenen aufwartet. Zu einer kathartischen Wirkung kommt es im Unterschied zum klassischen Horrorfilm hier allerdings nicht, stattdessen bleibt das resignierende Gefühl der Erschöpfung – und die ratlose Frage nach dem Nutzen und Zweck solcher Torturen.

"Death Sentence" liegt zweifellos schwer im Magen. Nach der herrlich selbstironischen Comic-Ästhetik eines Quentin Tarantino ("Kill Bill") oder Robert Rodriguez ("Sin City") sucht man hier vergebens. Die Bilder sind altbacken, die Botschaft reaktionär und der Soundtrack auf qualvolle Weise aufdringlich. Einen Glanzpunkt allerdings hat der Film – einen Mini-Auftritt von John Goodman, der hier einmal mehr einen durchgeknallten Waffen-Narren spielt und somit unweigerlich die Lust dazu weckt, sich wirklich sehenswerte Filme anzuschauen: "The Big Lebowski" der Coen-Brüder zum Beispiel.  

Christian Heger / Wertung: * * (2 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
Death Sentence - Todesurteil (Death Sentence) 
 
USA 2007
Regie: James Wan;
Darsteller: Kevin Bacon (Nick Hume), Kelly Preston (Helen Hume), Garrett Hedlund (Billy Darley), John Goodman (Bones Darley), Matt O'Leary (Joe Darley), Jordan Garrett (Lucas Hume), Stuart Lafferty (Brendan Hume) u.a.; Drehbuch: Ian Mackenzie Jeffers nach dem Roman von Brian Garfield; Produktion: Ashok Amritraj, Howard Baldwin, Karen Elise Baldwin; Ausführende Produktion: Nick Hamson, Nick Morton, Andrew Sugerman, Lars Sylvest; Co-Produktion: Eric Mitchell; Kamera: John R. Leonetti; Musik: Charlie Clouser; Länge: 101 Minuten; FSK: keine Jugendfreigabe, d.h. nicht unter 18 Jahren; ein Film im Verleih der Concorde Film; deutscher Kinostart: 13. September 2007



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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