30.06.2014
Eine Liebe unter krebskranken Jugendlichen

Das Schicksal ist ein mieser Verräter


Das Schicksal ist ein mieser Verräter Nicht so sehr Verräter als vielmehr ein kühler Zeitmesser ist das Schicksal der Verfilmung des gleichnamigen Romans, das der einen Person mehr und der anderen weniger an Lebenszeit zu schenken vermag. Hazel Grace Lancaster ist ein Mädchen mit einer kleineren Portion an Lebensstunden. Sie kämpft um einen normalen Alltag trotz ihres Krebsleidens, das zunächst ihre Schilddrüse und dann ihre Lunge ergriffen hat. Ein kleines Wunder darf sie mit einem Medikament erleben und überlebt ihre Kindheit bis ins Teenageralter hinein. Mit ihren großen, leuchtenden Kulleraugen scheint sie eines Tages in einer Selbsthilfegruppe für krebskranke junge Menschen Gus an.

Ganz zufällig laufen sie buchstäblich ineinander und schon ist es passiert. Ein kleines Feuerwerk inmitten trostlosen Krankenalltags. Das erste Treffen, herumschäkern, die Eltern treffen, sich berühren, mit den Freunden rumhängen, seine Lieblingsbücher austauschen, zusammen verreisen, der erste Kuss, der erste Sex... Eine Liebesgeschichte wie jede andere – scheinbar. "Pain demands to be felt" liest Hazel bei ihrem Lieblingsautor Peter van Houten. Das traute Glück einer ersten zarten Liebe bekommt immer wieder das hässliche Gesicht des Krebs zu sehen. So sitzt mal Gus mit einem erwartungsträchtigen Blick im Wartezimmer des Krankenhauses und wird von Hazels Vater heimgeschickt. Mal ist es Hazel, die verständnisvoll die Mutter von Gus umarmt, um anschließend den Wartezimmersitz weiter zu wärmen.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter Die Buchvorlage zum Film von John Green stellt Shakespeares Zitat auf den Kopf: "The fault, dear Brutus, is not in our stars,/But in ourselves, that we are underlings", sagt Julius Cäsar. Für den Bestsellerautor ist es jedoch "The Fault in Our Stars". Schließlich kann sich Hazel angesichts ihrer Haltung zum Krebs als eine Kämpferin und keine Untergebene ihrer tödlichen Krankheit fühlen. Hazel lebt ihr Leben so gut es eben geht. Es ist das einzige, das sie bekommt. Gott oder das Leben nach dem Tod ist kein Trost oder Aussicht für den heutigen Tag. Eine starke und kluge junge Frau, wie Greens vorherige Heldinnen anderer Werke. Die Reife seiner literarischen Helden katapultiert den amerikanischen Autor binnen weniger Tage nach Erscheinungsdatum immer wieder auf die Spitzenplätze der Bücherrankings und beschert ihm lange Schlangen in Autogrammstunden.

Doch nicht nur die Heldenhaftigkeit von Hazel ist das Erfolgsrezept, das die Fangemeinde von Green anwachsen lässt. Der Witz begegnet dem Filmzuschauer sowohl in großen als auch in kleinen dunklen Momenten der Verfilmung. "Sollten wir nicht warten bis es dunkel ist", fragt Hazel Gus während ihr blinder Freund Isaac das Auto seiner Ex-Freundin mit Eiern bewirft. "Für Isaac ist es doch dunkel", entgegnet Gus. Ein Déjà vu mit "Juno" von Jason Reitman: ein aus den Fugen geratener Alltag von Teenagern mit viel Witz und Charme. Dessen gibt es bei "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" allerdings in wohldosierten Mengen. Die Moral und Lebensweisheit stehen im Film klar im Vordergrund.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter Nach dem schicksalhaften Besuch bei Peter van Houten in Amsterdam führt seine Assistentin die beiden Teenager ins Haus von Anne Frank. Beschwerlich ist der Weg hinauf zum Dachboden, auf dem Anne Frank ihre letzten Tage vor dem Tod verbracht hat. Genauso beschwerlich ist auch Hazels Weg scheinbar endlose Treppen hinauf. Im Hintergrund liest Anne Frank aus ihrem berühmten Tagebuch vor. Es sind sicherlich die aufmunternden Worte und der große Wille von Anne Frank das Gute und Schöne im Leben zu sehen, die Hazel zu einem Kuss und einem Bekenntnis zu einer Beziehung mit Gus führen. Bei solchen Szenen wünscht man sich den männlichen Teil des Zuschauerraums weit weg in eine Sportsbar mit literweise Bier, weil die zuckersüße Bitterkeit überzulaufen scheint.

Dennoch ist es eine schöne Geschichte, seicht kitschig erzählt. Shailene Woodley, ihr scheinbar ungeschminktes Gesicht, ihre kluge und besonnene Art sind einem nach den ersten Minuten sympathisch. Ansel Elgort als abenteuerlustiger Junge von nebenan, den sich jede Mutter als Freund ihrer Tochter wünscht, wächst einem ebenso schnell ans Herz. Sieht man Hazel, ihren Eltern und Gus zu, so kann man nicht anders als lächeln. Es ist kein Mitleid, das man verspürt, sondern vielmehr Freude an der Stärke dieser Personen und deren kleinen Momenten des Glücks. Mit Schmerzen kann man leben; man tut es einfach.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter Der natürliche Umgang und die beinahe so alltäglichen Momente lassen den Zuschauer Hazels Schlauch zum Sauerstoffgerät schnell vergessen. Er taucht erst wieder auf, wenn Hazel verschwitzt nach Luft schnappt und ins Krankenhaus eingeliefert wird oder nach einem Treppenaufstieg benommen und schwach auf den Beinen nach einer Sitzgelegenheit sucht. Die Szenen der Krankheit werfen den Zuschauer jedoch nicht ins kalte Wasser, höchstens lauwarm. Sich zu übergeben, Erschöpfung, Blässe und Augenringe zu haben, Schwächeanfälle oder Fieber – das alles kommt mit einem dicken Filter auf die Leinwand. Vielleicht um das Glück, das dennoch präsent ist, zu zeigen. Vielleicht aber auch, um die übliche schöne amerikanische Hollywoodkulisse nicht zu zerstören.

Ein feel good-Filmchen ohne wirkliches Happy End für die Charaktere, sondern eher für das allgemeine Verständnis von Lebensglück. Man gönnt den beiden Teenagern ein kleines bisschen mehr Ewigkeit zusammen.  

Margarethe Padysz / Wertung: * * * (3 von 5) 

 
Filmdaten 
 
Das Schicksal ist ein mieser Verräter (The Fault in Our Stars) 
 
USA 2014
Regie: Josh Boone;
Darsteller: Shailene Woodley (Hazel), Ansel Elgort (Gus), Nat Wolff (Isaac), Laura Dern (Frannie), Sam Trammell (Michael), Willem Dafoe (Van Houten), Lotte Verbeek (Lidewij) u.a.;
Drehbuch: Scott Neustadter, Michael H. Weber nach dem Buch von John Green; Produzenten: Marty Bowen, Wyck Godfrey; Kamera: Ben Richardson; Musik: Mike Mogis, Nate Walcott; Schnitt: Robb Sullivan;

Länge: 126,28 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der Twentieth Century Fox of Germany GmbH; deutscher Kinostart: 12. Juni 2014



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Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024), Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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