11.09.06
Der "Zeck" Grenouille wird menschlich
Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders
![]()
Überraschenderweise ist die Verfilmung alles andere als enttäuschend,
denn der Roman wird weiterentwickelt. Die Haupthandlung ist allerdings unverändert:
Im Frankreich des 18. Jahrhunderts schafft es Jean-Baptiste Grenouille, aus einem
stinkenden Pariser Elendsviertel zum Parfumeurhandwerk aufzusteigen, denn er
besitzt einen übermenschlichen Geruchssinn. Zwar wird seine Begabung stets
ausgenutzt, doch Grenouille kümmert das nicht, denn er verfolgt keine monetären
Ziele. Er will den besten Duft der Welt erschaffen. Dieser Duft ist subtil, nicht
oberflächlich wie die Parfüms wie wir sie kennen, die zwar unsere Durchschnittsnasen,
nicht aber Grenouille täuschen können. Zur Duftgewinnung tötet
er mehrere Jungfrauen, deren Eigengeruch er benötigt.
Im Buch versucht ein auktorialer Erzähler, Grenouille in ein schlechtes Licht zu rücken. Er sei ein „Zeck“, der die Menschen hasse. Süskind provoziert so jedoch den Widerspruch des Lesers, bei dem sich Mitleid unter die politisch korrekte Abscheu für einen Mörder mischt. Grenouille im Ribshirt ![]() Viel mehr als das Buch lebt der Film von Spannung. Im Film tritt der Kriminalroman zu Lasten des Entwicklungsromans in den Vordergrund. Dabei wird der Höhepunkt der Geschichte Grenouilles als Mörder im Film unnötigerweise nivelliert: Der Wettstreit zwischen Richis und Grenouille findet statt, jedoch ohne die eindrucksvolle Darstellung des Sieges des Geruchssinns über die Intelligenz aus dem Buch. ![]() Der Film verschenkt die Aktualität des Themas ![]() Den Leser des Romans „Das Parfum“ beschleicht eine düstere Ahnung. Was, wenn all das Bemühen um Schönheit vergeblich ist? Wenn unsere Außenwirkung nicht durch Äußeres beeinflusst wird, sondern wir durch unseren Geruch fremdbestimmt sind? Wenn unser Eigengeruch selbst Parfüms durchdringt? Und was, wenn es tatsächlich Menschen wie Grenouille gibt, die uns durchschauen? Für eine solch nachdenklich stimmende Botschaft ist der Film zu harmlos, denn Grenouille verachtet die Menschen nicht. Das Rezept des Menschengeruchs kennt nur der Zeck des Romans: „Ein Häufchen ziemlichen frischen Katzendrecks, einige Tropfen Essig, Salz, ein daumennagelgroßes Stück Käse (alt, beißend scharf riechend), etwas Fischig-Ranziges, ein faules Ei, Castoreum, Ammoniak, Muskat, gefeiltes Horn, angesengte Schweineschwarte (fein gebröselt) und Zibet.“
Tobias Vetter
/ Wertung:
* * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Constantin Film Filmdaten Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders Deutschland/Frankreich/Spanien 2006 Regie: Tom Tykwer; Drehbuch: Andrew Birkin, Bernd Eichinger, Tom Tykwer; Romanvorlage: Patrick Süskind; Produktion: Bernd Eichinger; Darsteller: Ben Whishaw (als erwachsener Jean-Baptiste Grenouille), Alvaro Roque (Grenouille, 5 Jahre), Franck Lefeuvre (Grenouille, 12 Jahre), Alan Rickman (Antoine Richis), Rachel Hurd-Wood (Laura Richis), Dustin Hoffman (Giuseppe Baldini), Karoline Herfurth (Mirabellen-Mädchen), David Calder (Bischof von Grasse), Simon Chandler (Bürgermeister von Grasse), Jessica Schwarz (Prostituierte Natalie), Sian Thomas (Madame Gaillard), Corinna Harfouch (Madame Arnulfi), Paul Berrondo (Dominique Druot), Sam Douglas (Grimal), Birgit Minichmayr (Grenouilles Mutter) u.a.; Erzähler: Otto Sander (in der englischsprachigen Fassung: John Hurt); Kamera: Frank Griebe Schnitt: Alexander Berner; Szenenbild: Uli Hanisch; Kostümbild: Pierre-Yves Gayraud; Musik: Tom Tykwer, Johnny Klimek, Reinhold Heil; Orchester: Berliner Philharmoniker (Dirigent: Sir Simon Rattle); Visual Effects: UPP Prag Länge: 147 Minuten; Verleih: Constantin Film; FSK: ab 12 Jahren; Kinostart: 14.09.06
|
|