5.Juli 2001

Wie ein Wörterbuch der Liebe

Das kleine Buch der Liebe

Das kleine Buch der Liebe Vier Jahre nach seiner Erstaufführung kommt der brasilianische Film "Das kleine Buch der Liebe" in die deutschen Kinos. Regisseurin Sandra Werneck, 1953 in Rio de Janeiro geboren, zeigt darin eine Beziehung einer Frau und eines Mannes, beide Anfang 30, vom Kennenlernen über die erste, fast scheiternde Kontaktaufnahme und die romantischsten Augenblicke bis zum Ende der Beziehung - und dem Neubeginn beider in neuen Partnerschaften. Der Originaltitel "Pequeno Dicionàrio Amoroso" ist dabei nicht grundlos gewählt: Vor der Kulisse der Copacabana, Rios weltberühmtem Strand, gilt Sandra Wernecks Hauptaugenmerk den leidenschaftlichen Gefühlen beider Liebender füreinander, episodenhaft eingeteilt in Begriffe, wie sie in einem Wörterbuch der Kunst, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, vorkommen würden.

Zwei Menschen finden zueinander. Weil sie beide gerne die kleinen Einzelheiten der Natur beobachten, treffen sie sich zufällig. Luiza, die Architektin (Andréa Beltrão), versucht auf einem Friedhof Denkmäler zu fotografieren. Gabriel, Biologe (Daniel Dantas), entdeckt auf einem Grabstein einen Käfer - und läuft ihr ins Bild. Sie tauschen ihre Telefonnummern aus. Wann ruft er an? Ruft sie zuerst an? Dann rufen sie sich gleichzeitig an - besetzt. Ist da etwa jemand Anderes im Leben des Anderen? Aber sie lassen beide nicht locker. Und treffen sich. Es wird die große Liebe. Sie ziehen in eine gemeinsame Wohnung. Nach Erotik, Exotik, Leidenschaft wird Langeweile aufkommen, Anödung, Streit. Sie werden auseinander gehen, und beider Freunde Marta (Mônica Torres) und Barata (Tony Ramos), jeweils Berater beider in Sachen Liebe, werden sich bestätigt fühlen: Eine Beziehung kann nicht ewig halten.

Kleines Buch der Liebe - "Pequeno Dicionàrio Amoroso" hat mit dem Buch der Liebe, dem indischen Kamasutra, nichts zu tun. Sandra Werneck, in ihrer Heimat hauptsächlich eine Dokumentarfilmerin, konstruiert in ihrem Film ein Wörterbuch der Liebe um die geschilderte Beziehung. Episodenhaft durchleben Luiza und Gabriel Stationen des Glücks von unter anderem "Anziehung", "Erwartung", "Schönheit" über "Das erste Mal", "Idylle", "Perversion" bis hin zu "Zweifel", "Trugbild", "Qual", "Trennung". Bemerkenswert ist, dass "Das kleine Buch der Liebe" jetzt in Deutschland zu sehen ist, fünf Jahre nach der Entstehung des Films (1996), aber inmitten der im Jahr 2001 aktuellen Welle der Filme, die zwischenmenschliche Beziehungen vor allem auf ihre erotischen Konflikte hin betrachtet haben, wie "Eine pornographische Beziehung", "Romance", "Intimacy" und nicht zuletzt auch "Baise-Moi". Nun Sandra Wernecks Film, der Leidenschaft allem überordnet. Leidenschaft bis ins kleinste Detail - Romantik sogar in der Gestik und Mimik der Darsteller, vor allem in der von Daniel Dantas als Gabriel, die erst sehr aufgesetzt, fast klamaukhaft wirkt, bis sie sich als das herausstellt, was sie in einem Film über zwei sich Liebende zu sein hat: Als romantische Gefühlskundgebung, als Äußerung Gabriels ohne Worte, Luiza sympathisch zu finden, als zum Flirt gehörender Kniff.

Dass Regisseurin Werneck sich für die Liebe begeistert, merkt man dem Film an. Dass sie das Scheitern einer Beziehung unangenehm empfindet, leider auch. Denn so umfassend, wie sie das Romantische zwischen zwei sich Liebenden voranstellt, ist das Auseinandergehen der zwei Film-Figuren fast nicht reflektiert. Den Gefühlswirrungen widmet sie sich mutlos wenig, die Bilder der Romantik, die eingehend das Interesse von Luiza und Gabriel füreinander darstellen, werden von den sehr gefälligen, da alles entschuldigenden und damit oberflächlich wirkenden Kommentaren von Marta und Barata abgelöst. Berater zum Thema Beziehungen sollen die beiden Freunde von Luiza und Gabriel auch für den Zuschauer sein - keine gute Drehbuch-Idee - Geplauder gewinnt im Film die Oberhand. Wenn Sandra Werneck aber die schönen Seiten, das Gefühlvolle, das Substanzielle einer Beziehung in Bildern und in Worten festhält, dann trifft sie einen empfindsamen, schwärmerischen und damit den für das Thema des Films idealen Ton.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)

Quelle des Fotos: cinemabrasil


Filmdaten

Das kleine Buch der Liebe
(Pequeno Dicionàrio Amoroso / Little Book of Love)

Brasilien 1997
Regie: Sandra Werneck;
Drehbuch: Paulo Halm, José Roberto Torero; Kamera: Walter Carvalho; Musik: Ed Motta, Joao Nabuco;
Darsteller: Andréa Beltrão (Luiza), Daniel Dantas (Gabriel), Tony Ramos (Barata), José Wilker (Alaor), Glória Pires (Bel), Mônica Torres (Marta), Marcos Winter;

Länge: 91 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 5. Juli 2001



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