publiziert Juli
2006
In der Tiefe hört euch niemand schreien Das Boot
Die Kamera fährt
immer wieder diesen einen Gang ab: Kaum zwei Männer können hier
nebeneinander stehen, überall ragen Rohre, Leuchten und Instrumente
in ihn hinein. Diese dunkle, miefende Enge ist jedoch alles, was die Besatzung
vor der Meerestiefe schützt. Bei jedem Tauchgang, wenn die Stahlhülle
unter dem gewaltigen Wasserdruck gespenstisch knarzt, gewinnen die Bilder
plötzlich an Gewicht, drücken auf den Zuschauer wie die grabesgleiche
Ausweglosigkeit auf die U-Boot-Besatzung.
Die Verfilmung von Lothar Günther Buchheims Roman "Das Boot" brachte Regisseur Wolfgang Petersen 1981 den internationalen Durchbruch. Die Geschichte um Leben und Sterben einer deutschen U-Boot-Mannschaft im Zweiten Weltkrieg, jener Waffengattung mit einer horrenden Verlustrate von etwa 75 Prozent, beruht auf Buchheims Erfahrungen als Kriegsberichterstatter an Bord der "U 96". Im Film soll sein alter Ego Leutnant Werner (Herbert Grönemeyer) von den Heldentaten der deutschen U-Bootleute berichten. Doch in dem Boot des "Alten" (Jürgen Prochnow), eines zynisch-verbitterten Kapitäns, erlebt der junge Leutnant keine propagandageeigneten Heldenkämpfe in der Tiefe, sondern zermürbendes Warten auf den Feind, kurzen Kampfesrausch, Kriegsverbrechen und unentrinnbare Angriffe durch Wasserbomben. Die Feindfahrt eines einzigen U-Boots spiegelt so Grauen und Wahnsinn eines ganzen Krieges wider. "Das Boot" gehört ähnlich wie "Blade Runner", "Blair Witch Project" oder "Fargo" zu jenen Filmen, deren perfekt inszenierte Atmosphäre noch lange nach dem Abspann wirkt. Da die Handlung in der Tiefe gerade dann am ereignisärmsten, ja geradezu statisch ist, wenn der Kampf tobt, verlegt sich Petersen darauf, den Zuschauer in die Morituri-Stimmung der Mannschaft zu zwingen, die mit jeder neuen Explosion den Einbruch des kalten Todes erwartet. Das gelingt ihm mit dem beeindruckenden Zusammenspiel einer Kamera, die zwischen den Erschütterungen des Bootes und dem Entsetzen seiner Insassen hin- und herspringt, spärlicher Ausleuchtung in Rot und vor allem markerschütternder Toneffekte. Es ist kein Zufall, dass "Das Boot", das in amerikanischen Kinos mehr Erfolg hatte als in deutschen, Petersen die Hollywood-Pforte zu Großproduktionen wie "Outbreak" und "Troja" öffnete. Die Wirkung des Films durch das "innere Erlebnis" der Kämpfenden macht "Das Boot" daneben zu einem der wenigen wirklichen Anti-Kriegsfilme. Denn wo die meisten von ihnen sich der üblichen Genreszenen des Kriegsfilms, also viel "Action" bedienen, vermittelt Petersens Film hauptsächlich die betäubende Angst an Bord. In diesem Wartesaal des Todes ist kein Platz für Helden – sie würden sich langweilen. Selbst der "Alte" kann nicht viel mehr tun als Ruhe und Ausharren zu befehlen. Da stört es auch nicht weiter, wenn die klassisch-apologetischen Szenen der fernab vom Kampf schlemmenden und militärisch inkompetenten Befehlshaber nicht fehlen. Auch nicht, dass die Feindfahrt allen Widrigkeiten zum Trotz auf abenteuerliche Weise doch noch gelingt. Denn wenn am Ende das sicher im Hafen einlaufende U-Boot durch Fliegerangriffe versenkt und seine Mannschaft niedergemäht wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass selbst das Ertragen dieser Hölle keine Heldentat, sondern glücklicher Zufall in einem sinnlosen Krieg ist, der schon mit dem nächsten Zufall den Tod bringen kann. Thomas Hajduk /
Wertung: *
* * * * (5 von 5)
Filmdaten Das Boot (Bundesrepublik Deutschland 1981; als Director's Cut: 1997) Titel für den englischsprachigen Markt: The Boat Regie: Wolfgang Petersen;
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