04.12.2023

Wer ist der "Kandidat der Mandschurei"?

Botschafter der Angst

Gut zehn Jahre nach der Kommunistenverfolgung in den USA und ein Jahr vor John F. Kennedys Tod kam 1962 dieser Film in die Kinos. Kennedys Ermordung führte dazu, dass "Botschafter der Angst" kurze Zeit aus dem Programm genommen wurde, denn an seinem Ende gibt es ein Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten. Dieser Finish ist äußerst spannend inszeniert (Regie: John Frankenheimer). Denn ein Mann, Major Bennett Marco (Frank Sinatra in Topform), versucht alles, um den Anschlag zu verhindern. Er ist nicht mal ein Polizist, sondern ein Army-Veteran, der den Attentäter seit dem Korea-Krieg gut kennt und entdeckt, dass dieser nach einer Gehirnwäsche nichts für die Fremdsteuerung durch Kommunisten kann.
Kommunisten? Ist der Film ganz im Sinne des 1957 verstorbenen Joseph McCarthy, desjenigen Senators, der die Kommunistenjagd in den USA forciert hatte? Ja und nein. McCarthy sorgte für ein System aus Bespitzelung und Denunziation, ein System, das gegen alle gerichtet gewesen ist. Aber die Bedrohungslage, zeigt der Film, war sehr wohl da.

Im Original heißt der Film "The Manchurian Candidate". Die Mandschurei ist das Gebiet Chinas, das an Nordkorea grenzt. 1950 bis 1953 fand der Korea-Krieg statt. Die US-Amerikaner versuchten, genauso wie später in Vietnam, gegen den Kommunismus vorzugehen, Korea zu befreien. In diesem Krieg spielt der Film anfangs. Major Bennett Marco, Raymond Shaw und andere Army-Offiziere geraten in einen Hinterhalt und werden entführt. Was sie im Nachhinein nicht wissen. Gehirnwäsche. Marco und die anderen sagen aus, dass Shaw sie alle heldenhaft gerettet habe. Aber so war es nicht. Shaw, der spätere Attentäter, wird ganz in Gegenteil zur Mordmaschine "umprogrammiert". Unter Hypnose wird er in den Vereinigten Staaten Morde begehen – und weiß das nicht. Marco kommt allmählich dahinter. Shaw wird von Laurence Harvey gespielt, der 1973 an Krebs starb und uns heutzutage nur noch durch diesen Film und eine "Columbo"-Folge bekannt ist. Harvey spielte dort einen mörderischen Schach-Großmeister.

Shaw, nach seiner vermeintlichen Heldentat in den USA hochdekoriert, wird von seiner Mutter drangsaliert. Diese wird von der im Vergleich zu Harvey nur drei Jahre älteren Angela Lansbury dargestellt. Nicht ihre Serienrolle in "Mord ist ihr Hobby", ihre Rolle in diesem Film ist die Rolle ihres Lebens, sie spielt perfekt die hinterhältige Frau eines Vizepräsidentschaftskandidaten (James Gregory), der, konservativ, an McCarthy angelehnt ist. Denn das Ehepaar Iselin geht rücksichtslos gegen Leute vor, die im Ruf stehen, Kommunisten zu sein. Donald Trump lässt grüßen.

Angela Lansbury spielt nicht die weibliche Hauptrolle, sondern Janet Leigh ("Psycho", zwei Jahre zuvor, 1960, gedreht). Dies erscheint problematisch. Leighs Job ist undankbar, sie hat nicht viel zu tun, ist nur Beiwerk, selten zu sehen. Ihre Eugenie Rose Chaney wird als Reisebekanntschaft Marcos Geliebte. Die Rolle ist so klein und unwichtig, sie zu streichen, würde das Publikum nicht bemerken. Und anderes am Film muss kritisiert werden. Es hat mit den Iselins zu tun, mit ihren Absichten, die hier nicht verraten werden können. Es ist nichts so, wie es scheint. Jedenfalls ist die Titelfigur, der "Kandidat der Mandschurei", nicht Harveys Figur Shaw.

Der Film hat aber Stärken: Er baut sich ruhig auf in einer stets mitschwingenden Drohkulisse. Dies hat Regisseur Frankenheimer hervorragend in Szene gesetzt. Der Zuschauer weiß früh von der Gehirnwäsche. Eine Szene, die lange geschnitten war. Unter Hypnose stellen sich Marco und die anderen die Präparierung in einem Hörsaal teilweise als Damenkränzchen vor. Dies war in Deutschland lange nicht zu sehen. Man erkennt die Restaurierung an den deutschen Untertiteln.

Jonathan Demme drehte 2004 ein im Original gleichnamiges Remake vor dem Hintergrund des Irak-Kriegs mit Denzel Washington (der deutsche Verleihtitel ist dem Originaltitel angepasst, "Der Manchurian Kandidat").  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

Botschafter der Angst
(The Manchurian Candidate)

USA 1962
Regie: John Frankenheimer;
Darsteller: Frank Sinatra (Major Bennett Marco), Laurence Harvey (Raymond Shaw), Janet Leigh (Eugenie Rose Chaney), Angela Lansbury (Mrs. Eleanor Shaw Iselin), Henry Silva (Chunjin), James Gregory (Senator John Yerkes Iselin), Leslie Parrish (Jocelyn Jordan), John McGiver (Senator Thomas Jordan), Khigh Dhiegh (Dr. Yen Lo), James Edwards (Corporal Allen Melvin), Douglas Henderson (Colonel Milt), Albert Paulsen (Zilkov), Barry Kelley (Verteidigungsminister) u.a.;
Drehbuch: George Axelrod, John Frankenheimer nach dem Roman von Richard Condon; Produzenten: George Axelrod, John Frankenheimer; Kamera: Lionel Lindon; Musik: David Amram; Schnitt: Ferris Webster;

Länge: 126 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; westdeutscher Kinostart: 1. März 1963



Artikel empfehlen bei:  Mr. Wong Delicious Facebook  Webnews Linkarena  Hilfe

© filmrezension.de

home
  |  regisseure/schauspieler   |  e-mail
 über uns  |  impressum  


 
Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

Drucken

Artikel empfehlen
Mr. Wong Delicious Facebook Webnews Linkarena 
Hilfe