07.05.2000
"It's the same old song..."
Blood Simple - Director's Cut
Hitchcock wäre neidisch gewesen.
Die Coen-Brüder Ethan und Joel haben 1984 mit ihrem Debütfilm "Blood Simple" ein Meisterwerk vorgelegt, das seinesgleichen sucht. Suspense in Reinform. Doch wer wird sich den Film damals angesehen haben? Völlig gerechtfertigt bringen die mittlerweile etablierten Coens ihr frühes Werk 1999 noch einmal in die Kinos. Obwohl der sogenannte "Director's Cut" nur minimal von der ursprünglichen Fassung abweicht, so lohnt sich der Kinobesuch ohne Frage. ![]() Filme der Coen-Brüder sind nicht immer leicht verdaulich. Die Gewaltdarstellung ist zwar nicht oft explizit, aber psychologisch recht wirkungsvoll. Das im Titel erwähnte Blut fließt zwar, doch nicht literweise wie in so manchen Action- oder Splatterfilmen. Viel heftiger ist eigentlich das, was die Coen-Brüder ihren Figuren zutrauen. Da entpuppt sich z.B. der nette Zimmernachbar aus "Barton Fink" (1991) als wahnsinniger Serienkiller, der auch mal Menschen zerlegt. In "Fargo" (1996), ihrem erfolgreichsten Film (angeblich von einer wahren Begebenheit inspiriert), läßt ein naiver Mann seine Frau entführen, ohne sich viel dabei zu denken, und die Entführer haben keine Probleme damit, eine Leiche durch den Häcksler zu jagen. Ähnlich übersteigert, aber dennoch nicht gleich unglaubwürdig, reagieren auch die Charaktere aus "Blood Simple", sobald sie unter Druck gesetzt werden. Das schwankt zwischen naturalistischer Darstellung und grotesker Übertreibung. Manchmal weiß man in Coen-Filmen nicht so recht, wann man lachen darf. Witze tauchen in den seltsamsten Momenten auf. Und in einigen Szenen wird eine schwer definierbare Stimmung aus Unbehagen, düsterer Absurdität und Situationskomik geschaffen. Selbst in der größtenteils beschwingten Komödie "Hudsucker" (1994) gibt es ein paar bedrohlich wirkende Szenen. Doch zurück zum Director's Cut von "Blood Simple". Eine vergnügliche Ansage ist dem vorausgestellt. Der ältere, gutsituierte Sprecher erinnert an den Erzähler aus der "Rocky Horror Picture Show" und erklärt uns, die langweiligen Stellen seien aus dem Original herausgeschnitten worden. Die langweiligen Stellen?! Angeblich soll es sich um 4 Minuten handeln - doch wo sind die in der alten Fassung? Normalerweise wäre da Kritik fällig, wenn jemand sein altes Werk kaum verändert noch einmal auf den Markt wirft, um damit erneut Geld zu verdienen. Doch in dem Fall mag man es, wie gesagt, verzeihen.
Besonders fällt bei diesem Film die Farbkomposition ins Auge, es dominieren ein kühles Blau und hitzige Rottöne, selten auch Gelb. Das kann mit der typischen Neonlicht-Ästhetik der 80er zusammenhängen, wird allerdings überraschend konsequent durchgehalten. Auch sonst wird hier nichts dem Zufall überlassen. Geredet wird nicht allzu viel, die sparsamen Dialoge sind trocken bis markig. Es gibt mehrere "Running Gags" und Wiederkennungseffekte, die für die Handlung von Bedeutung sind. Nebengeräusche werden intelligent verwendet, so weiß der Zuschauer beim Piepsen des prähistorischen Computers sofort, wo er sich gerade befindet. Musik ist oftmals in die Handlung involviert, z.B. wenn die Jukebox spielt. An das große Vorbild Alfred Hitchcock wird man mehr als einmal erinnert. In Martys Wohnung sind ausgestopfte Tiere wie etwa ein Wildschwein zu sehen - verweist das nicht schon auf einen Psychopathen? Doch davon gibt es hier ja mehrere. Ebenfalls wird Hitchcock auf dem Cover des Verleihvideos zitiert, wie langwierig und mühevoll ein Mord sei. Das konnten uns die Coen-Brüder mehr als einmal beweisen.
Jessica Ridders
/ Wertung:
* * * * *
(5 von 5)
Quelle der Fotos: (im Rahmen der Wiederaufführung 2017) Studiocanal GmbH Filmdaten Blood Simple - Director's Cut (Blood Simple) deutscher Alternativtitel: Blood Simple - Eine mörderische Nacht USA 1984/1999
Regie: Joel Coen; Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen;
Produktion: Ethan Coen; Kamera: Barry Sonnenfeld; Musik: Carter Burwell;
Länge: 95 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; Wiederaufführung 2017 als Director's Cut ab 5. Oktober 2017 Auszeichnungen: Großer Preis der Jury beim Sundance Film Festival 1985, Independent Spirit Awards 1986 (Joel Coen als Bester Regisseur, M. Emmet Walsh als Bester Darsteller), Festival Internacional de Cinema do Porto (Fantasporto) 1986 (Publikumspreis für Joel Coen)
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