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13.09.2013
Blick in den Abgrund - Profiler im Angesicht des Bösen
Die Beschäftigung mit dem Abgründigen ist schon seit jeher Thema in der Kunst. Im Erzählkino wird das Dunkle, Unerklärbare, Mysteriöse, ja bisweilen irrational Perverse und mit der menschlichen Ratio nicht mehr Fassbare und oftmals nicht mehr Zumutbare zumeist im Genre des Horrorfilms, des Mystery-Thrillers, des Splatter Movies verhandelt. Freilich mit durchaus unterschiedlichen Akzentuierungen, Variationen wie Motivationen und freilich mit differierenden filmästhetischen Mitteln. Vergleichbar harmlos und unschuldig muten da noch die Filme der Surrealisten des frühen Luis Bunuel oder Man Ray an, die sich auch der sicherlich in jedem verborgenen menschlichen Gewalt, dem Urtrieb Gewalt und dessen Folgen nähern wollten, oder zumindest möglichen Erklärungsversuchen nachgingen. Gesellschaftliche Minipsychogramme, zarte, wenn auch nicht bahnbrechende Deutungsversuche und Beobachtungen sind gleichsam entstanden.Investigative Gewaltforschung und deren komplexe, kaum vollständig aufzudröselnde Verschachtelungen wie Unwägbarkeiten, ist im Dokumentarfilm in den späten 1980er Jahren von Errol Morris betrieben worden. In "The Thin Blue Line" (1988) oder "Canyon Cop" (1991) legt er die Verstrickungen und Ungeklärtheiten von Gewaltdelikten offen, wobei er primär auf die Unzulänglichkeiten des US-amerikanischen Rechtssystems abhebt, und die Arbeit der Exekutive zu hinterfragen sucht. Morris verlässt ganz selbstbewusst die konventionelle dokumentarfilmtypische Sprache, indem er sein Material inszeniert, Dramaturgien und Spannungsbögen, auch Suggestionen setzt, die manchem Dokumentarfilmpuristen wenig schmecken dürften. Kollege Werner Herzog hat 2011 und 2012 das Thema menschlicher Gewalt in seinen Filmen "Into the Abyss" (2011) und "On Death Row" (2012) behandelt. Er schildert, das Leben von jenen, die Angehörige durch Gewaltverbrechen verloren haben, oder begibt sich in direkte Konfrontation mit den Tätern, um nach Motiven für ihr Handeln zu suchen.
Sympathisch auch, wenn die Filmemacherin die offenen oder subtilen Spannungen mitteilt, die im Umfeld der Profiler zwangsläufig auftreten, ohne dabei einen aufdringlichen wie effektheischerischen Blick in die Beziehungsgeflechte zu werfen. Herausgekommen sind schlüssige, belangvolle wie auch anrührende Porträts von Menschen, die einer Aufgabe nachgehen, die ohne Zweifel nichts für Dünnhäuter ist. Klar geworden ist, dass alle nur durch ihre eigens entwickelten Mechanismen imstande sind, diesen Beruf durchzustehen. Sehen die einen darin mehr oder weniger ihre Lebensaufgabe, hadern die anderen bisweilen damit. Der Film ist kraftvoll, ausbalanciert, schneidet essentielle Themen nachhaltig an. Einzig der Titel, insbesondere der Untertitel, ist in seiner reißerischen, eigentlich fernsehaffinen Formulierung, nicht nötig angesichts der inhaltlichen wie formalen Stärke. Sven Weidner /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Real Fiction Filmverleih Filmdaten Blick in den Abgrund - Profiler im Angesicht des Bösen Österreich / Deutschland 2013 Regie: Barbara Eder; Mitwirkende: Stephan Harbort (Deutschland), Helinä Häkkänen-Nyholm (Finnland), Brigadier Gérard N. Labuschagne (Südafrika), Helen Morrison (USA), Robert R. Hazelwood (USA), Roger L. Depue (USA) u.a.; Länge: 88,23 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Real Fiction Filmverleih; deutscher Kinostart: 23. Januar 2014
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