04.06.2013
Berberian Sound Studio
"Eine neue Geräuschwelt erwartet Sie", eröffnet der aalglatte Regisseur Gianfranco Santini (Antonio Mancino) dem schüchternen Tontechniker Gilderoy (Toby Jones), den er für sein jüngstes Werk aus England engagiert hat. Das gleiche Versprechen gibt Peter Strickland dem Publikum seiner sinistren Symphonie aus Genre-Hommage und Psychothriller. Und beide Regisseure halten Wort.
Oder ist es das Alltagsszenario in der italienischen B-Movie-Schmiede, wo Sexismus und Monetarismus regieren? Der Begriff "Exploitation" gilt in den beklemmenden Fluren des Titelschauplatzes nicht nur für die Gialli, die dort entstehen, sondern das Angestelltenverhältnis. Die Synchronsprecherinnen Silvia (Fatma Mohamed) und Veronica (Susanna Cappellaro), die wie damals im Genrekino gängig nachträglich die Tonspur zum fertigen Bildmaterial liefern, müssen neben Francescos abfälligen Kommentaren Santinis Belästigungen erdulden. Das Anwerben attraktiver Sprecherinnen, von denen keine lange das erniedrigende Umfeld erträgt, übernimmt der junge Fabio (Salvatore Li Causi). Der Sohn eines "einflussreichen Regisseurs", dessen Kaprizen man wegen seines Vaters toleriert, sieht das Studio als Spielplatz. Der alternde Gilderoy, der in seinem Heimatort mit dem sprechenden Namen Dorking bei Mutter wohnt, erlebt sie als Folterkammer. In solch eine verwandelt er den Aufnahmeraum durch ein paar kleine Drehungen am Mischpult. Alles im Sinne der Produktion, versichert Francesco, der mittels der peinvollen Geräuschkulisse der Neubesetzung Elisa (Chiara D'Anna) einen effektvollen Schrei entlocken will.
Die krabbelt über das Tonpult als eines der von Strickland genüsslich zitierten Genremotive, die dem elliptischen Kammerspiel seinen visuellen Reiz verleihen. Im "Berberian Sound Studio", das die Handlung nie verlässt, begleiten akustischen Akzente intensive Farbdramaturgie und surreale Bilder: Sonometer, eine schwarz behandschuhte Hand, faulendes Gemüse und immer wieder das Schild "SILENZIO". Es leuchtet rot wie die Farbpalette von Argentos "Profondo Rosso", rot wie Blut, das fließen muss. Doch in der Synchronrealität ist der Tod nur ein stummer Schrei auf der unergründlichen Leinwand, von der Gilderoy ebenso wenig den Blick wenden kann wie der Zuschauer. Lida Bach /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Rapid Eye Movies Filmdaten Berberian Sound Studio (Berberian Sound Studio) Großbritannien / Deutschland 2012 Regie & Drehbuch: Peter Strickland; Darsteller: Toby Jones (Gilderoy), Tonia Sotiropoulou (Elena), Susanna Cappellaro (Veronica), Cosimo Fusco (Francesco), Antonio Mancino (Santini), Fatma Mohamed (Silvia), Guido Adorni (Giovanni), Chiara D’Anna (Elisa), Eugenia Caruso (Claudia), Lara Parmiani (Chiara), Salvatore Li Causi (Fabio) u.a.; Produzenten: Mary Burke, Keith Griffiths; Koproduzent: Hans Geißendörfer; Kamera: Nicholas D. Knowland; Musik: Broadcast; Original mit deutschen Untertiteln; Länge: 92,02 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Rapid Eye Movies HE GmbH; deutscher Kinostart: 13. Juni 2013
Artikel empfehlen bei:
![]() ![]() ![]() ![]() |
|