08.09.2011

Zeitüberdauerndes Filmepos der großen Meisterklasse

Ben Hur (1959)

Man mag ja dem großen Hollywood-Kino ab und an kritisch gegenüberstehen, aber bei einem Film wie "Ben Hur" müssen alle Zweifler schweigen. Die große schauspielerische Leistung, die unheimlich aufwendig erbauten, minutiös ausgearbeiteten Sets – man denke an das monumentale Quadrigarennen oder die Seeschlacht der Galeerenschiffe (15 Millionen Dollar hat die Produktion gekostet, 75 Millionen eingespielt) – und das immer die Menschheit bewegende Thema der zwischenmenschlichen Vergebung, die in diesem Film mit Sendungsbotschaft religiös eingebettet ist in das Leben Christi, machen den Film zum Meisterwerk.

Eine schwer nachvollziehbare Kritik an dem Film wurde an der angeblich oberflächlichen Behandlung des religiösen Themas geübt – wobei gerade das ausnehmend gut gelungen ist. Der einzige religiöse Schnörkel, den sich der Film leistet, ist die leise Orgelmusik, die im Hintergrund ertönt, wenn es um ausdrücklich christliche Referenzen geht. Ansonsten verzichtet er auf oberflächlichen Pathos und geht an die Substanz der christlichen Botschaft: Liebe Deinen Feind.

Feinde sind sie – so unerbittert, und leidenschaftlich wie sie als Kinder innig befreundet waren: der jüdische Fürst Judah Ben-Hur und der römische Tribun und Befehlshaber Messala. Zu Beginn des ersten Jahrhunderts, als sich die Lehren des Nazareners Christus zu verbreiten beginnen, treffen die beiden in Jerusalem erstmals als Freunde wieder aufeinander. Und wenn es ein Schauspieler vermag, das Publikum an seinen Gefühlen teilzuhaben, dann ist es ein Charlton Heston – seine Augen, sein Gesicht, seine Haltung strahlen förmlich die tiefe Zuneigung aus, so wie sie später den fast körperlich-animalischen Hass zur Schau tragen.

Judah und Messala sehnen sich nach der früheren Verbundenheit (der am Drehbuch mitwirkende Gore Vidal will einen homosexuellen Subtext mit eingearbeitet haben, wobei Messala den Abgewiesenen darstellen soll), dennoch lassen unterschiedliche politische Einstellungen die beiden zu ärgsten Feinden werden: Messala verrät die Freundschaft, indem er Judah dazu bringen will, gegen Rom Widerstand leistende Juden zu denunzieren. Messalas enthumanisierter Ehrgeiz und blinder Glaube an das fortschrittliche Rom lassen ihn skrupellose Mittel verwenden. Ein Vorwand reicht, um aus Judah einen zum Tode geweihten Galeerensklaven zu machen, die Mutter und Schwester für Jahre ins letzte vergessenste Gefängnisverlies wegzusperren. Auch von seiner Verlobten Esther wird Judah damit für Jahre getrennt.

Gott hat aber andere Pläne mit Judah Ben-Hur. Während einer Seeschlacht entkommt er aus der Galeere, rettet das Leben des Konsuls Quintus Arrius, wird sein Adoptivsohn und erlernt im römischen Circus Maximus das Quadrigarennen. Mit der neuen Identität kehrt er zurück nach Judäa zu seinem erbittertsten Feind, um Rache zu nehmen, und um seine Familie zu retten. Er besiegt Messala im Rennen, aber der vom Hass zerfressene Römer sorgt kurz vor seinem Ableben noch dafür, dass das üble Band der Feindschaft erhalten bleibt und den Tod überdauert.

Immer wieder berühren sich auch die Leben von Judah und Jesus: Als dem versklavten Judah nach einem Höllenmarsch durch die Wüste der Tod durch Verdursten droht, rettet ihn Jesus. Später, als der gefolterte Jesus unter seinem Kreuz zusammenbricht, reicht Judah ihm Wasser. Diese Begegnungen sind kurze mystische Momente, wo das göttliche Wesen (dessen Gesicht wir nie zu sehen bekommen) in den im Zorn Gefangenen förmlich hineinleuchtet. Auch in der vorangegangenen Verfilmung "Die Zehn Gebote" vermochte es Charlton Heston die Spiritualität und Vergeistigung des Moses so nachvollziehbar zu gestalten.

Der Film "Ben Hur" trägt die Kunde, dass der Bann des Hasses gebrochen werden kann. Dass Hass ein emotionales Gefängnis ist, das Leben lähmt und Liebe an den Rand drängt. Der Regisseur William Wyler strebte eine religiös übergreifende Botschaft an den Zuschauer an: den universellen Glauben an die Kraft der Vergebung, die heilt und zum Menschsein zurückführt.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * * * (5 von 5)



Filmdaten

Ben Hur (1959)
(Ben-Hur)

Alternativtitel: Ben-Hur: A Tale of the Christ
USA 1959
Regie: William Wyler;
Darsteller: Charlton Heston (Judah Ben-Hur), Stephen Boyd (Messala), Haya Harareet (Esther), Martha Scott (Miriam), Cathy O‘Donnell (Tirzah), Jack Hawkins (Quintus Arrius), Hugh Griffith (Scheich Ilderim), Finlay Currie (Balthasar / Erzähler), Frank Thring (Pontius Pilatus), Robert Brown, Giuliano Gemma, Ferdy Mayne u.a.;
Drehbuch: Karl Tunberg nach dem Roman von Lew Wallace; Produktion: Metro Goldwyn Mayer; Produzenten: Sam Zimbalist, J.J. Cohn, William Wyler; Ausführende Produzenten: Sol C. Siegel, Joseph Vogel; Kamera: Robert L. Surtees; Musik: Miklos Rozsa;

Länge: 212 Minuten; westdeutscher Kinostart: 14. Oktober 1960

Auszeichnungen:
11 Academy Awards (Oscars), u.a. Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller, Beste Musik



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