27.02.2014
Das große Krabbeln

Antboy


"Es gibt viele, die es gut finden, normal zu sein", klagt der 12-jährige Pelle zu Beginn von Ask Hasselbalchs originellem Kinderabenteuer. "Ich dagegen habe die Nase voll davon." Wie gerufen kommt da die genmanipulierte Ameise, die den unscheinbaren Außenseiter beißt, als er sich vor zwei Rowdys versteckt. Mit Verstecken ist Schluss dank der außergewöhnlichen Veränderungen, die Pelle an sich entdeckt und im Kampf für das Gute nutzt: als unerschrockener "Antboy".

Antboy: Filmplakat Wirklich schwer hat es der ungewöhnliche Held (Oscar Dietz) des gelungenen Kinodebüts nicht, aber eben auch nicht einfach. Keiner beachtet oder bemerkt ihn, am wenigsten seine hübsche Klassenkameradin Amanda (Cecilie Alstrup Tarp). Dafür wirft ein anderer Mitschüler ein wachsames Auge auf Pelle, seit der versehentlich eine Tür zu Kleinholz verarbeitet und den rauen Sportlehrer bei einer Kampfübung in die Matten schleudert. Pelles Mitschüler Wilhelm (Samuel Ting Graf) erkennt dank seiner umfangreichen Comic-Lektüre rasch, dass es mit Pelles plötzlicher Stärke Besonderes auf sich hat. Riesenkraft? Supergeruchssinn? Wände hochklettern? Säureurin? Alles vorhanden. Betrachtet man dazu Pelles übermäßigen Appetit auf Zuckerhaltiges, lässt das nur eine Diagnose zu: klarer Fall von Superheldentum! Schon der dynamische Vorspann, der von einer Comicseite zur nächsten springt und die Vorgeschichte der aufregenden Ereignisse als Hommage an Action-Comics erzählt, verrät, wer die Vorbilder des Regiedebütanten und seines Drehbuchautors Anders Ølholm sind: die Schöpfer der Charaktere, die der nerdige Wilhelm als Actionfiguren in seinem Zimmer in einer Vitrine ausgestellt hat.

Antboy Wie Hellboy, Spiderman, Superman und Co. braucht ein echter Superheld drei Dinge, um nicht auszusehen, wie vom Kinderkostümfest übriggeblieben: ein Superkostüm, einen Supernamen und einen Superschurken, gegen den er antreten kann. Diese Rolle übernimmt der Ex-Wissenschaftler Dr. Gæmelkrå (Nicolas Bro), der wie alle gelungenen Antagonisten eine komplexere Motivation als Machtgier oder Bosheit hat. Er arbeitete in der Forschungsabteilung eines führenden Pharmazie-Konzerns, der von Amandas selbst wenig vertrauenswürdig wirkendem Vater geleitet wird. Die Kürzung von Finanzmitteln beendete seine Erfolge und die Heilungsaussichten für seine todkranke Mutter. Ein Selbstversuch mit einem Insekt aus der Kolonie, der auch die mutierte Ameise entkam, verwandelt den frustrierten Wissenschaftler in den Verbrecher Der Floh. Auf Rache sinnend entführt er die zum Rettungsopfer prädestinierte Amanda – doch er hat die Rechnung ohne Antboy gemacht! Der gewitzte Kinderfilm spielt mit der gängigen Superhelden-Folklore nicht nur, sondern variiert sie mitunter amüsant. Besser als mit der gezierten Amanda versteht Pelle sich mit ihrer mutigen Schwester Ida (Amalie Kruse Jensen). Sie interessiert genau wie Wilhelm, der mit Brille und 50er-Frisur nicht zufällig wie eine kindliche Version von Clark Kent alias Superman aussieht, nicht nur der bald allseits bewunderte Antboy, sondern der Junge hinter der Maske.

Antboy Er hat nach dem unvermeidlichen Höhenflug aufgrund seiner Popularität wie bisher an alten Minderwertigkeitsgefühlen zu knabbern. Anders als bei Süßigkeiten, die seine Energiespeicher mit Ameisenkraft auffüllen, machen ihn die emotionalen Brocken im entscheidenden Moment nicht stärker, sondern schwächer als er zuvor war. Besondere Fähigkeiten bergen stets auch besondere Verantwortung. Diese für ältere Zuschauer recht abgegriffene, aber für das mit dem Genre weniger vertraute Kinderpublikum stimmige Botschaft vermittelt die Leinwandversion von Kenneth Bøgh Andersens erfolgreicher Kinderbuchreihe, ohne den augenzwinkernden Humor und das straffe Tempo auszubremsen. Der Floh hat diesen Grundsatz nicht verinnerlicht, was die Handlung direkt auf sein von einem einzelgängerischen Blutsauger herstammendes Alias zurückführt. Eine Ameise hingegen ist zwar eine unter vielen, aber wie Antboy erkennt, dabei unter Freunden. Und die sind es letztendlich, die jemand Gewöhnliches erst zu einem Helden machen – ob er Superkräfte hat oder nicht.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: MFA; Fotograf der Szenenbilder: Rolf Konow

 
Filmdaten 
 
Antboy (Antboy) 
 
Dänemark 2013
Regie: Ask Hasselbalch;
Darsteller: Oscar Dietz (Pelle Nøhrmann / Antboy), Nicolas Bro (Dr. Gæmelkrå / Der Floh), Samuel Ting Graf (Wilhelm), Amalie Kruse Jensen (Ida), Cecilie Alstrup Tarp (Amanda), Kenneth Bøgh Andersen (Bestyrer), Lærke Winther Andersen (Mor), Aske Bang (Tasketyv) u.a.;
Drehbuch: Anders Ølholm nach den Büchern von Kenneth Bøgh Andersen; Produzenten: Birgitte Hald, Eva Jakobsen, Lea Løbger; Kamera: Niels Reedtz Johansen; Schnitt: My Thordal;

Länge: 79,59 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von MFA; deutscher Kinostart: 27. März 2014



Artikel empfehlen bei:  Mr. Wong Delicious Facebook  Webnews Linkarena  Hilfe

© filmrezension.de

home
  |  regisseure/schauspieler   |  e-mail
 über uns  |  impressum  


 
 
 
 
 
Homepage der Verleihfirma
MFA
<27.02.2014>


Zitat

"Die erste Frage war immer, ob ich aus dem Osten oder Westen bin. Hätte man auch googeln können."

Regisseur Wolfgang Becker (22. Juni 1954 - 12. Dezember 2024), Regisseur von "Good Bye, Lenin!", über Interviews zum Film

Drucken

Artikel empfehlen
Mr. Wong Delicious Facebook Webnews Linkarena 
Hilfe