17.02.2013
Aus dem Leben eines Schrottsammlers
![]() Die dort leben, sind Roma, denen selbst die staatliche Grundversorgung verwehrt ist: eine Pension, Kindergeld, eine Krankenversicherung. So auch Senada, die dringend medizinische Behandlung braucht. "Wenn Sie wollen, dass ihre Frau den Eingriff bekommt, müssen Sie bezahlen", erklärt der Arzt und zieht Nazif die Tür zum Behandlungsraum vor der Nase zu. Zahlen müssen Nazif, seine hochschwangere Frau und die kleinen Töchter, egal was sie tun: entweder mit Geld oder mit Senadas Leben. Das Kind ist in ihr gestorben. Jeder Tag steigert die Gefahr einer Sepsis. Was das Leben Senadas dem Staat Wert ist, kann Nazif am Ende auf den Rechnungen für Krankenhaus und Medikamente zusammenaddieren. Es ist eine beschämende und niederschmetternde Gleichung, deren Endsumme soziale Verantwortungslosigkeit und ein Institutionalismus bar jeder Ethik und Gewissenhaftigkeit ist. Die Endwürdigung eines Menschen durch ein Versorgungssystem, das dieser Bezeichnung grausamen Hohn spricht, enthüllt "An Episode in the Life of an Iron Picker" in quälend authentischen Bildern.
Die Protagonisten erfahren jeden Tag was es bedeutet, nicht nur am Rand der Gesellschaft zu stehen, sondern außerhalb. Mehr noch, scheinen sie aus Sicht der übrigen Bevölkerung darunter zu stehen. Aus der Teilnahmslosigkeit und sturen Formalität, mit der die schwangere Senada und ihr Mann abgewiesen werden, spricht eine fundamentale Verachtung für ihre Person und Ignoranz gegenüber ihrer Menschenwürde. Letzte entdeckt Tanovic dafür an dem Ort, wo Armut und Verwahrlosung am eklatantesten sind. Die Roma-Gemeinschaft zeigt den Unterstützungswillen und die Empathie, die jenseits des ärmlichen Außenbezirks nahezu verloren scheint. "Kein System ist inhuman, solange es gute Menschen unter uns gibt", sagt Tanovic mit hoffnungsvollem Blick auf den letzten Rest sozialen Zusammenhalts. Nach dem Ansehen seines verstörenden Dramas fällt es schwer, dem zu glauben. Lida Bach /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Berlinale Filmdaten Aus dem Leben eines Schrottsammlers (Epizoda u zivotu beraca zeljeza) Bosnien und Herzegowina / Frankreich / Slowenien 2013 Regie & Drehbuch: Danis Tanovic; Darsteller: (als sie selbst:) Senada Alimanovic, Nazif Mujic, Sandra Mujic, Semsa Mujic u.a.; Produzenten: Amra Baksic Camo, Cedomir Kolar; Produktion: SCCA/pro.ba, ASAP Films; Kamera: Erol Zubcevic; Schnitt: Timur Makarevic; Länge: 77,45 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von drei-freunde; deutscher Kinostart: 10. Oktober 2013 ein Film im Wettbewerb der 63. Berlinale 2013
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