05.06.2024

Schlaflos

American Graffiti

Nach dem Science-Fiction-Film "THX 1138" (1971) legte sein guter Freund, der Regisseur Francis Ford Coppola, George Lucas nahe, eine andere Art Film zu drehen. Einen Film, der sich wesentlich "warmherziger und menschlicher anfühlte" (Zitat Wikipedia). Lucas, dessen Erfolgsfranchise "Star Wars" dann noch ausstand, entschied sich für die teilweise Nacherzählung des Endes seiner Jugend. Daraus wurde der nostalgische Gefühle ansprechende und damit erfolgreiche Film "American Graffiti" (1973). Vier Freunde kurz vor dem Erwachsenendasein erleben ein und dieselbe Nacht des Jahres 1962 auf unterschiedliche Weise. In Modesto, einer kalifornischen Kleinstadt, leben sie, zwei von ihnen sollen den nächsten Tag zum College fliegen. Das heißt, ihr wohlvertrautes Nest zu verlassen. Curt (Richard Dreyfuss) kommen Bedenken: Möchte er wirklich weg? Steve (Ron Howard, später bekannter Filmregisseur), will weg, obwohl er mit Curts Schwester Laurie (Cindy Williams) scheinbar glücklich zusammen ist. Von ihnen zurückgelassen würden Milner (Paul Le Mat) und Terry (Charles Martin Smith).
Wohldosierte Ereignisse werden die erzählte Nacht bestimmen, Lucas übertreibt nie in der Handlung, alle vier jungen Männer erleben dennoch Unvergessliches – so auch das Kinopublikum.

Stubenhocker sind sie nicht, die vier männlichen Hauptprotagonisten wie auch die Frauen, denen sie begegnen – ganz im Gegenteil, sie werden die Nacht zum Tag machen, auf jeweils unterschiedliche Art, getrennt voneinander. Dabei gelingt es Lucas nicht nur, die jungen Erwachsenen glänzend zu charakterisieren, er kann auch der Nacht ihre eigene eigentümliche Atmosphäre abgewinnen. Richard Dreyfuss' Curt ist Single und sucht vergeblich, wird aber immer wieder in einem Ford Thunderbird eine Blondine sehen, die ihm einmal von einem Autofenster zum anderen "Ich liebe dich" zuhauchen wird. Wie kann er sie wiedersehen? Er findet spät eine Lösung, sie zu kontaktieren. Dabei gehört er längst ins Bett: Sein Abflug steht am nächsten Tag an. Doch da sind Zweifel. Er will nicht mehr weg. Kumpel Steve, gespielt von dem gegenüber Dreyfuss deutlich jüngeren Ron Howard, will weg und ist doch mit Laurie zusammen. Sie werden sich streiten. Das Auto soll in Steves College-Zeit von Terry bewacht und gefahren werden, was für Terry bedeutet, dass sich bald eine junge Frau für ihn interessiert. Ausgerechnet für ihn! Er, genannt "Froschauge", ist vom Aussehen her kein Frauenheld. Und auch nicht mutig und ehrlich, er wird die Frau anlügen. Ein Macho, ein Frauenheld und muskulös, ist Milner, dem Lucas eine zwölfjährige Göre, Carol (Mackenzie Phillips), zum Aufpassen ins Drehbuch schreibt. Ironie von Lucas, denn Milner hätte gerne eine Erwachsene in der Nacht bei sich. Milner wird von einem anderen Macho gesucht, Bob Falfa (Harrison Ford in einer Han-Solo-ähnlichen Rolle), damit beide sich ein Autorennen liefern können.

Die Stimmung des Jahres 1962 fängt Lucas als Regisseur und Co-Drehbuchautor ein, indem er auf Aspekte der Jugend der Zeit setzt. Als zuschauender Nachgeborener fragt man sich zunächst: Warum fahren sie alle im Film so überaus langsam durch die Straßen? Es ist Absicht. Cruisen ist der Fachbegriff dafür, die jungen Leute zeigen sich so, prahlen mit ihren Autos, sind auf Partnersuche. Oft erfolgreich. Immer unterlegt von musikalischen Klassikern, von Bill Haley und Buddy Holly über die Beach Boys bis hin zu Chuck Berry. Es sind 40 verschiedene Rock'n'Roll- oder Popsongs, die dem Film bei seiner Stilfindung helfen. Ein Stil, dem zuzusehen Freude macht, weil alle beteiligten Protagonisten in ihren Abenteuern der Nacht Interessantes erleben. Einer der vier jungen Männer wird am Ende denken: Nichts wie raus aus Modesto, nichts wie raus aus dem miefigen Nest, und man wird es als Zuschauer verstehen!

Nach dem großen kommerziellen Erfolg wurde noch eine Fortsetzung gedreht, "More American Graffiti" (1979), von George Lucas produziert, aber nicht inszeniert: Die Regie übernahm Bill L. Norton.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

American Graffiti
(American Graffiti)

USA 1973
Regie: George Lucas;
Darsteller: Richard Dreyfuss (Curt), Ron Howard (Steve), Paul Le Mat (John), Charles Martin Smith (Terry), Cindy Williams (Laurie), Candy Clark (Debbie), Mackenzie Phillips (Carol), Wolfman Jack als er selbst, Bo Hopkins (Joe), Manuel Padilla Jr. (Carlos), Beau Gentry (Ants), Harrison Ford (Bob Falfa), Suzanne Somers (blonde Frau im Thunderbird) u.a.;
Drehbuch: George Lucas, Gloria Katz, Willard Huyck; Produzent: Francis Ford Coppola; Kamera: Jan D'Alquen, Ron Eveslage; Schnitt: Verna Fields, Marcia Lucas, George Lucas;

Länge: 110 Minuten; westdeutscher Kinostart: 23. August 1974



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"Sie ist unermüdlich in ihrer Suche nach Perfektion. Sie arbeitet so lange an einer Figur, bis sie sie richtig erfasst hat."

Regisseur Anthony Page über die verstorbene Schauspielerin Maggie Smith (28. Dezember 1934 - 27. September 2024)

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