16.04.2022

Alles ist gutgegangen


Bis der erlösende Titelsatz fällt, braucht es eine zermürbend lange Zeit. Nicht nur für die beiden Protagonistinnen, die ihrem Vater nach einem Schlaganfall qualvolles Siechtum ersparen wollen, sondern auch für das Publikum, das den hürdenvollen Weg zum Freitod Schritt für Schritt mitgehen muss. Diese mühsame Reise wäre nicht so frustrierend, hätte François Ozon ein dramatisches oder gesellschaftspolitisches Ziel vor Augen. Doch die auf den Memoiren der Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim basierende Handlung generiert weder psychologisch noch gesellschaftlich, medizinisch oder sozialpolitisch ansatzweise Erkenntnisse. Diese dramatische Stagnation spiegelt die beschränkte Perspektive des Regisseurs auf die komplexen familiären, juristischen und ethischen Implikationen der kontroversen Thematik.

Letzte verkümmert durch diesen doppelten Mangel an dramatischer Aufarbeitung und realitätsbezogener Hintergründigkeit zum Relevanz-Etikette elitärer Melodramatik. Dass die von Autorin Emmanuèle (Sophie Marceau) und ihrer älteren Schwester Pascale (Géraldine Pailhas) für Vater André (André Dussolier) ersuchte Sterbehilfe ein Wohlstandsprivileg ist, erschließt sich bestenfalls indirekt. Das Geschäft mit der Hoffnung Leidender wird genauso ausgeblendet wie die monetäre Motivation zwanghafter Lebensverlängerung seitens eines profitorientierten Krankenhausapparats. Die permanent behauptete Liebe der Töchter zu ihrem manipulativen Vater bleibt ebenso unverständlich wie ihre Ablehnung der Mutter (Charlotte Rampling). Spekulative Selbstdarstellung verwischt zur akkurat inszenierten und gespielten Rechtfertigung, deren vermeintliche Notwendigkeit die dramatischen Leerstellen unterstreicht.  

Lida Bach / Wertung: * * (2 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
Alles ist gutgegangen (Tout s'est bien passé) 
 
Frankreich 2021
Regie: François Ozon;
Darsteller: Sophie Marceau, André Dussollier, Géraldine Pailhas, Charlotte Rampling, Éric Caravaca, Hanna Schygulla, Grégory Gadebois, Judith Magre, Jacques Nolot, Daniel Mesguich, Nathalie Richard, Annie Mercier, Denise Chalem, François Perache, Catherine Chevallier, Quentin Redt-Zimmer u.a.;
Drehbuch: François Ozon, Philippe Piazzo nach dem Roman von Emmanuèle Bernheim; Produzenten: Eric Altmayer, Nicolas Altmayer; Kamera: Hichame Alaouie; Schnitt: Laure Gardette;

Länge: 108,45 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Wild Bunch; deutscher Kinostart: 14. April 2022



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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