30.09.2010
Comic-Fantasy im Kino

Adèle und das Geheimnis des Pharaos


Adèle und das Geheimnis des Pharaos 1912: Adèle Blanc-Sec (Louise Bourgoin) ist eine toughe junge Frau, die in Ägypten die Mumie eines vermeintlichen Leibarztes des Pharaos Ramses II. stiehlt, oder wie sie sagt: ausleiht. Derweil gelingt es daheim in Paris einem mit Adèle befreundeten Wissenschaftler, einen versteinerten Urzeitvogel zum Leben zu erwecken. Darauf hat Adèle nur gewartet, denn der Mumie soll es genauso ergehen: Sie benötigt die Künste von Patmosis, um ihre Schwester aus dem Wachkoma zu holen. Bis dahin warten auf Adèle einige Abenteuer.
Eine krude Story? Gewiss, aber es handelt sich um eine Comic-Adaption, in der alles erlaubt ist. Die, von Luc Besson in Szene gesetzt, der Vorlage von Jacques Tardi aus dem Jahr 1976 durchaus Ehre macht.

Luc Besson gilt als der Mainstream-Filmtycoon Frankreichs schlechthin. Er hat so viel Macht und will so viel für Frankreichs Kino tun, dass er jetzt in der Pariser Banlieue, ausgerechnet dort, wo vor fünf Jahren die Autos brannten, das größte Filmstudio des Landes errichten lässt. Egal, was der Filmemacher anpackt, als Regisseur ("Léon, der Profi") oder Produzent (die "Taxi"-Filmreihe), es wird zu Gold. Und so läuft auch die 16. Regiearbeit Bessons, "Adèle und das Geheimnis des Pharaos", in Frankreichs Kinos erfolgreich; so erfolgreich, dass ein Sequel kommen wird. Das Ende des Films bereitet bereits die Fortsetzung vor.

Adèle und das Geheimnis des Pharaos: Filmplakat Der nichtssagende deutsche Verleihtitel des Films lässt eine Indiana-Jones-Nachahmung erwarten, – der Nachahmungen anderer Filme dürfte der Kinogänger bereits überdrüssig sein –, aber dem ist nicht so. Zu den Zutaten von "Adèle und das Geheimnis des Pharaos" gehört zwar auch eine Prise Indiana Jones, wenn Adèle eine Mumie aus einer ägyptischen Grabkammer nach Paris mitnimmt und dabei erste Gefahren besteht. Aber Luc Besson als Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion setzt in der Hauptsache auf schrullige Charaktere, die seinen Film bevölkern, so dass man an die Filme Jean-Pierre Jeunets denken muss, vor allem an "Délicatessen": schrullige Charaktere wie der liebenswürdige ältere Wissenschaftler Esperandieu (Jacky Nercessian), der Kraft seiner Gedanken einen Pterodaktylus, einen Flugsaurier, aus seinem versteinerten Zustand im Ei befreit und damit Paris in helle Aufregung versetzt, Charaktere wie der immer hungrige Inspektor Caponi (Gilles Lelouche), der auf den Saurier-Fall angesetzt ist, aber von Logik keine Ahnung hat, Charaktere wie der Großwildjäger Saint-Hubert (Jean-Paul Rouve), der dem Saurier ans Leder will und fast immer an der falschen Stelle sucht. Diese Charaktere sind zwar Knallchargen, Hanswürste, aber das macht nichts: Es ist der Stil Bessons, auf diesen Figuren, die stets für absonderlichen Humor sorgen, seinen Film aufzubauen, und dies gelingt. Aber ausgerechnet die beiden Erstgenannten der Besetzung, Louise Bourgoin und Mathieu Amalric, bleiben unter der Regie Bessons blass oder kommen zu kurz: Amalric, bekannt aus "Schmetterling und Taucherglocke" und "Ein Quantum Trost", dort war er der Gegenspieler von James Bond, spielt einen Fiesling namens Dieuleveult in leider nur zwei kurzen Auftritten, dazu hinter einer Maske, die Amalric nicht wiedererkennen lässt. Verschenkt ist sein Mitwirken an dem Film. Und die Figur der Adèle ist zwar emanzipiert und raucht, was bei Frauen in der Zeit der Belle Epoque erst langsam in Mode kam. Doch Bourgoin wirkt nicht wie die Heldin aus dem Comic, die sie darstellen soll, sie ist zu brav für die Rolle der Adèle, die viel Selbstbewusstsein erfordert. Louise Bourgoin stellt sie hingegen mit einer übertriebenen Portion Überheblichkeit und unangebrachten Derbheit dar. Louise Bourgoin kann einen ganzen Film noch nicht tragen. Sie hat als Schauspielerin noch zu wenig Erfahrung.

Adèle und das Geheimnis des Pharaos Trotz mancher Regie-Fehler macht Besson aus seiner Adaption des Comics "Les aventures extraordinaires d'Adèle Blanc-Sec" von Jacques Tardi aus dem Jahr 1976 ein knallbuntes, nie langweiliges Spektakel. Comic-Fantasy auf der Leinwand für die ganze Familie? Der Film ist in Deutschland ab sechs Jahren freigegeben. Das ist ein Fehler angesichts dessen, dass es im Film eine schieflaufende Hinrichtung auf dem Schafott gibt (es trifft den Henker), auch ansonsten viel gestorben wird – und umgekehrt: Es gibt viele Wiederauferstehungen. Wer sich vor Mumien ekelt, hat in diesem Film nicht unbedingt etwas verloren.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Universum Film

 
Filmdaten 
 
Adèle und das Geheimnis des Pharaos (Les aventures extraordinaires d'Adèle Blanc-Sec) 
 
Frankreich 2010
Regie: Luc Besson;
Darsteller: Louise Bourgoin (Adèle Blanc-Sec), Mathieu Amalric (Dieuleveult), Gilles Lellouche (Inspektor Léonce Caponi), Laure de Clermont-Tonnerre (Agathe Blanc-Sec), Jacky Nercessian (Marie-Joseph Esperandieu), Jean-Paul Rouve (Justin de Saint-Hubert), Philippe Nahon (Professor Ménard), Gérard Chaillou (Präsident Fallières), Serge Bagdassarian (Choupard), Nicolas Giraud (Andrej Zborowski) u.a.;
Drehbuch: Luc Besson nach dem Comic "Les aventures extraordinaires d'Adèle Blanc-Sec" von Jacques Tardi; Ausführende Produzentin: Virginie Besson-Silla; Kamera: Thierry Arbogast; Musik: Eric Serra;

Länge: 106 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Universum Film; deutscher Kinostart: 30. September 2010



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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