05.08.2014
A Most Wanted Man
![]() Issa ist 27, halb Tschetschene und halb Russe. Die Elbe spuckt ihn im Herbst 2012 in Hamburg aus, so dass der vorher in mehreren Gefängnissen Gefolterte triefend nass, dreckig, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, Unterschlupf bei einer nichtsahnenden muslimischen Familie sucht und aus Menschenliebe auch findet. Schon bald gerät Issa ins Visier einer sehr effektiven anonym wirkenden Spionageabwehrgruppe um Günther Bachmann, die von deutschen und internationalen Antiterrorbevollmächtigten jedoch nur geduldet ist. Keiner weiß, welche Ziele Issa verfolgt. Issa selbst auch nicht, und der Zuschauer darf ebenfalls miträtseln. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Bachmanns Gruppe und den verschiedenen Geheimdiensten, die schon mit dem nervösen Finger am Abzug stehen. Nur mit Mühe lassen sich die hektisch-hysterischen Autoritäten zurückhalten, um Bachmann die Chance zu geben, mit Hilfe von Issa größere Fische zu fangen.
Dennoch gelingt es nicht, richtig Spannung aufzubauen. Das könnte einerseits daran liegen, dass der Film zwei Jahre vor der Veröffentlichung gedreht wurde und dadurch die Terrorbedrohung durch Schläfer, gerade in Hamburg, sowie die hektische Terrorabwehr nicht mehr vordergründig im Kollektivbewusstsein präsent ist. Abhilfe hätten da Dokumentarbilder oder Hinweise auf die Atta-Gruppe geholfen, um das Gefühl der Bedrohlichkeit wieder in Erinnerung zu bringen. Andererseits sind die Figuren nicht in die Tiefe ausgearbeitet und werden nur aus der Ferne betrachtet.
Der Dialog ist – wie in Corbijns früheren Werken – erfreulicherweise aufs Nötigste begrenzt. Man erkennt die Handschrift des Regisseurs und seine "Zutaten" – die Vermischung von Gut und Böse und der daraus resultierende innere Kampf des Menschen. In "The American" ging diese Rechnung auf, weil das filmische Auge näher an die Charaktere herankommt, die Gegenkräfte besser ausbalanciert sind. Im sehenswerten melancholischen "A Most Wanted Man" wird zwar emotionale Verlorenheit und vergebliche Hoffnung gut erzeugt, aber nicht mehr als das. Hilde Ottschofski /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Senator Filmdaten A Most Wanted Man (A Most Wanted Man) GB / Deutschland 2014 Regie: Anton Corbijn; Darsteller: Grigoriy Dobrygin (Issa Karpov), Philip Seymour Hoffman (Günther Bachmann), Homayoun Ershadi (Abdullah), Mehdi Dehbi (Jamal), Neil Malik Abdullah (Abdullahs Bodyguard), Nina Hoss (Irna Frey), Daniel Brühl (Maximilian), Vicky Krieps (Niki), Kostja Ullmann (Rasheed), Franz Hartwig (Karl), Martin Wuttke (der Admiral), Rainer Bock (Dieter Mohr), Herbert Grönemeyer (Michael Axelrod), Robin Wright (Martha Sullivan), Rachel McAdams (Annabel Richter), Willem Dafoe (Tommy Brue), Ursina Lardi (Mitzi), Vedat Erincin, Bernhard Schütz, Max Volkert Martens u.a.; Drehbuch: Andrew Bovell nach dem Roman "Marionetten" von John le Carré; Produzenten: Andrea Calderwood, Simon Cornwell, Stephen Cornwell, Gail Egan, Malte Grunert; Kamera: Benoît Delhomme; Musik: Herbert Grönemeyer; Schnitt: Claire Simpson; Länge: 121,43 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der Senator Film Verleih GmbH; deutscher Kinostart: 11. September 2014
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