20.02.2016
Ein Film der 66. Berlinale 2016, Sektion Wettbewerb

A Dragon Arrives!


"Geister haben mit mir nichts zu schaffen", sagt Sound-Designer Keyvan (Ehsan Goudarzi), als er den spukhaften Handlungsschauplatz betritt. Geister vielleicht nicht, doch unter dem alten Wüsten-Friedhof von Mani Haghighis schillerndem Neo-Noir liegt ein Ungetüm wie aus einem Alptraum Hölderlins und die Erde erzittert, wenn in ihr ein Toter begraben wird...

A Dragon Arrives!Niemand auf der abgelegenen persischen Insel Qeshm begräbt eine Leiche in dem verfluchten Boden, bis zum Tag, als der junge Detective Babak Hafizi (Amir Jadidi) in seinem orangefarbenen Chevy auftaucht. In grauem Anzug und Trilby sieht er aus wie ein Charaktertyp aus der Schwarzen Serie. Sein Helfer Keyvan hingegen scheint mit seinem hippie-esken Outfit direkt aus den 70ern zu kommen. Das Handlungsjahr ist 1964. Doch an einem Ort, wo ein uraltes Schiffswrack mitten in der Wüste verwittert und seine portugiesische Mannschaft nicht unweit begraben liegt, können diese zwei einander begegnen. Im Bauch des Schiffs, dessen Wände mit Tagebucheinträgen beschrieben sind, hängt ein politischer Exilant von der Decke. Der vermeintliche Selbstmörder ist keiner, doch Babaks lokaler Kollege Charaki (Ali Bagheri) will keinen Ärger. Den gibt es trotzdem, nachdem die Männer den Toten auf dem Friedhof begraben. Die Erde erzittert und bricht auf. Das geschieht, wenn dort jemand begraben wird, erzählt ein Totengräber aus dem Ort. Eine Kreatur mit glutroten Augen hause unter der Erde. Regt sie sich, wenn sie gefüttert wird? Babak sucht Antworten und findet noch mehr Fragen bei der Theaterschauspielerin Shahrzad (Kiana Tajammol). Sie hegt Geheimnisse und Geheimkontakte zu "der Agentur", eine Chiffre Haghighis für die Geheimpolizei des Schah.

A Dragon Arrives! Sie lassen den jungen Ermittler unter Drogen setzen und verhören ihn. Babak weiß, er kam einer Sache zu nah. Ob es politischer Natur ist oder mythischer, eines ist sicher: Es ist etwas tief erschütterndes, Monströses. Sein Anblick lässt die Haare eines Menschen schlohweiß werden, wie bei einem der Arbeiter, mit denen Babak, Keyvan und Geologe Behnam (Homayoun Ghanizadeh) die Einöde seismographisch erkunden. Keyvan nimmt nicht nur Geräusche auf, sondern die Stille. Sie klingt überall anders und er besitzt eine Kassettensammlung nur mit ihr. Solche skurrilen Details verschmelzen mit Amir Hossein Ghosdsis grandiosem Set-Design zu einer magischen Atmosphäre voll unbestimmter Furcht. Das Gefühl unaussprechlicher Bedrohung lauert hinter der farbenfrohen Szenerie, so wie unter der Erde die titelgebende Kreatur. Haghighi, der 2009 den eindringlichen "Alles über Elly" im Berlinale Wettbewerb zeigte, verliert die politische Dimension seines Mystery-Thrillers nie aus dem Blick. Zugleich verknüpft er den Handlungsfaden mit der eigenen Vergangenheit. Es gibt einen abgenutzten Koffer voller verblasster Fotos und über die Leinwand flimmern schwarz-weiße Szenen aus dem iranischen Nouvelle-Vague-Film "The Brick and the Mirror". Haghighis Großvater Ebrahim Golestan drehte ihn im Jahr 1964.

Der Grund verschlingt die Toten, aber er spuckt auch Leben aus. Die Vergangenheit lässt sich begraben, aber sie ist nicht tot, sie schläft nur. So wie das Ungetüm des poppigen Noir-Märchens. Hic sunt dracones!  

Lida Bach / Wertung: * * * * * (5 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Abbas Kosari

 
Filmdaten 
 
A Dragon Arrives! (Ejhdeha Vared Mishavad!) 
 
Iran 2016
Regie, Drehbuch & Produzent: Mani Haghighi;
Darsteller: Amir Jadidi (Babak Hafizi), Homayoun Ghanizadeh (Behnam Shokouhi), Ehsan Goudarzi (Keyvan Haddad), Kiana Tajammol (Shahrzad Besharat), Nader Fallah (Almas), Ali Bagheri (Javad Charaki), Kamran Safamanesh (Saeed Jahangiri), Javad Ansari (Darshan), Leila Arjmand (Valieh) u.a.;
Kamera: Houman Behmanesh; Musik: Christophe Rezai; Schnitt: Hayedeh Safiyari;

Länge: 107 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt



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Der Film im Katalog der Berlinale
<20.02.2016>


Zitat

"Sie ist unermüdlich in ihrer Suche nach Perfektion. Sie arbeitet so lange an einer Figur, bis sie sie richtig erfasst hat."

Regisseur Anthony Page über die verstorbene Schauspielerin Maggie Smith (28. Dezember 1934 - 27. September 2024)

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