November 1999

Bildgewaltiger Meilenstein der Filmtechnik


2001: Odyssee im Weltraum


Der Film beginnt mit dem Aufbruch der "Menschheit", bei dem ein von Außerirdischen abgestellter Monolith mit seinen Signalen den Affenmenschen beibringt, wie man einen Knochen verwenden kann - als Werkzeug und als Waffe. Nach einem erfolgreichen Kampf um eine Wasserstelle wirft einer der siegreichen Affen seinen Knochen in die Luft und im nächsten Schnitt mutiert dieser zu einem Raumschiff. Der Zuschauer, der nun eben mal einige tausend Jahre Menschheitsgeschichte übersprungen hat, wird nun Zeuge, wie die Raumfähre Orion, unter den Walzerklängen von Johann Strauß, auf eine sich langsam drehende Raumstation zubewegt.


Ihr entsteigt Dr. Heywood Floyd. Dieser soll auf dem Mond einen gerade entdeckten schwarzen Monolithen untersuchen, der Signale in Richtung Jupiter sendet. 18 Monate später ist das Raumschiff Discovery dorthin unterwegs. Während dieses Fluges beginnt der Bordcomputer HAL 9000 zu glauben, die fünf Astronauten würden durch ihre menschlichen Schwächen die Mission gefährden. Die einzige logische Schlußfolgerung ist folglich deren "Ausschaltung". Lediglich Alex Bowman bleibt am Ende übrig. Er stößt mit seinem Schiff in der Nähe des Jupiters auf den Monolithen und stürzt in eine wirre Farbenwelt, aus der er schließlich in einem altmodisch eingerichteten Zimmer erwacht. Hier beendet Bowman sein bisheriges Leben um als Sternenkind zurückzukehren und fortan über die Menschheit zu wachen.

Im Mai 1964 trafen sich Arthur C. Clarke und Stanley Kubrick im New Yorker Chelsea Hotel, um einen neuen Science-Fiction-Roman zu schreiben. Kubrick legte dabei besonderen Wert auf die methaphysische Ebene der Geschichte. Clarke begann mit dem Roman, "Journey beyond the stars". Der Ausgangspunkt des Buches und späteren Films war die Kurzgeschichte "The Sentinel" aus dem Jahre 1948. In dieser Geschichte finden Raumfahrer auf dem Mond eine Maschine, die sowie sie entdeckt wird, ihren Erbauern mitteilt, daß die Menschen ins All aufgebrochen sind. Aus jener Maschine sollte später dann der Monolith werden.

1965 erklärte sich MGM bereit, den Stoff zu verfilmen. Doch es sollte noch drei Jahre dauern, bis der Film in die Kinos kam. Daß der Film sich solange hinzog, lag vor allem an Kubricks extremer Detailtreue. Er fuhr von einer Firma zur anderen und ließ sich bei den großen Konzernen wie NASA, IBM, BOING, Chrysler oder BELL haargenau beschreiben, welche technischen Weitererfindungen bis 2001 dort geplant waren. Alle angesprochenen Firmen halfen Kubrick und waren später stolz darauf bei diesem Projekt mitgewirkt zu haben. Mit einer Ausnahme allerdings: IBM. Dort war man geradezu entsetzt darüber, daß Kubrick aus den technischen Informationen den paranoiden Killercomputer HAL 9000 geschaffen hatte. Das wurde auch dadurch nicht besser, daß die Presse entdeckte, daß die Buchstaben HAL genau um einen Buchstaben unter IBM lagen. Dabei hätte IBM eigentlich stolz sein können, denn die Szenen mit HAL gehören eindeutig zu den besten. Nirgendwo ist der Film dichter, beängstigender und faszinierender als im Abschnitt der Jupiterreise.

Kubricks Film lebt in erster Linie von den Bildern. Besonders dem 1968 vom Trick unverwöhnten Publikum muß "2001" wie eine Offenbarung vorgekommen sein. Noch heute überzeugen die Aufnahmen der Discovery oder der unterschiedlichen Shuttles und Raumstationen. Hinzu kommt, daß es gut ein Jahrzehnt dauern sollte, bis mit "Star Wars" neue FX-Elemente geschaffen wurden. Dabei ist interessant festzustellen, daß der Trick sich auch innerhalb des Films noch verbessert. Doch es ist nicht der Trick alleine, sondern es sind Details, wie die Schwerelosigkeit, die diesen Film bis heute sehenswert machen. Zum ersten Mal wurde dem Zuschauer klargemacht, daß es im Weltraum kein oben und unten gibt und daß dadurch das Besteigen einer Leiter auch schon mal in der Waagerechten erfolgen kann. Schade, daß "Star Trek" und co. dies später nie wieder aufgegriffen haben. Wobei man allerdings nicht verhehlen darf, daß es durch diese Detailtreue auch zu einer Reihe extrem langatmiger Einstellungen kommt, die für den Zuschauer sehr nervenaufreibend seien können.

Wie sieht es aber nun mit der Geschichte des Films aus? Die Grundidee, daß wieder die Menschheit ihre Entwicklung einer außerirdischen Rasse verdankt, die uns seit Jahren beobachtet, ist an sich durchaus faszinierend. Doch wie auch später in "Das schwarze Loch", "Star Trek V" oder "Contact" scheitern solche Filme dann bei den Zusammentreffen von Mensch und dem Unbekannten bzw. "Göttlichen". Ein weißes Hotelzimmer. Das soll also nun die Kontaktaufnahme mit einer fast gottgleichen Wesensform sein? Das ist schon etwas sehr dürftig. Es mag sein, daß Kubrick vielleicht keine religiösen Gefühle verletzen wollte und so getreu dem Bibelspruch: "Du sollst Dir von Gott kein Bildnis machen" deswegen auf eine weitergehende Ausgestaltung verzichtete. Doch dadurch erfährt man am Ende weder etwas Genaues über den Monolithen noch irgendetwas über seine Erbauer. Insofern erweist sich "2001" für den Zuschauer als eine neue Version von "Warten auf Godot": Man wartet auf Erkenntnis, aber sie kommt nicht. Nun kann man einwenden, daß Kubrick natürlich nicht die letzten Geheimnisse der Menschheit lösen kann, aber warum dann erst mit diesem Anspruch auftreten? Kubrick und Clarke haben sich hier schlicht verhoben und dies ist ein dickes Manko ihres Films.

Doch trotz dieses gravierenden Mangels und einiger unnötig langer Einstellungen ist "2001" allemal ein filmtechnischer Meilenstein und bis heute der realistischste Film über die Raumfahrt und deswegen sollte man ihn aus filmhistorischen Gründen nicht versäumen.

 
Lutz Berth / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

2001: Odyssee im Weltraum
(2001: A Space Odyssey)

Regie: Stanley Kubrick; Drehbuch: Arthur C. Clarke, Stanley Kubrick; Kamera: Geoffrey Answorth, John Alcott; Schnitt: Ray Lovejoy; Musik: Richard Strauss, György Ligeti, Aram Khachaturyan, Johann Strauß; Spezialeffekte: Jimmy Harris; Produzent: Stanley Kubrick; Darsteller: Keir Dullea (Dr. Dave Bowman), Gary Lockwood (Dr. Frank Poole), William Sylvester (Dr. Heywood R. Floyd), Leonard Rossiter (Dr. Andrei Smyslov) u.a.

USA/GB 1968; Länge: 149 Min.; FSK: ab 12 Jahren.




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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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