Filmfestival
Max Ophüls Preis 2012
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Michael kümmert sich nicht gerade liebevoll um das entführte Kind. Das würde zu dem jungen und doch alt wirkenden Mann ohne Eigenschaften gar nicht passen. Aber er umsorgt den Jungen, und ist selten streng. Wolfgang (David Rauchenberger) schreibt seinen Eltern Briefe, die das Haus nicht verlassen. Michael lässt keine Spuren zu. Dafür feiert er mit Wolfgang Weihnachten, bringt ihn schon mal in den Streichelzoo. Die Hand des Erwachsenen ist dabei entweder an der Hand des Kindes oder in dessen Nacken. Eine Flucht scheint unmöglich.
"Michael" wurde im Mai 2011 im Wettbewerb des renommierten Filmfestivals von Cannes gezeigt, erhielt damals aber keine Auszeichnung. Die Hauptjury des Saarbrücker Festivals (bestehend aus den Regisseuren Hans W. Geißendörfer und Vorjahres-Gewinner Johannes Naber, den Schauspielern Anna Thalbach und Dominic Raacke sowie Produzent Franz Novotny) hat die außerordentliche Qualität des Films mit der Verleihung des Hauptpreises gewürdigt.
Der Zufall, der die beiden wieder zusammenführt, würde normalerweise wie eine schlechte Drehbuchidee wirken. Nicht so in "Schuld sind immer die Anderen". Der Film zeichnet die erneute Begegnung der beiden Protagonisten psychologisch sensibel und überzeugend in der Darstellung der Ereignisse. Lars-Gunnar Lotz hat einen geradlinigen, intelligenten Film gedreht. Lotz und seine Drehbuchautorin Anna Maria Praßler hätten für ihre nüchterne Auseinandersetzung mit Schuld, Reue und Sühne bei der Preisverleihung hervorgehoben werden sollen.
"Mein Vater ist ein wahnsinnig spannender Mensch. Er ist ein Kämpfer, ein Künstler, ein verantwortungsloses Arschloch, egoistisch, narzisstisch und jetzt eben auch noch eine Frau!" sagt Sarah Judith Mettke, die Erfahrungen aus der eigenen Familie im Film kongenial umgesetzt hat. Den inneren Kampf, den Maren mit sich ausfechtet, hat die Regisseurin selbst erlebt und in "Transpapa" klug wiedergegeben. Grandios, wie Mettke die Schauspieler führt. Devid Striesow verleiht der Rolle des Transsexuellen eine Würde, so dass der Film nie ins Melodramatische abgleitet. Luisa Sappelt steht der Schauspielerleistung Striesows in nichts nach. Man fühlt mit Maren, die langsam lernt, Verständnis für die frühere Entscheidung des Vaters aufzubringen.
Im Angebot des Max Ophüls Preises 2012 gab es auch in den Nebenreihen viel zu entdecken, so den letzten Film mit Johannes Heesters, einen Kurzfilm namens "Ten", in dem der kürzlich im Alter von 108 Jahren Verstorbene einen Himmelspförtner spielt. Der separate Wettbewerb um den Besten Dokumentarfilm war stark besetzt. Besonders bemerkenswert waren zwei filmische Porträts: "Die Geschichte der Auma Obama" stellt Barack Obamas kenianische Halbschwester vor. Eine Frau, die ihren Weg ging, in Saarbrücken, Heidelberg und Berlin studierte, schließlich promovierte und lange vor der Präsidentschaft ihres Bruders mehrfach im deutschen Fernsehen auftrat: Im Presseclub beispielsweise bezog sie Stellung zur Entwicklungshilfe. "Die Geschichte der Auma Obama" schildert Aumas Werdegang und schneidet Szenen des Wahlkampfs und des Wahlabends Ende 2008 dazwischen, als Barack Obama gegen John McCain siegte. Im Film von Regisseurin Branwen Okpako vermisst man Wichtiges: Detailliert werden die Geschwister und Halbgeschwister Aumas genannt und ihre Rolle in Aumas Leben geschildert, ihre Beziehung zum Halbbruder Barack Obama hingegen erst am Ende des Films nur kurz und unzureichend erläutert. Davon abgesehen, zeigt Okpakos Film die verschiedenen Facetten einer interessanten Persönlichkeit. Die Obamas erscheinen danach umso sympathischer.
Das Saarbrücker Nachwuchs-Filmfestival bot auch in diesem Jahr ein interessantes, vielfältiges Wettbewerbsprogramm. Mit Filmen, die auf eine gute Zukunft hoffen lassen.
alle Preisträger 2012:
Max Ophüls Preis: Michael Regie: Markus Schleinzer Filmpreis der saarländischen Ministerpräsidentin: Transpapa Regie: Sarah Judith Mettke Lobende Erwähnung: Die Unsichtbare Regie: Christian Schwochow Lobende Erwähnung: Mary & Johnny Regie: Samuel Schwarz & Julian M. Grünthal Beste Nachwuchsdarstellerin: Peri Baumeister (Film Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden; Regie: Christoph Stark) Bester Nachwuchsdarsteller: Michael Fuith (Film Michael; Regie: Markus Schleinzer) Fritz-Raff-Drehbuchpreis: Mike Regie: Lars Blumers Publikumspreis: Puppe, Icke & der Dicke Regie: Felix Stienz Preis der Schülerjury: Festung Regie: Kirsi Marie Liimatainen Kurzfilmpreis: DVA Regie: Mickey Nedimovic Lobende Erwähnung: Korpus Regie: Flo Baumann Publikumspreis Kurzfilm: Mädchenabend Regie: Timo Becker Interfilmpreis: Dr. Ketel Regie: Linus de Paoli Preis für Mittellange Filme: Heilig Abend mit Hase Regie: Lilli Thalgott Dokumentarfilmpreis: Der Papst ist kein Jeansboy Regie: Sobo Swobodnik Förderpreis der DEFA-Stiftung: Das Ding am Deich – Vom Widerstand gegen ein Atomkraftwerk Regie: Antje Hubert
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