8. Clip Award Mannheim 2013
Vom 26. bis 28. April war es wieder soweit: Zum achten Mal präsentierten die Macher des Clip Award zahlreiche deutsche und internationale Kurzfilme aus dem No- und Low-Budget-Bereich in den Mannheimer Katakomben. Insgesamt 111 Kurzfilme liefen in den 9 Sektionen des Festivals, das wie jedes Jahr von seiner angenehmen und familiären Atmosphäre profitierte. Zu sehen gab es oft unkonventionelle und eigensinnige, bisweilen jedoch auch allzu kunstbeflissene Filme aus aller Welt, die allesamt für vergleichsweise wenig Geld entstanden sind. Das Festival hat es sich nämlich auf die Fahnen geschrieben, günstig produzierten Filmen von Amateuren ein Forum zu bieten, da deren Experimente auf größeren Filmfestivals oft keine Chance haben, sich gegen die Konkurrenz von professionellen Regisseuren und Filmhochschülern durchzusetzen.
Musikvideos
Eröffnet wurde der Clip Award am Freitag mit dem Musikvideowettbewerb. Mit seinem Videoclip "Where is your God Now" konnte sich Tahar Jaber bei der Publikumsabstimmung durchsetzen. Das in Wiesbaden produzierte Video zeigt die Band in Tierkostümen in einem Wald, wo sie ein recht ordentliches Singer-Songwriter-Liebeslied zum Besten gibt. Unprämiert blieb hingegen der verquere Beitrag "Guten Abend, Gute Nacht", der einen charismatischen Kerl in einer starren Profilaufnahme beim Hantieren mit einem Gummi zeigt, und der in seiner Schlichtheit die No-Budget-Prämisse des Clip Award mustergültig bediente. International Shorts Bei den "International Shorts" aus aller Welt konnte sich der spanische Beitrag "My Daddy is a Movie Director" von Germán Roda als Gewinner des Publikumspreises behaupten, der aus der Sicht eines Mädchens von der schwierigen Lage der spanischen Filmemacher in Zeiten der Finanzkrise erzählt. Mit Humor und Gefühl zeigt der Film in kurzen Szenen den "Leidensweg" des Mädchens, dessen Vater die Tochter regelmäßig zu Filmaufnahmen nötigt – am Ende bedankt sich die kleine Protagonistin bei den Banken, weil Papa nun keine Filme mehr machen kann. Auffälligerweise fanden sich im internationalen Wettbewerb gleich zwei Westernstoffe, die klassische Genreposen zum Zitat gerinnen lassen: Der deutsche Beitrag "A Time of Vultures" spielt in einem Saloon und fühlt sich wie eine Italowestern-Modernisierung im Sinne Tarantinos an – der zweite Western, programmatisch mit "Western Movie" betitelt, stammt aus Südkorea und zeigt einen Sheriff, der in einem Dorf für Unruhe sorgt. Beide Western gingen leer aus, während der augenzwinkernde spanische Queer-Beitrag "The Piece of Furniture" die Festivalgäste überzeugte und den zweiten Publikumspreis ergatterte. Ohne Auszeichnung blieb indes der Kurzdokumentarfilm "Hitler's Drug", eines der ambitioniertesten Filmprojekte der internationalen Sektion. Der in Kambodscha gedrehte Film begleitet einen jungen Mann, der an der Grenze zu Thailand illegale Einwanderer durch den Busch führt und sich mit einer Droge, die ursprünglich für Hitlers Wehrmacht entworfen wurde, bei Laune hält. Junger Kurzfilm Der zweite Festivaltag eröffnete am Samstag mit der Sektion "Junger Kurzfilm", die ganz unterschiedliche Einsendungen junger Kurzfilmer in einem ausgewogenen Block vereinte. Den ersten Publikumspreis erhielt „Beziehungskisten“ des Mannheimers Oliver Krause, der drei Schicksale auf einem Flohmarkt ineinander verwebt – und der bei der Abstimmung sicher auch von seinem Heimvorteil profitierte. Gleich drei zweite Plätze gab es für die mit Schülern umgesetzte Musikvideo-Erzählung "Keine wahre Geschichte" von Thomas Veit, die Doku "Hands 'n' Bands" von Anna Granas und die Komödie "Dunkel hier drin" von Maximilian Schmierer. Viel Potenzial zeigte vor allem der Beitrag von Anna Granas, die in ihrer Dokumentation hinter die Kulissen eines norddeutschen Musikfestivals blickt und nicht die Bands, sondern die unbekannten Helfer im Hintergrund – etwa Bühnenbauer oder Security-Personal – in den Fokus rückt. Ohne Schnickschnack und mit geringen Mitteln gelingt Granas ein eleganter wie kantiger Dokumentarfilm mit stilsicheren Bildern und charmanten Protagonisten. Fokus Israel Der Länderfokus des diesjährigen Clip Award rückte Kurzfilme aus Israel ins Blickfeld. Moderiert von der eloquenten Liis Siiroja fasste der Länderfokus 11 Beiträge zu einem abwechslungsreichen Programmblock zusammen. Das Publikum prämierte sehr gerechtfertigt das stille Liebesdrama "First Days" von Ohad Regev, in dem ein entfremdetes Liebespaar eine Statistenrolle in einem Film übernimmt. Die skurrile Komödie "The Thirsty Man" von Eitan Anner und Negev Desert, in dem ein Pärchen inmitten der israelischen Wüste in einem Planschbecken sitzt, und die kurze Animation "In Space" belegten den zweiten und dritten Platz des Publikumstreppchens. Die eher düsteren Arbeiten "Catherine the Great" und "Susya", die von Zwangsprostitution und vertriebenen Palästinensern handeln, erhielten leider keine Auszeichnung. Kurzfilmwettbewerb Achtzehn fast durchweg gelungene Beiträge gingen am Samstagabend beim großen Kurzfilmwettbewerb des Clip Award ins Rennen. Von kleinen Animationen wie "Klops" von Daniel Leyva über die urkomische Trashkomödie "Die Klempner" von Özkan Arslan bis hin zu nachdenklichen Psychodramen wie "Lenchen" von Duc-Thi Bui bediente der Wettbewerb die verschiedensten Genres. Den Preis der Jury erhielt ausgerechnet "One Shot" von Dietrich Brüggemann. Der Film als solcher ist geistreich und humorvoll: In einer Plansequenz auf dem Tempelhofer Feld in Berlin parodiert Brüggemann, der einige bekannte Darsteller für seinen Film gewinnen konnte (darunter seine Schwester Anna), die oft versteifte deutsche Integrationsdebatte – ein schöner Film und an sich ein würdiger Preisträger. Die Wahl der Jury erscheint jedoch streitbar, wenn man bedenkt, dass der Clip Award ein Forum für Amateurfilmer sein will. Dietrich Brüggemann aber, dessen letzter Spielfilm "Drei Zimmer/Küche/Bad" unlängst im Kino lief, hat sich seine Reputation als Filmemacher bereits verschafft. Zwar bewegt sich "One Shot" mit seinem kleinen Budget im Rahmen des Low-Budget-Bereichs, doch wenn Brüggemann, der den Clip Award erfreulicherweise besuchte, aus einem Fundus an professionellen Darstellern und seiner Erfahrung schöpfen kann, entsteht im wahrsten Sinne des Wortes eine Wettbewerbsverzerrung – weswegen der Zusatz "außer Konkurrenz" dem Festival und seinem Anspruch sicher gut getan hätte. So aber gewann "One Shot" nicht nur den Preis der Jury, sondern heimste als Platzhirsch auch noch den Publikumspreis ein, und Brüggemann durfte eine HD-Kamera von Sony mit nach Hause nehmen. Immerhin: Im persönlichen Gespräch nach der Verleihung versicherte mir der sympathische Brüggemann, dass er mir die Kamera für meine nächsten Amateurfilme jederzeit unentgeltlich ausleiht. Den zweiten Jurypreis erhielt der lakonische "Hinterbänkler" von Janco Christiansen, in dem sich drei ältere Herren regelmäßig auf einer verlassenen Bank in Norddeutschland treffen und dabei mit wenigen Worten auskommen. Der meiner Meinung nach stärkste Film des Festivals war der Drittplatzierte "Entschuldigen Sie bitte die kurze Störung" von David M. Lorenz. Der experimentelle Dokumentarfilm begleitet die Straßenfeger-Verkäuferin Nicole Y. in einer ungeschnitten wirkenden Sequenz bei ihrer täglichen Verkaufsroute in der Berliner U-Bahn. Mit einer kleinen Kamera, die Lorenz auf die Schulter der Verkäuferin montierte, fängt der Film die meist ausweichenden Blicke ein, die Nicole Y. beim Feilbieten des Obdachlosen-Magazins erntet. In stumpfer Wiederholung sagt die junge Frau ihren Spruch auf, während sie in den kurzen Pausen beim Umsteigen in den nächsten U-Bahn-Waggon ihr hartes Schicksal in einem Off-Kommentar umreißt. Schlichter und ehrlicher kann ein Dokumentarfilm kaum sein – fernab von jeglichem Firlefanz und ohne eine Wertung führt der Film den Alltag der Straßenfeger-Verkäuferin schnörkellos vor Augen. Das sorgte nach dem Screening für diverse Diskussionen im Publikum, denn letztlich hält der sozialkritische Film uns allen den Spiegel vor. Dass dies ohne erhobenen Zeigefinger oder pädagogisches Gutmenschentum gelingt, macht seine Größe aus. Trashbrunch Der letzte Festivaltag begann wie üblich mit dem "Trashbrunch", der die trashigsten Einsendungen beim gediegenen Brunch präsentierte. Filme mit Zombies und anderen Ungeheuern, darunter auch ein herrlich unvollkommenes Gummimonster, hielten das Publikum bei Laune. Zum Abschluss der Trashreihe lief dann mit "Rote Kacke 4: Die Verlorenen Jahre" mein eigener Trashfilm in einem Special Screening. Das Publikum zeigte sich von dem "Billig-Trash-Fantasy-Epos" (Berliner Zeitung) ein wenig überfordert, und in der Tat muss ich die Unverständlichkeit der Story einräumen, die auch für Kenner der ersten Teile nur schwerlich Sinn ergibt – aber immerhin provozierte der 20-Minüter einige Lacher und Publikumsfragen. Beim geplanten Sequel "Rote Kacke 5: Popovs Vermächtnis", das ich diesen Sommer mit der neuen HD-Kamera von Dietrich Brüggemann drehen will, sollte ich dennoch ein wenig mehr Rücksicht auf dramaturgische Zusammenhänge und allgemeine Verständlichkeit nehmen – eventuell. An American Hippie in Israel Im folgenden Programmblock erfuhren die Gewinnerfilme des diesjährigen Clip Award eine erneute Aufführung, bevor die "Open Stage" anwesenden Filmemachern die Möglichkeit bot, ihre mitgebrachten Filme spontan über die insgesamt drei Leinwände flimmern zu lassen. Die zahlreichen dokumentarischen Einsendungen aus aller Herren Länder fanden im "Cultural Kaleidoscope" ihren Weg auf die Leinwand, bevor der aufgedrehte und rastlose Yaniv Eidelstein, der eigens aus Tel Aviv angereist war, die beinahe vergessene Trashperle "An American Hippie in Israel" (Israel 1972) präsentierte. In dem psychedelischen 90-Minüter wollen vier Hippies eine Aussteiger-Kommune in der israelischen Wildnis errichten. Doch als ihnen die Nahrung ausgeht, findet das Fest der freien Liebe und Individualität ein jähes Ende… In der "Sunday Horror Show" ließen die Festivalmacher zum Abschluss eine Reihe meist blutiger Horror- und Splatterfilme auf das Publikum los, die den Kreis zum morgendlichen Trashbrunch schlossen. Im Ganzen kann die gut besuchte achte Ausgabe des Mannheimer Clip Award als gelungen betrachtet werden. Wie bei jedem Festival fanden sich zwar auch hier starke Filme neben eher verzichtbaren Beiträgen, doch insgesamt war die Trefferquote an lohnenden und unterhaltsamen Kurzfilmen recht hoch. Zusätzlich bot das Festival die Möglichkeit zu diversen Workshops und wertete die ohnehin atmosphärischen Mannheimer Katakomben mit Videoinstallationen und einer Ausstellung des Mannheimer (Comic-)Zeichners Valentin Krayl auf. Und wenn dann in den späten Abendstunden der technische Support James Bogner auf einen Schlummertrunk vorbei schaut, fühlt man sich fast wie zu Hause. Homepage: http://www.clipaward.org
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