Der
Hauptteil der Geschichte spielt in England, zu Beginn der Siebziger,
und handelt von der Geburt und dem Tod der Glam Rock-Ära,
verdeutlicht an einer fiktiven Karriere eines Rockstars. Brian Slade
(Jonathan Rhys Meyers) soll eine Figur darstellen, die sich an David
Bowie orientiert. Es bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen,
ob er vermag mehr in dieser Figur wiederzuerkennen. Slade erfindet
die Kunstfigur Maxwell Demon, welche er auf der Bühne darstellt,
und als ihn das überfordert, läßt er sich auf der
Bühne durch einen gestellten Mord aus dem Verkehr ziehen.
Zum Jahrestag dieses spektakulären Ereignisses wird 1984 der
Zeitungsreporter Arthur Stuart (Christian Bale) ausgesandt, um herauszufinden,
was dahinter steckte und was aus den Beteiligten von damals geworden
ist. Er selbst war als Fan hautnah am Geschehen dabei. So erfahren
wir in Rückblenden, aus seinen Erinnerungen sowie aus den Berichten
der von ihm interviewten Augenzeugen, was passierte.
Erzählt wird vom altbekannten Rock´n´Roll Circus:
den Erfolgen und Mißerfolgen, den Managern, dem Image, den
Drogen, den Orgien - und dazwischen gibt es die große Liebesgeschichte.
Weniger die zwischen Slade und seiner Frau Mandy (gespielt von Toni
Collette, "Muriel´s Wedding"), sondern die zwischen
ihm und seinem Musikerkollegen Curt Wild (Ewan McGregor, "Trainspotting").
Der soll wiederum so eine Art Iggy Pop darstellen. Spätestens
wenn man versucht, die Geschichte nicht nur als farbenfrohes Märchen
zu betrachten, sondern es auf die Realität übertragen
möchte, bekommt man arge Schwierigkeiten. Der echte Iggy Pop
versichert, er habe nie mit David Bowie das Bett geteilt. Aber genau
das scheint für den Regisseur das Wichtigste an der ganzen
Handlung zu sein.
Obwohl sich alle Darsteller bemühen, bleiben sie doch recht
grau und fremd. Einzig Ewan McGregor spielt seine Rolle mit so einem
Enthusiasmus, daß er eine bleibende Erinnerung hinterläßt.
Er hüpft so ausgelassen und unbändig auf der Bühne
herum und wackelt mit seinem nackten Hintern, als könne er
sich nicht Schöneres vorstellen. Das gesteht er in Interviews
auch ein: "Ich hatte schon immer das verzweifelte Bedürfnis,
ein Rockstar zu sein."
Eine durchgehende Handlung sucht man im Film vergebens. Die zahllosen
Rückblenden wirken zu verworren für den Zuschauer und
zerstückeln den Film in viele Einzelteile. Wo sich beim Orson
Welles -Klassiker "Citizen Kane" die einzelnen Puzzleteile
zu einem Gesamtbild zusammenfügen, funktioniert es hier einfach
nicht.
Haynes präsentiert uns einen Film, der vollgestopft ist
mit Symbolen und Ideen, viel zu viel von allem und nicht besonders
subtil noch obendrein. Mag sein, daß genau dies seine höchst
subjektive Auffassung von den Siebzigern ist, doch der Wahrheit
wird das (hoffentlich) nicht entsprechen. Sein Bild dieser Zeit
ist zu einseitig, zu beschönigt. Wo sind denn die ganzen
peinlichen - modischen und musikalischen - Geschmacksverirrungen
geblieben? Will man heute die echten Goldstücke dieser Ära
ausgraben, so muß man doch etwas tiefer schürfen.
Der Film spannt den Bogen zum Schriftsteller und Selbstinszenierer
Oscar Wilde, der hiermit zum ersten Popstar überhaupt erklärt
wird. An sich keine schlechte Idee, doch anstatt es bei einem
Querverweis zu belassen, wird der Zuschauer per Holzhammermethode
noch einige Male darauf verwiesen.
Musik und Musiker werden im Film gnadenlos mystifiziert, sie
sind nicht nur Ikonen und Heilige - falls irgendmöglich sind
sie noch viel mehr als dies. Sie sind Stars, Sterne, unantastbar,
außer Reichweite.
Sie leuchten den Weg und hinterlassen ein schwarzes Loch, wenn
sie verglüht sind.
Wenn es doch wenigstens um deren Werk gehen würde. Aber eigentlich
geht es hier nur um ein paar bestimmte Popstars oder Rockgötter,
kaum kann man sich hinter deren Maske echte Menschen vorstellen.
Haynes hat vielleicht Probleme mit dem Gedanken, daß Menschen
Musik machen, weil sie Geld verdienen möchten, weil sie Spaß
daran haben oder weil sie sich gern selbst darstellen.
In "Velvet Goldmine" hat irgendwie alles mit Bisexualität
bzw. mit schwuler Identität zu tun, als hätte es keine
anderen Hintergründe für diese Musik gegeben. Zudem
bleibt die Selbstdarstellung stets wichtiger als die Musik und
artet in extravagante, jedoch wenig aussagekräftige, Kostümbälle
aus. Immerhin bekamen die Kostüme eine Oscar-Nominierung.
Der Film scheint sich selbst so furchtbar ernst zu nehmen, daß
dem Zuschauer ein Teil des Vergnügens geraubt wird. - Ist
es denn nicht denkbar, daß z.B. ein David Bowie und ganz
sicher ein Alice Cooper (der als einer der Erfinder des Glam Rocks
hier im Film leider ausgelassen wurde) einfach spielerisch in
neue Rollen schlüpfen wollte? Daß da doch Spaß
an der Provokation und am Ausprobieren zumindest eine Rolle spielte
?
Natürlich ist jede Kunstform auch immer eine Art von Selbstfindung,
der Versuch einer Definition der eigenen Identität - gleichfalls
für Künstler und Publikum. Wenn das Publikum aus Teenagern
besteht, ist dies sicher sogar von fataler Bedeutung. Doch dieser
Film will uns weismachen, es sei alles so eindimensional.
Der Soundtrack - welcher im Gegensatz zum Film von der Kritik
fast einstimmig gelobt wurde - ist an dieser Stelle hervorzuheben.
Er ist eine Mischung aus alten Originalsongs und neu eingespieltem
Material, oft liegt das erstaunlich nah beieinander. Zum Beispiel
sind da Lou Reed und Brian Eno vertreten, an neueren Bands "Pulp"
und "Placebo". "Placebo" haben mit Marc Bolans
"20th Century Boy" sicher einen der stärksten Songs
interpretiert - nicht unbedingt besser als das Original und auch
nicht wesentlich anders, aber hörenswert.
Ihnen ist ebenfalls ein allzu kurzer Auftritt im Film gewährt.
Auch sonst ist die Besetzung des Soundtracks prominent: "Radiohead"-
Sänger Thom Yorke kann mit seiner abwechslungsreichen Stimme
begeistern,
und Michael Stipe ("R.E.M.") ist Produzent des Soundtracks
und des Films.
Da hätte man sich gewünscht, daß im Film doch
wenigstens mal ein Song bis zum Ende gespielt wird, doch in den
meisten Fällen werden sie recht brutal abgewürgt. Anstatt
ein paar ausgesuchte Songs wirken zu lassen, hetzt die Story immer
weiter. Es ist einfach traurig.
Dabei wäre es unfair zu behaupten, der gesamte Film sei mißlungen.
Zwischendurch gibt es doch ein paar treffende und überzeugende
Szenen, wenn sich z.B. der Teenager Arthur im Wunschtraum vorstellt,
wie er auf die aufgetakelte Figur auf dem Fernsehbildschirm deutet
und seine bürgerlich-konservativen Eltern anschreit: "Da!
Das bin ich!" Ähnliches wird sich wohl so mancher in
dem Alter gewünscht haben.
- Die allgemeine Kritik war geteilter Meinung und reichte vom
Lob bis zum völligem Verriß.
So schrieb etwa die "Cinema": "Ein Denkmal für
den Glamrock? Dieser Film schaufelt ihm ein Grab."
Trotzdem bekam "Velvet Goldmine" in Cannes die "Goldene
Palme" für den besten künstlerischen Beitrag des
Filmfestivals.
Etwas Gutes könnte der Film allerdings bewirken: So mancher
wird Lust bekommen, den nächsten Plattenladen zu durchstöbern
oder wird nachforschen, wie es denn in echt gewesen ist.