Dezember 1999

With God on our side

Johanna von Orléans

Luc Bessons neueste filmische Variante des Jeanne d'Arc-Mythos läuft in Deutschland recht passend zu einem Zeitpunkt an, wo Frauen auf die Idee kommen sich in die Bundeswehr einzuklagen.
Auch Jeanne d´Arc (1413-1431) wollte freiwillig in den Krieg ziehen - oder zumindest weil es ihr Vaterlandsliebe und göttliche Eingebung so auferlegten.


Geboren als armes Bauernmädchen, verspürt sie schon früh den Drang zu Höherem und hört "Stimmen" zu sich sprechen. Zu dem Zeitpunkt ist der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England in vollem Gang, und weite Teile Frankreichs sind von den englischen Truppen besetzt. Jeanne (gespielt von Bessons Noch-Ehefrau Milla Jovovich) schafft es bis an den französischen Hof, wo sie den späteren König Charles VII. um eine Armee bittet, die sie im Kampf gegen die Besatzer anführen will. Charles (John Malkovich) und seine Schwiegermutter (Faye Dunaway) willigen ein - nicht unbedingt weil sie von der göttlichen Mission überzeugt sind: Viel zu verlieren haben sie in ihrer Lage ja nicht und Jeanne d´Arc hat die Sympathie des Volkes auf ihrer Seite. Die entschlossene und tatkräftige Jeanne kann mit ihrem Heer einige wichtige Kämpfe zu Frankreichs Gunsten schlagen und nimmt auch, wie von ihr prophezeit, an der Krönung von Charles VII. teil.

Doch Frankreich vermag sie nicht zu retten, als sie von den Engländern gefangengenommen und vor Gericht gestellt wird. Mit 19 Jahren wird die "Jungfrau von Orléans" in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
1920 wird Jeanne d´Arc heilig gesprochen.

Die Geschichte der französischen Nationalheldin wurde schon des öfteren verfilmt, dargestellt von internationalen Stars wie Ingrid Bergman (1948) oder unter der Regie von Carl Theodor Dreyer im Jahr 1928. Auch gibt es aktuellere Verfilmungen: Eine französische von 1993 und eine amerikanische TV-Produktion von 1999. - Wo z.B. Dreyer seine Schwerpunkte auf die Gerichtsverhandlung legte, sind bei Besson mehr die expliziten aber aussagelosen Visionen und die blutigen Schlachten in Vordergrund. Leider bekommt man in einigen Momenten den Eindruck, dass er nicht über einen historischen Kriegs- und Kostümfilm hinauskommt.

Die Kostüme sind toll anzusehen, die Kämpfe routiniert und sehr brutal in Szene gesetzt - doch kommt es darauf an? Was genau hat es mit Jeannes fanatischem Glauben und ihren Visionen auf sich?

Am Ende hat sie selbst Zweifel, ob ihr Kriegszug gottgewollt war oder ob sie das sah was sie sehen wollte. Ihre letzte Erscheinung ist beängstigender als die vorherigen: Von Dustin Hoffman (ein Highlight des Films!) mit einer Spur Ironie gespielt; im Abspann wird sein Part als "das Gewissen" umschrieben.

Bei ihm legt Jeanne ihre letzte Beichte ab und kann so erleichtert in den Märtyrertod gehen.

Etwas mehr Auseinandersetzung mit dem Glauben und der Kirche wären wünschenswert gewesen, da reicht es nicht aus, immer wieder das Symbol des Kreuzes zu zeigen. Oder Jeanne in der Pose des Gekreuzigten darzustellen oder zu Beginn sowie in der Gerichtsszene in der Farbe blau der Jungfrau Maria gekleidet.

Jeanne durchläuft sogar eine Art Wiederauferstehung wie Christus, als sie im Kriegsgeschehen schwer verletzt wird und am folgenden Tag wieder in der Schlacht ist. Dann fällt sie in eine Glaubenskrise, als sie aus dem Blutrausch erwacht und ihr die Ausmaße der Gewalt bewusst werden.
Fast scheint es da plausibler, dass Jeanne aus Rache für ihre Schwester in den Kampf zog, welche vor ihren Augen von einem Engländer ermordet und vergewaltigt wurde, als für ihren Glauben.

Doch letztendlich muss sie sterben, da sie ihren Gott nicht verraten will.
In der Schlussszene wird die ohnehin schon ziemlich bombastische Musik noch mehr gesteigert, und man kann sich der Frage nicht erwehren, warum bei so viel Anlehnung nicht direkt die Originalmusik von Carl Orff verwendet wurde.

Es ist schade, dass der Film die Magie früherer Besson-Filme wie "Im Rausch der Tiefe" und "Leon - Der Profi" vermissen lässt, ebenso fehlt ihm der Witz und die Originalität aus "Das fünfte Element", in welchem Milla Jovovich auch vielleicht mehr beeindrucken konnte.

Da bleibt es abzuwarten, ob der Film nicht aus reinem Nationalstolz ein Publikumserfolg in Frankreich war.

Ich persönlich würde da Vergleichbares aus der Sicht des Feindes vorziehen und mir sämtliche Verfilmungen von Shakespeare-Dramen zu Gemüte führen.

 

Jessica Ridders / Wertung: * * (2 von 5)


Filmdaten
Johanna von Orléans (The Messenger: The Story of Joan Of Arc)
USA/F 1999
Regie: Luc Besson Darsteller: Milla Jovovich (Johanna), John Malkovich (Charles VII.), Faye Dunaway (Yolande D'Aragon), Dustin Hoffman (das Gewissen), Tchéky Karyo (Dunois) u.a.; Kamera: Thierry Arbogast; Musik: Eric Serra

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