6. Juni
2000
Der
Sandalenfilm kehrt zurück
Der
Regisseur Ridley Scott bringt das alte Rom auf die Leinwand, 20
Jahre nach dem letzten Film des Genres "Sandalenfilm".
Russell Crowe brilliert in der Rolle des Tribunen Maximus, der vom
Beinahe-Caesaren zum Gladiatoren degradiert wird und auf Rache sinnt.
Der
Titel verheißt eigentlich nichts Gutes. Zu sehr erinnert "Gladiator"
an Filmtitel seiner Zeit, der Ära, in dem die Meanstream-Filme
immer wichtiger werden, an Titel wie "Terminator" und
"Predator". Nun kehrt, urplötzlich, mitten in die
Welt der knallharten Actionfilme, der Sandalenfilm zurück.
Das Genre galt seit 20 Jahren als ausgestorben, seit Tinto Brass'
"Caligula" hat sich da nichts mehr getan, "Ben Hur"
und "Spartacus" sind etwa vierzig Jahre alt. Der Brite
Ridley Scott ("Alien 1" (1979), "Blade Runner"
(1981)) fügt dem Genre nun überraschend ein neues Werk
um Gladiatorenkämpfe, Macht und Intrigen im alten Rom hinzu,
das sich sehen lassen kann, und das einzige, das diesen Film mit
Arnold Schwarzenegger und dem Martial-Arts-Genrefilm verbindet,
ist dessen ebenso muskelbepackter Freund und Schauspielkollege Ralph
Möller, der in "Gladiator" in einer Nebenrolle mitwirkt.
Die Haupt- und Titelrolle spielt Russell Crowe. Er verkörpert
Maximus, einen Tribun, wie ihn die Römer für ihre Feldzüge
benötigten: Mutig, unerbittlich und siegreich in Schlachten,
so am Anfang des Films im Land der Germanen, aber auch mit sentimentaler
Seite. Und Maximus ist bescheiden; sein greiser Caesar Marcus
Aurelius (Richard Harris) würde ihn gern zum Nachfolger erklären,
ermöglicht durch das zu Aurelius' Zeiten übliche Adoptivkaisertum.
Das will Maximus aber nicht, er möchte nach Spanien zu Frau
und Sohn zurückkehren. Aurelius' Sohn Commodus (Joaquin Phoenix)
fühlt sich dennoch übergangen und gekränkt. Der
Ehrgeizige und vergeblich um Anerkennung Buhlende ermordet seinen
eigenen Vater, sein Rachedurst trifft auch Frau und Kind von Maximus
und soll genauso Maximus treffen. Maximus kann sich zwar retten,
aber der Beinahe-Kaiser gerät in die Fänge von Sklavenhändlern.
Er sieht eine Chance, seinem Feind, dem neuen Caesaren Commodus,
noch einmal gegenüber zu stehen, als Gladiator im Colosseum
in Rom. Denn Maximus schwört Rache, und nach der Zeit der
Trauer um seine Familie entfacht der Zorn in ihm neuen Kampfeswillen...
Ridley Scott liebt den Kampf Mann gegen Mann. Der ist das Hauptmotiv
seines Films, auf ihn ist der Film so zugeschnitten, dass die
Handlung des Films dementsprechend erzählt wird. Blut spritzt
im Viertelstundentakt, Köpfe rollen, Maximus' Familie wird
gekreuzigt. Scott schont den Zuschauer nicht, dem Regisseur gelingt
es aber, zu verdeutlichen, dass solche Szenen zur Römerzeit
dazugehörten. "Ave Caesar, die Todgeweihten grüßen
dich" riefen die Gladiatoren, die sowohl als Sieger als als
Verlierer der Einzelkämpfe dennoch sterben mussten. Raue
Sitten, wie im alten Rom.
"Gladiator" merkt man an, dass Scott sich weitgehend
an Handlung und Erzählweise von "Ben Hur" orientiert:
In beiden Filmen werden zwei Freunde zu erbitterten Feinden und
messen am Schluss ihre Kräfte im Zweikampf, die Schlachten
und Einzelkampfszenen sind ähnlich monumental. Ein wenig
hat sich der "Gladiator"-Stab auch von "Braveheart"
beeinflussen lassen: Die Hauptfigur verliert die Familie durch
den Hass des Gegners und kämpft fortan umso verbissener für
Freiheit und Gerechtigkeit. Russell Crowe brilliert in der Rolle
des Helden Maximus. Er agiert schnörkellos und doch so, dass
man seiner Mimik das Leid seiner Figur Maximus jederzeit ablesen
kann. Der für "Insider" 2000 für den "Oscar"
nominierte Crowe ist damit endgültig auf dem Weg zum Weltstar.
Nachwuchstalent Joaquin Phoenix, jüngerer Bruder des verstorbenen
Schauspielers River Phoenix, darf ebenfalls Impulse setzen, dem
Drehbuch sei Dank: Sein Commodus möchte geachtet und geliebt
werden und gleichzeitig despotisch herrschen dürfen. Aber
nicht einmal die Schwester Lucilla (Connie Nielsen, "Mission
to Mars" (2000)) kann er an sich binden. Macht macht einsam, allein
schon die gute Darstellung des Commodus als tragische Figur hebt
den Film über den Durchschnitt.
Oliver Reed spielt den Gladiatorentrainer Proximo, der Maximus'
Qualitäten als Kämpfer entdeckt und auf das Colosseum
vorbereitet. Es sollte Reeds letzte Rolle werden; der 61-jährige
Schauspieler starb am 2. Mai 1999 während der Dreharbeiten
an Leberzirrhose. "Gladiator" ist für Oliver Reed
ein rühmlicher Abgang. Denn alles in allem ist Ridley Scotts
Film ein würdiges Comeback des Genres, obwohl die Filmhandlung
zu Gunsten der Kampfszenen in den Hintergrund tritt.
Michael Dlugosch
/ Wertung:
(3 von 5)
Quelle der Fotos:
Dreamworks
Filmdaten
Gladiator
(USA 2000); Regie: Ridley Scott; Drehbuch: David H.
Franzoni, John Logan, William Nicholson; Darsteller: Russell
Crowe (Maximus), Joaquin Phoenix (Commodus), Connie Nielsen (Lucilla),
Oliver Reed (Proximo), Richard Harris (Marcus Aurelius), Derek Jacobi
(Gracchus), Djimon Hounsou (Juba), David Schofield (Falco), John
Shrapnel (Gaius), Tomas Arana (Quintus), Ralph Moeller (Hagen),
Spencer Treat Clark (Lucius), David Hemmings (Cassius), Tommy Flanagan
(Cicero), Sven-Ole Thorsen (Tigris) u.a.; Produktion: David H.
Franzoni, Branko Lustig, Laurie MacDonald, Terry Needham, Walter
F. Parkes, Douglas Wick; Musik: Klaus Badelt, Lisa Gerrard,
Hans Zimmer; Kamera: John Mathieson; Schnitt: Pietro
Scalia; Casting: Louis DiGiaimo; Länge: 154 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von UIP; deutscher Kinostart: 25. Mai 2000
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