September
2000
Das
mutlose Drehbuch zerstört die gute Grundidee
Frequency
Was wäre, wenn
man im Jahr 1999 Kontakt mit einem Menschen aufnehmen könnte
... kurz vor dessen gewaltsamem Tod im Jahre 1969? Und ihn davor
warnen würde? Wie verändert sich die Gegenwart, wenn man
die Vergangenheit direkt beeinflusst? Solcher und ähnlicher
Themen versucht Regisseur Gregory Hoblit auf den Grund zu gehen.
Die intelligente Idee hätte allerdings ein besseres Drehbuch
verdient gehabt.
Das Kino liebt Zeitreisen. Denn der Film ist das Medium für
Zeitsprünge schlechthin. Michael J. Fox' Rollenfigur des
Marty McFly fuhr 1985 in die Vergangenheit und wollte nur noch
"Zurück in die Zukunft". Francis Ford Coppola schickte
1986 in "Peggy Sue hat geheiratet" Kathleen Turner alias
Peggy Sue in die Zeit, als Buddy Holly noch den gleichnamigen
Song singen konnte. In "Und täglich grüßt
das Murmeltier" (1993) hielten alle Phil Connors (Bill Murray)
für verrückt, weil er behauptete, er würde immer
wieder ein und den selben Tag aufs Neue erleben. Für verrückt
gehalten zu werden, ist nicht so schlimm, wenn's am nächsten
Tag sowieso niemand mehr weiß.
"Frequency" bietet eine Neuerung in Sachen Zeitreisen.
In Regisseur Gregory Hoblits drittem Spielfilm (zuvor: "Zwielicht",
1996, "Dämon", 1998) sind es nicht Menschen, die
den Weg zurück finden, sondern es werden Informationen über
die Zukunft in die Vergangenheit geschickt. Informationen, die
mit dem Zeitsprung für eine veränderte Gegenwart sorgen
werden.
John Sullivan (Jim Caviezel) findet im Jahr 1999 das alte Funkgerät
seines Vaters wieder, kurz vor dessen 30. Todestag. Frank (Dennis
Quaid) kam als Feuerwehrmann bei einem Brand ums Leben. Hätte
er damals nur den anderen Weg aus dem brennenden Haus genommen...
Das Funkgerät funktioniert noch. Da John sowieso nichts
anderes vor hat - seine Freundin hat ihn gerade verlassen-, sucht
der New Yorker Cop über Funk einen Gesprächspartner.
Der Mann, der sich meldet, ist, so muss John bald feststellen:
sein Vater Frank! Ein Wetterphänomen ermöglicht den
Kontakt. Eine so genannte Aureole leuchtete dem Drehbuch nach
im Oktober 1969 am Himmel über Amerika und tut es Oktober
1999 erneut. Es gilt für John jetzt, den am folgenden Tag
anstehenden Tod seines Vaters zu verhindern. Wie soll man ihm
aber das und die Tatsache begreiflich machen, dass er mit seinem
Sohn kommuniziert - obwohl der doch gerade als Sechsjähriger
auf seinem Schoß sitzt? John krempelt bald die gesamte Vergangenheit
seiner Familie um - und damit seine eigene Gegenwart. War seine
Mutter, eine alt gewordene Witwe, die ihn alleine großziehen
musste, eben noch lebendig, so ist sie in der neuen Gegenwart
tot: Als Opfer eines Serienmörders, in dessen Hände
sie durch die erneuerte Vergangenheit geraten ist. Der gerettete
Vater und John müssen nun gemeinsam über die verschiedenen
Zeitebenen hinweg das gesamte Wissen über den Täter
zusammentragen und ihn suchen - ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
"Frequency" handelt nicht nur von einer ungewöhnlichen
Vater-Sohn-Kooperation auf der Jagd nach einem Einzeltäter.
Würde der Film nur das bieten, so würde er den Zuschauer
schlichtweg langweilen: Hoblit kann die Action-Sequenzen in "Frequency"
nicht inszenieren. Es liegt ihm nicht.
Das Thema von "Frequency" ist viel mehr der in den 30
Jahren Zeitunterschied verloren gegangene "American Dream",
jene Wunsch-Lebensweise bestehend aus Vater - Mutter - Kind -
trautem Heim. Lernt man eingangs eine glückliche Familie
Sullivan kennen, bei der die Welt bis zum Tode des Vaters noch
in Ordnung ist, so hat der Sohn später zwar noch das gleiche
traute Heim, aber weder Frau noch Kinder, und die Freundin ergriff
so eben die Flucht vor dem depressiven John, den einzig das verstaubende
Funkgerät an bessere Zeiten erinnert.
Die zerstörte Gegenwart repariert John jetzt in der Vergangenheit.
Dementsprechend endet der Film auch so, wie er enden muss, damit
das Klischee des "American Dream" erfüllt wird.
Dieses Ende verhindert eine differenziertere Gestaltung des Drehbuchs;
das ursprüngliche Scheitern des ganz privaten amerikanischen
Traums der Familie Sullivan - und damit der allgemeine "American
Dream" - wird einzig auf äußere Ursachen zurück
geführt. Konfliktpotenzial schöpft der Film nur aus
seinem Mordsuchspiel und nicht aus dem Miteinander der ach so
perfekt zusammen haltenden Familie selbst. Ein mutigeres Drehbuch
hätte sich vom herkömmlichen Mainstream wohltuend abgesetzt.
Die Grundidee und die guten Schauspieler wären dafür
die Basis gewesen.
Michael Dlugosch
/ Wertung: * *
(2 von 5)
Foto:
Verleih
Filmdaten
Frequency
(USA 2000); Regie: Gregory Hoblit; Drehbuch: Toby
Emmerich; Darsteller: Dennis Quaid (Frank Sullivan), Jim
Caviezel (John Sullivan), Shawn Doyle (Jack Shepard), Elizabeth
Mitchell (Julia Sullivan), André Braugher (Satch DeLeon),
Noah Emmerich (Gordo Hersch), Melissa Errico (Samantha Thomas),
Daniel Henson (Johnny Sullivan (sechs Jahre)), Jordan Bridges (Graham
Gibson), Stephen Joffe (Gordo Hersch (acht Jahre)), Jack McCormack
(Commander O'Connell), Peter MacNeill (Butch Foster), Michael Cera
(Gordie Jr. (zehn Jahre)), Marin Hinkle (Sissy Clark), Richard Sali
(Chuck Hayes); Produzenten: Bill Carraro, Janis Rothbard
Chaskin, Toby Emmerich, Patricia Graf, Gregory Hoblit, Howard W.
Koch Jr., Richard Saperstein, Robert Shaye; Musik: Michael
Kamen, J. Peter Robinson; Kamera: Alar Kivilo; Schnitt:
David Rosenbloom; Länge: 116 Minuten; FSK: ab
16 Jahren
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