Januar 2000

Fight Club

"Das Leben ist nur eine Kopie! Und bald werden alle Sphären nach mächtigen Markennamen benannt sein, wie Microsoft-Galaxie...", lautet Jacks Einführung in seine Story.

Jack (Edward Norton), die Hauptfigur des Films, ist ein lebender Toter. Er arbeitet bei einer Autoversicherung und investiert sein Geld in schwedische Designer-Möbel. Er hat keine sozialen Kontakte und leidet unter Schlaflosigkeit, kurz, er ist ein Opfer der amerikanischen Konsumgesellschaft voller Calvin Kleins, dem das Leben keinen Stimulus mehr bieten kann. Dies soll sich jedoch ändern, als er Tylor Durden kennenlernt. Durden (Brad Pitt) ist ein Gesetzloser, ein Freak, der nichts zu verlieren hat und dem das Leben keine Sicherheit in Form von Identifikation zu bieten hat: "Du bist nicht Deine Bank, Du bist nicht Dein Appartment". Tagsüber pinkelt er als Kellner der gut betuchten Gesellschaft ins Essen oder schneidet als Filmvorführer "Geschlechtsteile in Cinderella Filme"; nachts klaut er Beutel mit abgesaugtem Körperfett aus Schönheitskliniken, um den amerikanischen Frauen ihr eigenes Fett in Form von Seife zurück zu verkaufen. Solch zynische und sarkastische Bilder über die westliche Konsumgesellschaft, finden sich bei David Fincher ("Sieben" "The Game") auch in Gestalt von Bob (Meat Loaf), einem ehemaligen Bodybuilder wieder, dem durch die Einnahme zu vieler Hormone gigantische Brüste gewachsen sind, oder durch Marla Singer (Helena Bonham Carter), deren erbärmliches Dasein sie, genau wie Jack, zum Selbsthilfegruppen-Tourist hat werden lassen, um durch Mitgefühl wieder selber Gefühle empfinden zu können.

Als Jack Tyler kennenlernt, erfährt er jedoch eine neue Art von Emotionsrausch. Streetfighting -Boxen bis das Blut spritzt-. Mit Tyler gründet er den Fight-Club, in dem junge Männer zusammenkommen um in blutigen Schlägereien gegeneinander anzutreten. Jack avanciert so vom Selbsthilfegruppen-Touri, zum Fight-Club-Junkie. Fight-Club, der anfangs ein Club von blutrünstigen Schlägern zu sein scheint, entwickelt sich jedoch mehr und mehr zu einer Terrororganisation mit protofaschistischen Zügen. Tylor, der Anführer dieser Geheimgesellschaft, vermag es sich binnen kürzester Zeit Soldaten heranzuziehen, die bereit sind wie eine Maschinerie Sprengstoff zu produzieren um mit ihnen Attentate auf "sinnlose Konsumvertreter" auszuüben. Über Ursprung und Entwicklung dieses Fight-Clubs haben Jack und Tylor jedoch bald genauso ein gespaltenes Verhältnis wie zu der Beziehung, die die beiden mit Marla führen. Während Marla immer wieder versucht die Nähe Jacks zu gewinnen, ergibt sie sich den gewaltsamen Sexspielen von Tyler. Von diesem Punkt an sollen sich auch die ersten Charakter- und Identifikationsprobleme des in einem eheähnlichen Verhältnis lebenden Paares Jack +Tylor herauskristallisieren. "Rollentausch und der Film läuft ganz normal weiter, ohne daß das Publikum es merkt", erläutert uns die Stimme aus dem Off.

Mit solch selbstreflexiven Elementen, die das `Erzählen´ im Kino thematisieren spielt Fincher übrigens den ganzen Film über. Durch Kommentare aus dem Off, Dialoge mit dem Zuschauer seitens der Darsteller und einer ungewöhnlichen Montagetechnik (Vorgriffe innerhalb von Rückblenden, eingefrorene Bilder) wird der Plot andauernd gebrochen. Ebenso durch die sehr gut gelungenen Animationen unter der Leitung von Alex Mc Dowell -bekannt durch Animationen zahlreicher Spielbergfilme-, die gewisse Wunschgedanken der Figuren visualisieren. Wenn Jack im Flugzeug sitzend über einen Flugzeugabsturz nachdenkt, vollzieht sich dieser im nächsten Moment schockartig auf der Leinwand. Spricht Jack über seine schwedischen Möbel, wird der Zuschauer direkt in die virtuelle Szenerie eines Ikea-Katalogs geworfen.

Finchers Film ist jedenfalls nicht im geringsten eine Kopie, mag er auch ein wenig an Matrix (Special Effects, wie digitale Bildbearbeitung und fragmentarische Erzählweise) oder an Thelma + Louise (Plot) erinnern, so zerlegt er durch seine Bilder und Symbole den amerikanischen Film und damit auch die westliche Konsumgesellschaft in all seine Bestandteile. Denn nicht nur die Geschichte des Films, sondern auch seine Erzählweise und Ästhetik unterlaufen jegliche Regeln des amerikanischen Kinos. Finchers filmtechnische Umsetzung unterbindet eine lineare, mit einem klassischen Spannungsbogen versehene Handlung, die genauso anarchistisch ist wie der Charakter Tylers. Und die Bilder außerhalb der Brutalität -die hier eher den verzweifelten Versuch des Ausbruchs aus der Gegenwart als die Verherrlichung von Gewalt darstellen- lassen den Zuschauer eine unbekannte Kinodimension erfahren.. Die Kombination der ironisierenden Science-Fiction-Sequenzen mit denen der düsteren Gewalt, verdichtet den Film Fight-Club zu einer bitterbösen apokalyptischen Satire, die von der Identitätsspaltung bis zum Feminismus kein Thema der heutigen Gesellschaft unangetastet lässt. (... oder der Film läuft ganz normal weiter, ohne daß das Publikum es merkt.)

Kann man diesem Film trotz seiner Brutalität dennoch nichts abgewinnen, hat er einen vielleicht nur im falschen Moment erwischt. So Jacks letzte Rechtfertigung gegenüber Marla in bezug auf sein absolut unberechenbares Verhalten.

Fight-Club, USA 1999, 139 min.; Produzenten: Art Linson, Ross Bell; Regie: David Fincher; Buch: Chuck Palahniuk; Drehbuch: Jim Uhls; Kamera: Jeff Cronenweth; Spezialeffekte: Alex Mc Dowell; Musik: The Dust Brothers; Darsteller: Edward Norton (Jack), Brad Pitt (Tyler Durdon), Helena Bonham Carter (Marla Singer), Meat Loaf (Bob Paulsen), Jared Leto (Angel Face) u.a.

 

Nina De Fazio / Wertung: * * * * (4 von 5)


Filmdaten
Fight Club

USA 1999, 139 min.; Produzenten: Art Linson, Ross Bell; Regie: David Fincher; Buch: Chuck Palahniuk; Drehbuch: Jim Uhls; Kamera: Jeff Cronenweth; Spezialeffekte: Alex Mc Dowell; Musik: The Dust Brothers; Darsteller: Edward Norton (Jack), Brad Pitt (Tyler Durdon), Helena Bonham Carter (Marla Singer), Meat Loaf (Bob Paulsen), Jared Leto (Angel Face) u.a.

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