31.05.2000

Gnadenlose Oberflächlichkeit und vorgespielte Kritikfreudigkeit

Dogma

Eine erfrischende Erzählung verspricht anfangs Dogma zu werden. Doch Plattheiten und Oberflächlichkeiten lassen den Film lediglich zu einer missratenen Komödie werden. Einer Reflektion oder eines sachgerechten Einsatzes der aufgeworfenen Themen kann sich Autor und Regisseur Kevin Smith nicht annähern.

Die Auserwählte

Die Engel Bartleby und Loki sind einst von Gott auf die Erde verbannt worden. Der Marketingstreich einer katholischen Kirche könnte ihnen nun zu der Rückkehr in den Himmel verhelfen: In Red Bank proklamiert Kardinal Glick die Erneuerung seiner Kirche. Anlässlich dieser Feier wird vier Tage lang allen Personen, die durch das Portal der Kirche schreiten, der Ablass erteilt und die Sünden vergeben. Das Vorhaben der beiden gefallenen Engel ruft jedoch die himmlische Abteilung auf den Plan. Der Seraph Metatron, die Stimme Gottes, beauftragt Bethany, Beschäftigte einer Abtreibungsklinik und momentan in einer Glaubenskrise, die beiden aufzuhalten. Würden Bartleby und Loki alle Sünden vergeben und sie so in den Himmel fahren können, so hieße dies, dass Gott und Kirche doch nicht unfehlbar seien. Das hätte den Untergang der Welt zur Folge, wird ihr von Metatron erklärt. Bethany stehen während ihres Auftrages zwei Propheten zur Seite: Jay und Silent Bob. Später gesellen sich noch der unterschlagene 13. Apostel Rufus und die Muse Serendipity hinzu. Doch das reichlich seltsame Himmels-Kommando hat auch Gegenspieler. Der Dämon Azrael und seine höllischen Gehilfen tun alles, damit Bartleby und Loki zu der verheißungsvollen Pforte gelangen können.

Dass Jesus als Schwarzer und Gott als eine Frau dargestellt wird, mag noch erfrischend wirken, auch wenn die Idee schon mehr als einmal ausgebreitet worden ist. In dem klaren Bekenntnis zur jungfräulichen Empfängnis Mariae mag jedoch nicht mehr jeder folgen. Glaubenssätze werden nicht nur übernommen, sondern auch auf archaisch unreflektierte Weise dargestellt. Dogma protzt dabei mit bloß vorgespielter Sachkenntnis. Theologische Themen werden zwar benannt, aber dann doch liegen gelassen und nicht angegangen. Story und Personen ergeben ein unausgegorenes Potpourri aus Mythen, Religion und Erfindung. Mehr als Lässigkeit und penetrante Modernität, die den Engeln Kapuzenpullis verleiht, kann der Film an Komik nicht bieten, und deswegen langweilt er schnell. Schließlich ergeht sich er sich fast nur noch in Plattheiten. Da taucht zum Beispiel der Golgathaner auf, ein "Scheiß-Dämon", der sich aus dem Kot der auf Golgatha Gekreuzigten zusammensetzt und mit Raumspray erledigt wird.

Der Apostel und die Muse

In Kevin Smiths zu Recht gelobtem Erstling Clerks - Die Ladenhüter (Clerks, 1994), der mit den Folgefilmen Mall Rats (Mall Rats, 1995) und Chasing Amy (Chasing Amy, 1996) die sogenannte New-Jersey-Trilogy bildet, konnten Jason Mewes als Dealer Jay und Smith selbst als Silent Bob ihre Nebenrollen meistern, hier aber scheinen sie überfordert zu sein und geben sich nur durch Fäkalsprache und Durchgedrehtheit zu erkennen. Allenfalls Ansätze von Satire können Dogma zugestanden werden: Etwa als Kardinal Glick in seiner Kathedrale eine neue Jesusikone einführt, da er den gekreuzigten Erlöser als zu negativ empfindet. Der lebensgroße Jesus aus Plastik hat stattdessen den Daumen nach oben, ein Augenzwinkern und ein breites Grinsen - Jesus als Kumpel. An anderer Stelle jedoch werden problematische Positionen der Kirche uneingeschränkt bejaht oder überspielt, so dass der Film auf halbem Wege stehenbleibt. Aus der anfänglichen Unentschiedenheit wächst die Gewissheit, dass Kirchengeschichte und Bibel nicht konsequent kritisch betrachtet, sondern für ein oberflächliches Spiel benutzt werden sollen. Das Erscheinungsbild, aber nicht Wesensgehalt und falsche Überlieferungen und Interpretationen werden angemessen behandelt. Alte Dogmen in neuem Gewand werden dem Zuschauer hier verkauft.

Gott, der, als er noch zornig war, die Sintflut und den Schwefelregen auf Sodom befohlen hat und in dessen Namen Kreuzzüge geführt worden sind, ist nun friedliebend und human geworden. Kevin Smith vergibt Gott. Kein Wässerchen kann ihn mehr trüben, und damit hat sich das Thema Vergangenheit für den Film auch erledigt. Niemand würde wahrscheinlich darauf bestehen, dass ein Film dazu zwangsläufig Stellung beziehen müsse. Doch da diese Themenkomplexe explizit ins Spiel gebracht werden, kann mehr erwartet werden als substanzloses Gerede. Kevin Smith gibt sich als Religionsanhänger zu erkennen, und seine Kritikfreudigkeit scheint über weite Strecken nur vorgespielt. Nur Riten und Auswüchse scheinen ihn an Mutter Kirche gestört zu haben. Dogma bleibt so ein in sich widersprüchliches Stückwerk. Mit den zweifelnden Charakteren findet in diesem Film auch der Regisseur zum Glauben.

 

Philipp Wallutat / Wertung: * * (2 von 5)

Quelle der Fotos: Lions Gate Films

Filmdaten
Dogma (Dogma)

Buch und Regie: Kevin Smith; Kamera: Robert Yeoman; Schnitt: Kevin Smith; Ausstattung: Robert Holtzman; Kostüme: Abigail Murray; Musik: Howard Shore, Randall Poster; Darsteller: Ben Affleck (Bartleby), Matt Damon (Loki), Linda Fiorentino (Bethany), Salma Hayek (Serendipity), Jason Lee (Azrael), Alan Rickman (Metatron), Chris Rock (Rufus), George Carlin (Kardinal Glick), Jason Mewes (Jay), Kevin Smith (Silent Bob) u.a.

USA 1999, 135 Minuten, FSK: ab 16.

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