26. Oktober
2000
Die
Rache der Regisseure
Cecil B.
Nicht
nur Kinogänger und Filmkritiker regen sich darüber auf,
dass Spielfilme immer verkitschter, publikumsträchtiger und
dementsprechend anspruchsloser werden, sondern manchmal auch Regisseure.
Dies beweist John Waters in "Cecil B.", dessen Drehbuch
er auch geschrieben hat. In seiner Satire zieht er gnadenlos über
die Hollywood-Mechanismen her.
In
"Cecil B." ist es folgerichtig ein Regisseur, der dem
mainstreamsüchtigen Hollywood mit einem eigenen Independent-Film
den Kampf ansagt. Er nennt sich Cecil B. Demented (Stephen Dorff),
ein Name, der an den Hollywood-Regisseur der Anfangstage, Cecil
B. DeMille (1881 - 1959, "Die zehn Gebote", 1956), angelehnt
ist. Cecils Drehteam, ein wilder, leicht debiler Haufen, ist auf
ihn in Guerilla-Manier eingeschworen: Bis der Film fertiggestellt
ist, gelten Gehorsam und sexuelle Enthaltsamkeit. Mit dem Schlachtruf
"Demented forever!" wollen nun die "Perforationslöcher",
so nennen sich Dementeds Revoluzzer, den Dreh des ultimativen Anspruchsfilms
durchziehen. Ihnen fehlt nur noch eine prominente Hauptdarstellerin.
Kurzerhand wird sie entführt, es ist die Hollywood-Diva Honey
Whitlock (Melanie Griffith), die zum Superstar wurde, weil sie in
jeder Kitschproduktion mitgewirkt hat. Bislang; ab sofort will sie
das nicht mehr mitmachen, denn Cecil kann sie von seiner Aktion
überzeugen: Hat sich Hollywood doch so sehr auf den Mainstream
konzentriert, dass nur noch Produktionen wie "Patch Adams:
The Director's Cut" und "Forrest Gump 2: Gump Again"
entstehen.
Hollywood lässt sich Cecils Konkurrenz nicht lange bieten.
Die improvisierten Takes in der Öffentlichkeit werden immer
häufiger gestört, es kommt zu Schießereien...
Wenn John Waters Filme dreht, hält er sich nicht an die Regeln.
Wozu auch, er möchte anecken. Er, zu dessen heimischen Mobiliar
angeblich ein elektrischer Stuhl und ein Bild, das der Massenmörder
John Wayne Gacy gemalt hat, gehören, zeigt gerne das Normale
in einer bis an die Schmerzgrenze überspitzten ironischen Form
- beispielsweise ging Kathleen Turner als liebende Familienmutter
auf Rachefeldzug gegen Menschen vor, die ihr das Leben in Kleinigkeiten
des Alltags erschweren ("Serial Mom - Warum lässt Mama
das Morden nicht?", 1994).
Ähnliches zeigte Waters in "Female Trouble" (1975):
Divine spielte darin eine Frau, die so verzweifelt aus ihrer Mittelmäßigkeit
in den Ruhm entfliehen will, dass sie schließlich mordet.
Waters' heftigster Schlag unter die Gürtellinie des guten Geschmacks
auf der Leinwand fand ebenfalls mit dem Transvestiten Divine statt:
In der Schlussszene von "Pink Flamingos" (1972) isst Divine
echten Hundekot.
Wie unangepasst John Waters Filme dreht, zeigt auch die folgende
Tatsache: In der Darstellerliste von "Cecil B." taucht
- als Fidgets Mutter - auch eine gewisse Patty Hearst auf. Ja, es
ist sie, es ist Patricia Hearst, die Tochter des Medienmoguls William
Randolph Hearst, die 1974 entführt worden war, sich mit den
Entführern solidarisierte und Terroristin wurde. Heutzutage,
nach einer Gefängnisstrafe rehabilitiert, ist Patricia Hearst
Schauspielerin, dabei speziell John-Waters-Veteranin - in vier seiner
Werke hat sie bislang mitgewirkt -, und durfte in diesem Werk über
eine entführte Schauspielerin, die fortan gemeinsame Sache
mit den Kidnappern macht, nicht fehlen.
Kaum ein Regisseur würde es wagen, eine ehemalige Terroristin
für einen Film zu verpflichten - John Waters schon. In "Cecil
B." ist Patricia Hearst höchstens in ihrer Rolle fehl
am Platz: Sie spielt nicht etwa eine Cecil B.-Demented-Befürworterin,
sondern eine besorgte Mutter, die ihren Sohn von dieser schiefen
Bahn, im Team Cecils zu sein, zurückholen will. Waters' Ironie
in der Ironie.
In seinen Vorlesungen an Colleges hört John Waters häufig
die Meinung junger Leute: "Ich würde dafür sterben,
einen Film machen zu können!" So, erklärt Waters
im Interview mit dem "Hollywood Reporter", habe er "dann
eben einen Schritt weiter gedacht und ein Drehbuch geschrieben über
eine sektenähnliche Gruppe, die töten würde, um einen
Film zu drehen. Aber sie sind cinematically correct: Sie töten
dich nur, wenn du ihrem Film im Weg stehst."
Dass John Waters' Satire auf Hollywood nicht so ganz gelingt, liegt
daran, dass dem Film irgendwann nach verheißungsvollem Beginn
die Ideen ausgehen. Als Satire müsste er spitzfindiger Missstände
der Traumfabrik herausfiltern. "Cecil B." begnügt
sich mit zugespitzten Klischees, angefangen bei der von Melanie
Griffith überzogen dargestellten Diva: Diese lässt ihre
Launen an anderen aus, wie man es sich bei Filmstars eben so vorstellt.
Stephen Dorff mimt den Revoltenführer ebenfalls nach Standardmuster.
Cecils Anhänger sind Revolutionäre nach Schema F. Eine
Satire auf die Filmbranche kann aber nur dann greifen, wenn sie
selbst als Film Qualitäten entwickelt und in puncto Qualität
ihr Thema übertrifft. "Cecil B." geht in der zweiten
Hälfte der Atem aus. Besser schlagen sich da im Vergleich die
"Perforationslöcher", denen in "Cecil B."
bis zuletzt der Atem nie fehlt, die bis zuletzt dazu bereit sind,
für ihren eigenen Film ihr Leben zu opfern.
Michael Dlugosch
/ Wertung:
* * (2 von 5)
Quelle des Fotos:
www.fantasyfilmfest.com
Filmdaten
Cecil B.
(Cecil
B. Demented)
USA
2000; Regie: John Waters; Drehbuch: John Waters;
Produzenten: Fred Bernstein, Joseph M. Caracciolo Jr., Anthony
DeLorenzo, John Fiedler, Pat Moran, Mark Tarlov; Musik: Basil
Poledouris, Zoe Poledouris; Kamera: Robert M. Stevens; Schnitt:
Jeffrey Wolf; Casting: Kerry Barden, Billy Hopkins, Pat Moran,
Suzanne Smith; Darsteller: Stephen Dorff (Cecil B. Demented),
Melanie Griffith (Honey Whitlock), Adrian Grenier (Lyle), Alicia
Witt (Cherish), Larry Gilliard Jr. (Lewis), Maggie Gyllenhaal (Raven),
Jack Noseworthy (Rodney), Michael Shannon (Petie), Harriet Dodge
(Dinah), Zenzele Uzoma (Chardonnay), Eric M. Barry (Fidget), Erika
Lynn Rupli (Pam), Mink Stole (Mrs. Mallory), Patty Hearst (Fidget's
Mutter), Ricki Lake (Libby); Länge: 87 Minuten
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