Der extremste expressionistische Film-Eroberer
Porträt: Tim Burton
Keine Frage – dieser Tim Burton ist der exquisiteste Erneuerer des expressionistischen Films: Sein Faible für faszinierend schräge Streifen begeistert immer wieder durch Burtons Vorliebe für extreme Szenarien mit komischen, morbiden und bizarren Akzenten, Handlungen und Akteuren. Die Figuren sind entweder der Comicwelt (Batman-Verfilmungen) entsprungen oder im Horrorgenre daheim. Burton, der Merlin des Melodrams, Märchen und Mutantenkinos, für das Friedrich Murnau und Fritz Lang Pate standen. So leiht er sich bisweilen gerne genetische Elemente aus dem Gothic- und Underground-Bereich aus, wie er in seinem neuesten Film-Coup „Tim Burtons Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ par excellence beweist.
Überhaupt kokettieren seine aktuelleren Highlights mit surrealen
Sujets („Big Fish“) und minutiöser Film-Architektur
(„Charlie und die Schokoladenfabrik“): Ob gruselig verbrämte
Figuren („Beetlejuice“, „Edward mit den Scherenhänden“)
oder die gigantischen Bauten, Kulissen und Kostüme im androgynen
Action-Walhalla der Batman-Movies. Nebenbei wagt er mal kurzerhand
mit „Ed Wood“ (eine Studie über den größenwahnsinnigen
wie angeblich schlechtesten Regisseur aller Zeiten) einen waghalsigen
Trip in den unzeitgemäßen Schwarzweiß-Film.
„Eine Hommage an die Filme und Darsteller, die ihn schon in seiner Kindheit begeisterten“, bekräftigt Burton im Interview nachhaltig seine Werke, die durch düstere Szenarien („Batman“), skurrilen Humor („Mars Attacks!“) sowie schrille Sets mit grellen Gebäude-Formationen in „Edward mit den Scherenhänden“. Stets wacht bei Tim Burton das Kind im Mann über seine Werke. Kein Wunder: Am 25.8.1958 in Burbank, in der Nähe der Hollywood-Studios in Kalifornien geboren, führt seine kindliche Fernseh-Sucht schon im Teeny-Alter von zarten 13 Jahren zum ersten Film „The Island of Dr. Ago“. Ein Stipendium an dem von Walt Disney gegründeten California Institute of the Arts gewinnt Burton 1980. Klar, dass der Kino-Crack einen Job als Zeichner erhielt, just zu einer Zeit, in dem die Disney Studios trotz Filmen wie „Cap und Capper“ oder „Taran und der Zauberkessel“ fast havarierten. Auch der Mega-Hit „Arielle, die kleine Meerjungfrau“ lag schon einige Jahre zurück. Ebenfalls zurück denkt Burton eher ungnädig an jene Zeit, in der niemand so recht seine Entwürfe respektierte, denn immerhin befand sich unter seinen Vorschlägen die Idee zum späteren Trick-Highlight „Nightmare Before Christmas“… Nachdem Burton 1982 Disney verläßt, erntet er schnell Lorbeeren für seinen ersten Kurzfilm „Vincent“ über Burtons Idol Vincent Price, der seine letzten Auftritte in „Edward mit den Scherenhänden“ und in „Ed Wood“ mit Martin Landau als Bela Lugosi hatte. Als unabhängiger Vertragspartner mit Walt Disney realisiert Burton 1983 den 30minütigen Cartoon „Frankenweenie“, das leider für ein jüngeres Publikum als zu erschreckend eingestuft und beiseite geschoben wurde. Die Warner Brothers- Studios, von „Frankenweenie „ zutiefst angetan halten gerade Ausschau nach einem geeigneten Regisseur für die Realverfilmung des Cartoons „Pee-wee Herman“. So kommt Burtons erster abendfüllender Spielfilm „Peewee`s irre Abenteuer“ auf die Leinwand und wird zu einem der größten Warner-Hits in den frühen Achtzigern. Dank dieses Erfolges erhält nun der Newcomer die Möglichkeit,
die starbesetzte Geistergeschichte (Alec Baldwin und Geena Davies) „Beetlejuice“ zu
inszenieren. Das schräg schrille Horrormärchen gilt bis
heute als Burtonscher Prototyp wegen seiner unnachahmlichen Optik
und der verwobenen Struktur von Fantasy mit Horror. Danach kreiert
Burton Batman und schreibt Kinogeschichte: Die verfilmte Comic-Story über
den begüterten Geheimnisträger Bruce Wayne und die als
Homo-Erotik verpönte Freundschaft zum jüngeren Action-Mitstreiter
Robin ist der erste Film, der innerhalb von zehn Tagen die magische
100-Millionen-Dollar-Marke überschritt. Auch beim Sequel „Batman Returns“ merkt man sofort, dass Tim Burton wesentlich mehr künstlerische Freiheit beansprucht, zumal der zweite Teil um einiges düsterer als das eigentliche Original daher kommt; sehr zum Leid offizieller Konzepte der Warner Brothers. Wesentlich einmütiger nimmt man 1993 Burtons Rückker zu
den Wurzeln an: „The Nightmare Before Christmas“, das
von Burton animierte und produzierte Stop-Motion-Musical loben Kritiker
und Publikum gleichermaßen. Der geniale Komponist Danny Elfman
(„Darkman“) mit seinen gewaltig moribunden Kompositionen,
der nahezu jeden Burton Film untermalt, singt sogar hier drei Figuren
selbst. Burton folgender Schulterschluss namens „Ed Wood“ misslingt; von der Kritik hoch gelobt, verendet die Biographie ähnlich wie „Mars Attacks!“ (die Persiflage und gleichzeitige Würdigung an Science Fiction-Filme der 50er Jahre) kläglich an den Kinokassen. 1996 geht Tim Burton bei „Batman Forever“ nur noch als Produzent zu Werke und zeichnet auch für die wunderbare Adaption von Roald Dahls düsterem Kinderbuch „James und der Riesenpfirsich“ verantwortlich. Bei „Sleepy Hollow“ (1999) verbündet er sich zum wiederholten Mal mit Johnny Depp und holt zusätzlich Christina Ricci ins Boot: Die Horrorgeschichte über den kopflosen Reiter und seinen tugendhaften Jäger Crane basiert auf einem Buch von Washington Irving. Im Jahre 2001 wagt er sich an den legendären „Planet der Affen“ und schafft mit Hauptdarsteller Mark Wahlberg ein atemberaubendes Remake des Klassikers. Bei den Dreharbeiten hierzu trifft Burton die britische Mimin Helena Bonham Carter, mit der er mittlerweile lange liiert ist und einen Sohn hat. Tim Burton ist ebenso als erfolgreicher Autor in Erscheinung getreten, sei es bei einigen seiner früheren Werke oder im Internet: Sein Buch „Oyster Boy´s Death ist eine Sammlung mit Geschichten, Gedichten und Zeichnungen über Figuren jenseits der Norm; also typisch Burton. Typisch Burton scheint auch sein nie vorhandener Alterungs-Prozeß. Der Mann bleibt jung und cool; die neueren Projekte von Tim Burton gehen wiederum von einer fantastischen kindlichen Faszination und Imaginations-Vermögen aus; sei es die Roald Dahl-Verfilmung „Charlie und die Schokoladenfabrik“ oder „Corpse Bride“, der perfekte Stop-Motion Puppentrickfilm: Das Schöne daran ist das Schöne darin.
Filmografie Tim Burton
1971The Island of Doctor Ago (Kurzfilm) Regie, Drehbuch 1979 Stalk of the Celery Monster (Kurzfilm) Regie, Produzent, Drehbuch 1982 Luau (Kurzfilm) Regie, Produzent, Produzent 1982 Vincent (Kurzfilm) Regie, Drehbuch 1982 Fearie Tale Theatre (Serie/ Episode "Aladdin and his Wonderful Lamp") Regie 1982 Hänsel und Gretel (TV) Regie/Drehbuch (Idee) 1984 Frankenweenie (Kurzfilm) Regie, Drehbuch (Idee) 1985 Alfred Hitchcock Presents (Serie/ Episode "The Jar") Regie 1985 Pee Wee's Big Adventure Regie 1988 Beetlejuice, Regie, Drehbuch (Story) 1989 Batman, Regie 1989 Beetlejuice (TV-Serie), ausführender Produzent 1990 Edward mit den Scherenhänden, Regie, Produzent, Drehbuch 1992 Batmans Rückkehr, Regie, Produzent 1993 The Nightmare Before Christmas, Produzent, Drehbuch (Story und Charaktere) 1993 Family Dog (TV) ausführender Produzent 1994 Cabin Boy Produzent 1994 Ed Wood, Regie, Produzent 1995 Batman Forever, Produzent 1996 James und der Riesenpfirsich, Produzent 1996 Mars Attacks!, Regie, Produzent 1999 Sleepy Hollow, Regie 2000 The World of Stainboy (Animations-Kurzfilm) Regie, Drehbuch 2000 Lost in Oz ausführender Produzent, Drehbuch 2001Planet der Affen, Regie 2003 Big Fish, Regie, Produzent 2005 Charlie und die Schokoladenfabrik, Regie, Produzent 2005 Corpse Bride - Hochzeit mit einer Leiche, Regie, Produzent
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